Handytelefonate in öffentlichen Verkehrsmitteln sind heutzutage gang und gäbe, obwohl die meisten wissen, dass innerhalb metallischer Fahrgastzellen wegen der Reflexionswirkung mit einer stärkeren Elektrosmogbelastung gerechnet werden muss. Doch wie stark ist die Belastung wirklich und wie ist die Verteilung des Elektrosmogs in einem Bus, wenn dort mehrere Passagiere gleichzeitig telefonieren? Das IZgMF ist diesen Fragen nachgegangen und hat dazu ein Messprojekt organisiert, das zum Teil überraschende Erkenntnisse hervorgebracht hat.
Die komplette 16-seitige Dokumentation des Messprojekts inklusive aller Messwerte und deren Auswertung in Form von Diagrammen liegt als Messprojekt Linienbus Abschlussbericht (PDF, 2,01 MByte) zum Download bereit. Auf Seite 11 findet sich dort auch eine Zusammenfassung mit Schlussfolgerungen. Eine Bildergalerie des Projekts haben wir hier hinterlegt. |
Ergebnisse der Feldbelastung im Bus
Wenn die von den drei Handys erzeugten Leistungsflussdichten linear addiert werden, ergibt dies eine Maximalbelastung am Platz 5 in Höhe von 776 mW/m². Bemerkenswert ist, dass die drei Handys an diesem Wert nicht etwa zu gleichen Teilen beteiligt sind, sondern u. a. wegen der Richtwirkung der Handy-Antennen ein stark unterschiedliche Verteilung zu beobachten ist. So trägt das Handy 1 auf Platz 4 rd. 252 mW/m² bei, das Handy 2 auf Platz 8 nur rd. 84 mW/m² und das Handy 3 auf Platz 6 dominiert mit 440 mW/m². Noch krasser fällt die Richtwirkung bei Platz 7 ins Gewicht, der mit 648 mW/m² am zweitstärksten belastet ist. Hier trägt das Handy 2 auf Platz 8 mit 556 mW/m² fast 86 % zur Gesamtbelastung bei. Auf den hinteren Plätzen, die 4 m bis 8 m von den Handys entfernt sind, ist die Belastung mit 70 mW/m² bis herab zu 16 mW/m² erwartungsgemäß deutlich kleiner als in unmittelbarer Nähe der Handys.
Das Diagramm rechts zeigt die kumulierte Feldbelastung in Form von Balken für alle 32 Sitzplätze, wobei die Anteile der einzelnen Handys am Gesamtresultat farbig markiert sind. Ab Platz 14 fällt die Belastung schlagartig ab, die Erklärung dafür ist oben im Bestuhlungsplan zu sehen: Zwischen Platz 14 und Platz 15 befindet sich die breite Stehplatzzone des hinteren Einstiegs.
Bei der Interpretation aller Messwerte ist zu beachten, dass diese pro Sitzplatz an einer festen Position in Kopfhöhe eines Passagiers gemessen wurden. Eine durch Reflexionen mögliche Verstärkung oder Abschwächung des elektromagnetischen Feldes in der näheren Umgebung der Messsonde blieb bei allen Messungen unberücksichtigt, d. h., es kann im Sinne von Worst-Case-Betrachtungen durchaus sein, dass punktuell noch höhere Werte messbar gewesen wären, wenn mit der Messonde das Feldmaximum gesucht worden wäre. Dies aber war aus Zeitmangel nicht der Fall.
Telefonierend in einen Bus einsteigen: Wie ändert sich die Sendeleistung?
In einer zweiten Messreihe gingen wir der Frage nach, um wieviel die Feldbelastung zunimmt, wenn eine Person im Freien ein Telefonat beginnt, und dann das Gespräch im Bus fortsetzt. Das Resultat dieser Messreihe hat doppelte Auswirkungen: Zum einen betrifft es die Person die telefoniert und die übrigen Buspassagiere, zum anderen betrifft es alle Anwohner der Basisstationen, die ein derartiges Gespräch abwickeln. Denn sobald eine Person telefonierend den Bus betritt, regelt wegen der Barrierewirkung der Fahrgastzelle nicht nur das Handy die Sendeleistung nach oben, auch die beteiligte Basisstation muss dies tun, um die Verbindung von Ihrer Seite aus ebenfalls aufrecht zu erhalten. Wer im Bus telefoniert belastet deshalb eine Vielzahl von Menschen erheblich stärker, als wenn er das Gespräch im Freien zuende führen würde oder beim Betreten des Busses beendet.
