Falsche Schlüsse (62): Blattläuse an Basilikum (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 18.03.2014, 22:23 (vor 3903 Tagen) @ H. Lamarr

Mein Basilikumtopf am Wohnzimmerfenster hatte vor gut vier Wochen, also noch im Winter, Blattläuse. Woher? Keine Ahnung. Bestimmt nicht vom Mobilfunk.

Was tun? Gift scheidet bei einer Gewürzpflanze natürlich aus. Also befragte ich das Internet und bekam den Tipp: Nimm 2 Teile Wasser und 1 Teil Vollmilch und besprühe damit die Pflanze regelmäßig. Das Lecithin in der Milch wäre der Wirkstoff gegen die ungebetenen Gäste. Na sowas, so einfach ist das. Ich war entzückt.

In' Kühlschrank geschaut: prima, Milch da! Wasser sowieso. Nur, womit sprühen?

Irgendwann fand ich den kleinen Sprüher, den ich eigentlich zum Besprühen von Pflanzen verwende, und zum Vermeiden von Kalkflecken mit abgekochtem Wasser fülle. Mein Ältester (20) benutzt diesen Sprüher mit, beim Bügeln seiner Hemden. Das macht nämlich nicht Mutti, das muss er selber erledigen.

Also Sprüher entleeren, weisungsgemäß mit der Milch-Wasser-Tinktur füllen und verlauste Pflanze mit dem Zeug einsprühen.

Bei der Ingenieursausbildung lernt man, Eventualfälle nicht zu ignorieren, sondern zu berücksichtigen. Im konkreten Fall bedeutet dies: Ich pappte einen Post-it-Zettelchen an den Sprüher, dass kein reines Wasser mehr drin sei, sondern ein Blattlauskiller. Sicher ist sicher.

Dann wartete ich ab, ob von meinem Basilikum bald tote Blattläuse auf die Fensterbank regneten. Doch nichts dergleichen geschah. So oft ich auch sprühte, den Viechern war das völlig wurscht. Nach zwei, drei Tagen war die Luft raus und ich hörte auf zu sprühen.

Wieder zwei, drei Tage später fiel mir mein Versuch wieder ein und ich sprühte. Augenblicklich entfaltete sich ein Geruch, der an eine Mixtur aus Jauche mit eingelegten Zigarettenkippen erinnerte, und der von der UNO vermutlich als biologischer Kampfstoff geächtet würde, wüsste sie nur davon. Mir blieb bei dem bestialischen Gestank jedenfalls die Luft weg. Diese Nebenwirkung hatte der Verfasser des Internet-Tipps wohlweislich verschwiegen. Der Gestank verseuchte die halbe Wohnung und der Wischlappen, mit dem ich Reste wegwischte, bezahlte dafür mit seinem Leben.

Todesmutig sprühte ich, jetzt den Topf in der Badewanne, mein Blattlaus-Basilikum mit der Tabak-Jauche noch über zwei Tage hinweg ein, in der Hoffnung, vor dem impertinenten Geruch würden die Tierchen kapitulieren.

Am dritten Tag, ich saß abends gegen 20:30 Uhr am PC, fing mein Ältester an das Bügelbrett aufzubauen. Er hatte es eilig, wollte zu einer Geburtstagsfeier und dafür noch schnell ein Hemd aufbügeln. Neben mir lief der Fernseher, da schaut er beim Bügeln gern mit rein.

Als ich den Ruf des Entsetzens hörte wusste ich sofort, was passiert war. Sekunden später erreichte mich der mir nur zu gut bekannte penetrante Gestank - und ich musste schallend lachen.

Inzwischen ist der Basilikumtopf samt der von der Behandlung völlig unbeeindruckten Blattlauskolonie in den Müll gewandert und mein Sohn spricht wieder mit mir. Er hatte den Post-it-Zettel auf dem Sprüher im Halbdunkel nicht gesehen und ein frisch gewaschenes Hemd mit der Tabak-Jauche eingesprüht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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