Tausende BIs, Millionen Betroffene kämpfen ... (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 02.09.2008, 17:31 (vor 5924 Tagen) @ caro

Die "Bewegung" ist nicht so groß wie es anfangs scheint. Ok. Aber was wollen Sie uns damit sagen?

Dass der, der glaubt die Titanic zu besteigen sich gewahr sein sollte, dass er ein Ruderboot besteigt. Alles andere ist Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Sie sind persönlich enttäuscht. Ok.

Nein, ich bin sauer auf Schaumschläger und Blender, und auf mich, weil ich denen auf den Leim gegangen bin. Allerdings gab's damals auch kein Alarmsignal in Gestalt von Kritikern, die sich mit solchen Leuten öffentlich anlegten. Wie Sie wissen, hat sich dies inzwischen geändert und dieser Part wird mir immer wichtiger, um nachwachsenden Kritikern zu zeigen: da ist der Wurm drin, da geht nichts vorwärts, da muss ein kompromissloses Umdenken stattfinden.

Aber Mal weg von dieser persönlichen Frustrations-Erfahrung: Hat eine große Bewegung grundsätzlich Recht, eine kleine eher nicht?

Es geht mMn nicht um Recht haben. Es geht um Wirkung haben und um ernst genommen werden. Da hilft eine große Anzahl sehr wohl, nicht umsonst versuchen ja gerade deshalb einige Kritiker, die Zahlen künstlich hoch zu treiben. Es hat nie 20 000 BIs gegen Mobilfunk gleichzeitig gegeben, das ist pure Propaganda. Selbst 5000 sind schon hoch gegriffen, da müssen Sie alle über die Jahre erloschenen BIs mitzählen, um halbwegs auf diese Zahl zu kommen. Gleichzeitig aktiv sind mMn höchstens 200 bis 400 BIs.

Glauben Sie, dass alle Betroffenen in BIs organisiert sind?

Nein, aber die Betroffenen tauchen auf einschlägigen Veranstaltungen auf, um sich dort zu informieren.

Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Betroffenen, der sich auch engagiert?

Bevor ich Ihnen irgendeine Hausnummer nennen sage ich lieber: weiß ich nicht. Niemand weiß das, weil die Anzahl der Betroffenen keiner weiß. Sicher ist nur eins: Die Anzahl der Engagierten ist kleiner als die der Betroffenen.

Was haben abstrakte Online-Abstimmungen mit einem konkreten Sendemast vor der Haustür zu tun? Sind Online-Abstimmungen tatsächlich ein Gradmesser für das Ausmaß der Mobilfunkkritik?

Ach Mensch, caro, was soll das denn! Ich versuche hier nur Fakten herbeizuholen, die über die bloße Behauptung hinausgehen, alle Kritiker dieses Landes könnten in meinem Wohnzimmer Platz nehmen. Wenn Sie etwas besseres haben als die Online-Aktivitäten, dann bitte gerne her damit. Bis dahin finde ich den gefundenen Gradmesser aber so schlecht nicht, denn er ist vor allem eines: widerspruchsfrei. Auch dann, wenn Sie eine Dunkelziffer von 400 % oder meinetwegen 800 % ansetzen. Denn alle Online-Aktionen, egal ob national oder international, bestätigen einhellig die Einschätzung, dass eine Handvoll Aktivisten es schafft, einen Mordsrabatz zu machen. Und beachten Sie bitte, das sind nicht allein Petitionen, da ist z.B. auch eine Seite für ES-Fallschilderungen aus aller Welt mit dabei. Und ausgerechnet diese zeigt die kümmerlichsten von allen Zahlen.

Warum scheiden die "Blitzkrieg-Kritiker" oft schnell wieder aus? Weil sie keine Beschwerden bekommen oder weil sie merken, wie komplex die Thematik ist und wie wenig sie ausrichten können sprich wie wenig Erfolgserlebnisse sich bei der Arbeit einstellen?

Meiner Erfahrung nach eindeutig deshalb, weil die angekündigten Horrorszenarien - auf die die Leute anfangs beklommen warten - sich einfach nicht einstellen wollen. Sie sollten mal sehen, wie interessiert die Leute unmittelbar nach Aufstellung eines neuen Masten sind. Da geht voll die Luzi ab. Schon nach ein paar Monaten ist die Luft aber draußen. Beispiel: Vor etwa sechs Monaten erzählte mir ein "Neuzugang", eine Frau, aufgeregt, dass ein Anwohner nach Einschalten eines frisch montierten Senders (Termin war bekannt) prompt nicht mehr einschlafen konnte. Das machte ihr Sorge. Vor etwa drei Wochen habe ich dann angeboten, bei diesem Betroffenen eine 24-Stunden-Dauermessung mit einem Personendosimeter zu machen, um die Belastung Tag/Nacht zu erfassen. Da winkte sie aber schon ab: Ach der, sagte sie, der hat sich seither auch nicht mehr gemeldet, die BI sei im vergangenen halben Jahr auf zwei Personen geschrumpft, alle anderen gingen ihrem gewohnten Alltag wieder nach. Und wenn ich mir jetzt überlege, wieviele BIs ich wegen aufgelassener Websites schon aus unserer Linkliste rausgeschmissen habe, dann caro, ist die Geschichte von soeben alles andere als ein Einzelfall, sondern eher der Regelfall.

Fazit: Wenn die Anzahl der Kritiker all der Schaumschlägerei zum Trotz eben doch nur sehr klein ist, dann ist dies nicht unbedingt ein Nachteil. Ein Nachteil resultiert nur dann daraus, wenn ein paar Traumtänzer meinen, sie hätten eine Armee hinter sich und könnten z.B. einen Protestmarsch auf Berlin inszenieren, eine Großdemo oder - sehr beliebt - eine Online-Petition. Derartige dilettantische Manöver zeigen nur Unkenntnis der tatsächlichen Situation, sie sollten mMn daher ersatzlos gestrichen und gegen Maßnahmen ersetzt werden, die der Truppenstärke angemessen sind.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
BI, Blender, Horrorszenarien, Scharlatan, Propaganda, Zerfall


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