Leider fanden wir keine Möglichkeit herauszubekommen, in welchem Umfang eine Basisstation unter den beschrieben Umständen ihre Sendeleistung anhebt. Dagegen machte es uns der Monitormodus, den einige (meist ältere) Handys im Verborgenen bieten, leicht, die aktuelle Sendeleistung eines solchen Handys sowohl im Freien wie auch im Bus zu ermitteln. Messgeräte waren dazu nicht erforderlich – nur viel Zeit. An 39 zufällig ausgewählten Haltestellen im Münchener Stadtgebiet prüften wir mit zwei Handys (Siemens S4 und Bosch 909) im Monitormodus, wie stark die Sendeleistung zunahm, wenn wir mit aufgebauter Gesprächsverbindung in ein öffentliches Verkehrsmittel einstiegen. Dabei stellte sich heraus, dass die Sendeleistung 5-mal unverändert blieb, 33-mal größer und 1-mal kleiner wurde. Dass sogar eine Reduzierung festgestellt werden konnte mag an den schon erwähnten Reflexionen im Fahrzeug liegen. Wird dann zufällig genau in einer Verstärkungszone gemessen, hat das Handy besseren Empfang als im Freien und regelt die Sendeleistung nach unten. Unglücklicherweise lässt sich dieser Effekt nicht gezielt nutzen, denn die Position von Verstärkungs- und Abschwächungszonen ist chaotisch verteilt und von vielen Fremdfaktoren abhängig (Busumgebung). Von den beobachteten 33 Zunahmen der Handy-Sendeleistung erreichten sieben den maximal möglichen Höchstwert bei GSM 900-Handys: Siebenmal sendeten also unsere Handys mit ihrer Maximalleistung von nominell 2000 mW.
Im Diagramm rechts sind für alle Messungen die Sendeleistungspaare eingetragen: Grün ist vor dem Einstieg im Freien, rot ist nach dem Einstieg im Bus. Das Diagramm macht deutlich, dass zumindest an den von uns besuchten Haltestellen fast durchweg ein massiver Anstieg der Sendeleistung stattfand.
Messung der Feldstärken nah und fern vom Handy
Eine dritte Messreihe hatte nun aufbauend auf der zweiten das Ziel, herauszubekommen, wie sich bei typischen Sendeleistungswerten im Freien und im Bus die elektrische Feldstärke mit zunehmendem Abstand zum Handy verringert. Nach dieser Messung sollte es möglich sein zu sagen, um wieviel stärker z. B. ein Buspassagier in rd. 3 m Entfernung von einem Telefonierer belastet wird im Vergleich zu der Situation, dass sich beide im Freien befinden. Auch hier geht es also um die Bestimmung einer Mehrbelastung.
Von der zweiten Messreihe her wussten wir, dass Handys in München im Freien bevorzugt mit der schwacher Leistung von 20 mW senden, im Bus dagegen 2000 mW keineswegs ein Ausnahmefall sind. Diese beiden Leistungswerte wurden deshalb für die dritten Messreihe herangezogen, die mit einem einzelnen Handy stattfand. Dieses wurde zuerst im Freien dann im Bus zur Abstrahlung mit der genannten Sendeleistung stimuliert. In beiden Fällen wurde dann in definierten Abständen zum Handy (0,6 m bis 7,3 m) die elektrische Feldstärke gemessen. Das zugehörige Diagramm zeigt die frappanten Verhältnisse, die aus der Gegenüberstellung der Messwerte resultieren: Unter den beschriebenen Messbedingungen ist ein Buspassagier selbst in gut 7 m Abstand zu einem Telefonierer noch einer fast doppelt so hohen Feldstärke ausgesetzt wie ein Passant, der im Freien nur 0,6 m neben einem Telefonierer steht!
