Siegbach: Oberndorfer BI schürt unqualifiziert Krebsängste (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 01.11.2015, 01:51 (vor 3061 Tagen) @ H. Lamarr

Eine Bürgerinitiative (BI) im Siegbacher Ortsteil Oberndorf sammelte im Oktober 2015 gut 320 Unterschriften gegen einen geplanten neuen Sendemasten. Die BI baute dabei ungeniert auf tief verwurzelte alte Krebsängste in der örtlichen Bevölkerung:

Hans-Werner Lotz, Mitinitiator der Bürgerinitiative, wollte wissen, was eine solche Unterschriftenaktion bewirke. Er erinnerte daran, dass in den letzten Jahren im unteren Bereich Oberndorfs etwa 20 Krebsfälle aufgetreten seien. Dabei verwies er auf die zwei früheren Müllplätze unweit des Unterdorfes, die möglicherweise auch in Beziehungen zu den Erkrankungen stehen könnten. Das Dorf dürfe nicht noch weiteren Belastungen ausgesetzt werden.

Selbst, wenn der Mast nicht errichtet werde, dürften die Oberndorfer nicht eher ruhen, bis die Ursache für die häufigen Krebserkrankungen im Ort geklärt sei, meinte ein anderer Bürger. (Quelle).

Was die Bürgerinitiative in Oberndorf da abzieht, das Spiel mit der Angst, um die Interessen einer handvoll Anführer zu wahren, ist mMn unwürdig und verantwortungslos. Denn die kolportierte Mähr von den häufigen Krebserkrankungen im Dorf wurde bereits 2012 kompetent widerlegt. In einer Presse-Information des Lahn-Dill-Kreises vom 10. Juli 2012 hieß es (Auszug):

Vor ca. 14 Tagen sorgte ein Presseartikel für Unruhe unter der Bevölkerung in Siegbach-Oberndorf. In diesem Artikel wurde behauptet, dass in Oberndorf überdurchschnittlich viele Krebserkrankungen aufgetreten seien („Warum haben viele Oberndorfer Krebs?").

Gesundheitsdezernent Wolfgang Hofmann gibt jedoch Entwarnung: „Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass es keine vermehrten Krebsfälle in Siegbach-Oberndorf gibt."

Eine Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung hatte, beunruhigt durch eine Leukämieerkrankung bei einem Oberndorfer Kind, Ermittlungen bezüglich möglicher weiterer Krebserkrankungen aufgenommen und festgestellt, dass zwischen 1986 und 2012 neun Oberndorfer Bürger an Krebs erkrankt waren; bei sechs weiteren dort lebenden Personen vermutete sie Krebserkrankungen. Diese Daten wurden als „ungewöhnliche Häufung" interpretiert und gelangten ohne eine weitere Prüfung in die Presse, wo
über eine mögliche gemeinsame umweltbezogene Krankheitsursache spekuliert wurde.

Wolfgang Hofmann erläuterte, dass die Abteilung Gesundheit sofort mit dem Hessischen Krebsregister Kontakt aufgenommen habe, als die vermutete regionale Krebshäufung bekannt geworden sei. Das Krebsregister, das zum Geschäftsbereich des Hessischen Sozialministeriums gehöre, habe 2007 mit dem Aufbau der Erfassung von Krebserkrankungen in Mittel- und Nordhessen begonnen und werte diese aus. Auch wenn die Auswertung derzeit noch mit kleinen Einschränkungen versehen werden müsse, da die Daten des Krebsregisters noch nicht ganz vollzählig seien, lasse sich eine Krebshäufung in Siegbach-Oberndorf nicht bestätigen. In Siegbach seien in den Jahren 2008 und 2009 zwölf Krebsfälle bei Männern und fünf bei Frauen im Krebsregister registriert worden. Auf Basis der hessenweiten Erkrankungshäufigkeiten wären 11,5 Krebsfälle bei Männern und 10,8 Krebsfälle bei Frauen zu erwarten gewesen; Siegbach liege also nach den vorliegenden Daten bei Männern im Hessenschnitt, bei Frauen darunter.

Der Gesundheitsdezernent hob noch einmal hervor, dass für die Allgemeinbevölkerung unter den hiesigen Umweltbedingungen der Anteil von Umweltfaktoren auf die Krebsentstehung als eher gering einzustufen sei. Häufig seien sogenannte Krebshäufungen in einem bestimmten Gebiet auf natürliche Ursachen, wie beispielsweise eine homogene Alterstruktur in Dörfern oder Neubaugebieten aus den 60er oder 70er Jahren zurückzuführen. Dass Krebserkrankungen mit zunehmendem Alter stark anstiegen, sei leider normal. Wenn in einem Gebiet der Altersdurchschnitt erhöht sei, gebe es hier natürlicherweise auch eine höhere Rate an Krebserkrankungen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Krebs, Krebshäufung, Kolportage, Oberndorf, Unterschriftaktion, Alterstruktur


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