Hintergrund: Wie es zu dem Messprojekt gekommen ist
”Um Risiken durch die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks zu verringern, sollte auf das Telefonieren im Auto ohne Außenantenne verzichtet werden”, schreibt das Bundsamt für Strahlenschutz, Berlin. Was für Autofahrer gilt, sollte – so möchte man nun meinen – für Passagiere öffentlicher Verkehrsmitteln erst rech
Das BfS zu Handytelefonaten im Auto“Wenn aus dem Fahrzeug heraus mit einem Handy ohne Außenantenne telefoniert wird, kann es zu einer sehr ungleichmäßigen Feldverteilung in der Umgebung des Handys kommen. Die Stärke des elektrischen und magnetischen Feldes im Innern des Kraftfahrzeuges hängt dabei stark von der Konstruktion des Gerätes sowie von Größe, Form und Material des Autos ab. Bedingt durch den raschen Wechsel der Mobilfunk-Basiszellen beim Fahren und die Notwendigkeit, aus dem Inneren heraus die abschirmende Wirkung der Karosserie (die wie ein Faradayscher Käfig wirkt) zu überwinden, müssen die Handys oft mit maximaler Sendeleistung strahlen, um den notwendigen Kontakt zur Basisstation herzustellen oder zu halten. Reflexionen im Fahrzeug selbst können zu einer lokalen Verstärkung des elektromagnetischen Feldes im Auto führen. Dabei können im Fahrzeuginneren beim Betrieb des Handys höhere Feldstärken auftreten als im freien Raum. Dieser Effekt wird durch die Verwendung einer Außenantenne vermieden. Bei Benutzung einer Außenantenne sind Personen im Fahrzeug nur sehr geringen Feldstärken ausgesetzt, die deutlich unterhalb der Intensitäten ohne Außenantenne liegen. Zusätzlich wird das Risiko einer Beeinflussung der komplizierten Autoelektronik durch das Feld des Handys verringert.” |
Da es nur sehr wenige Untersuchungen mit konkreten Funkfeldmessungen in großen Fahrgastzellen gibt, lotete das IZgMF Ende 2003 die Möglichkeiten aus, eine solche Messung in einem Linienbus in München durchzuführen. Daraufhin angesprochen, erklärte sich Messtechniker Manfred Haider (EMV vor Ort) spontan bereit, die Messungen mit seinem Spektrumanalysator vom Typ FSH3 (Rohde & Schwarz) für uns durchzuführen. Da innerhalb des Busses mit erheblichen Signalreflexionen von allen Seiten zu rechnen war, wurde für den FSH3 jedoch keine Richtantenne benötigt, sondern eine isotrope Messsonde (Kugelcharakteristik). Eine solche bekamen wir auf Anfrage von Rohde & Schwarz leihweise zur Verfügung gestellt. Die Messsonde hat übrigens den treffenden Spitznamen “Lolly”, wer sich die blaue Kugel im Foto (rechts) anschaut, weiß auch sofort warum. Jetzt fehlten uns noch drei GSM 900-Handys, mit denen im Bus Telefonate simuliert werden sollten, sowie drei Funkmessplätze. Die Messplätze hatten die Aufgabe, jeweils eine Basisstation zu simulieren, auf die sich die Handys dann einbuchen konnten. Nur so war es möglich, die Handys auf gezielt ausgesuchte freie Funkkanäle zu dirigieren und zum Senden mit der gewünschten Sendeleistung zu stimulieren. Beides, Handys und Funkmessplätze vom Typ Willtek 4200, erhielten wir von der Firma Willtek Communications, Ismaning. Ein Mitarbeiter von Willtek war später bei der Verwirklichung des Messprojekts mit dabei und gewährleistete die richtige Bedienung der Geräte.
Im nächsten Schritt des Messprojekts entstand beim IZgMF der Entwurf einer Projektbeschreibung, aus der detailliert hervorgeht, was gemessen werden soll, wie dies zu geschehen habe und auf was zu achten sei. Diese Spezifikation des Messprojekts viel unerwartet schwer. Schnell merkten wir, dass Hochfrequenzmesstechnik im Mobilfunk eine Sache mit Haken und Ösen ist. Die Projektbeschreibung zog sich deshalb über viele Wochen hin und entstand in sechs Versionen. EMV vor Ort, Willtek, Rohde & Schwarz sowie das Umweltinstitut München halfen uns in dieser Phase mit vielen wichtigen und nützlichen Hinweisen weiter. Dies trifft auch für das Bayerische Landesamt für Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik (LfAS), München, zu, das jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht mit unserem Messprojekt in Verbindung gebracht werden möchte. Mittlerweile wurde das LfAS als eigenständige Behörde aufgelöst und dem Bayerischen Umweltministerium einverleibt.
Grenzwert wird immer eingehalten!Selbst in fast perfekten Faradayschen Käfigen wird bei Handytelefonaten die zulässige Ganzkörper-SAR von 0,08 W/kg zu höchstens 25 % ausgeschöpft. Dies sagen Axel Kramer, Jürg Fröhlich und Nils Kuster von der ETH Zürich im Journal of the Physical Society of Japan, Vol. 71, No. 12, Dezember 2002 (das IZgMF dankt Dr. Dürrenberger für die Information). Die Aussage gilt für beliebig viele Personen (z. B. in einem Bus oder Flugzeug) mit mindestens 30 kg Körpergewicht, wenn deren Handys im Mittel mit 0,6 W Leistung senden. Begründung: Die Teilkörper-SAR fällt nahezu quadratisch mit der Entfernung vom Handy. Am stärksten belastet wird deshalb immer der Kopf desjenigen, der telefoniert (Abstand Kopf-Handy nur wenige Millimeter). Die zusätzliche Exposition durch die Handys unmittelbarer Sitznachbarn spiele demgegenüber bereits keine Rolle mehr. Kommentar des IZgMF Auch hier ist zu beachten, dass sich die Entwarnung auf die geltenden Grenzwerte bezieht, die im Verdacht stehen, viel zu hoch zu sein. |
Zur Nachahmung empfohlen: Konzertierte 0-Euro-Aktion mit vielen Beteiligten
Handy-TV als Pausenfüller
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Leider hat unsere Geschichte über das Messprojekt kein Happy-End: Denn am 7. Juli 2004 ließ die MVG ohne Vorwarnung in einem Pressegespräch verlauten, das Handyverbot sei ab sofort endgültig aufgehoben. Die MVG begründete ihre Entscheidung nicht etwa mit harten Fakten, sondern mit den Ergebnissen einer Meinungsumfrage (siehe Links unten). Zu diesem Zeitpunkt kannte die MVG das Ergebnis unserer Messungen noch nicht, da wir mit dem Abschlussbericht in Verzug waren und noch an der Interpretation arbeiteten. Erst am 19. Juli 2004 war der Abschlussbericht versandfertig und ging an die Geschäftsleitung der MVG, ans RGU und an einige mit der Problematik vertraute Stadträte. Antwort haben wir bislang von keiner Seite bekommen. Wozu auch? Die Würfel mussten bereits vor dem 7. Juli gefallen sein (26.9.04-ll).
Hintergrundinformationen
Elektrosmogmessung in einem Linienbus der Stadt Nürnberg
Bundsamt für Strahlenschutz zur Exposition in Autos und Eisenbahnwaggons
Der Verein “Mobil in München” machte sich schon im Jahr 2000 für den Fall des Handyverbots stark
“Mobil in München” fürchtet wegen des Handyverbots um den Fussball-WM-Standort München
Pressemeldung der MVG zur vorläufigen Aufhebung des Handyverbots im August 2003
Pressemeldung der MVG zur endgültigen Aufhebung des Handyverbots im Juli 2004
Züricher Verkehrsbetriebe fördern Telefonieren in Bus und Bahn
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