Salzburger Mobilfunk-Vorsorgemodell

Wenn landauf landab kontrovers oder auch nicht über die zulässigen Strahlungswerte im Mobilfunk diskutiert wird, kommt unter Garantie der “Salzburger Vorsorgewert” zur Sprache. Der Initiator dieses Vorsorgewerts, Dr. Gerd Oberfeld, müsste dafür eigentlich längst vom Salzburger Fremdenverkehrsamt mit einer Verdienstmedaille ausgezeichnet worden sein. Um den international bekannt gewordenen Vorsorgewert ranken sich allerdings auch allerlei Gerüchte. Mal Hand aufs Herz: Wissen Sie wirklich über die Entstehungsgeschichte des Vorsorgewerts Bescheid, über seine rechtliche Bedeutung für die Mobilfunker und sein wechselvolles Schicksal? Oder wissen Sie, was bei uns unter einer Landessanitätsdirektion zu verstehen ist? Nein? Dann sollten Sie sich unsern Übersichtsbeitrag inklusive Interview mit Dr. Oberfeld nicht durch die Lappen gehen lassen.

Schon 1997 erkannte die Landessanitätsdirektion Salzburg, dass die geltenden gesetzlichen Strahlungsgrenzwerte (ICNIRP) Mensch und Tier nicht ausreichend schützen. Die Behörde führte deshalb 1998 den inzwischen berühmt gewordenen Salzburger Vorsorgewert von 1 mW pro Quadratmeter ein. Foto: www.salzburginfo.atOb es nun das Geburtshaus von Mozart ist, die Festspiele, das Freilichtmuseum, die Originalschauplätze des oscarprämierten Films “The Sound of Music” (Geschichte der Trapp-Familie) oder etwa Salzburger Nockerl: der österreichische Stadtstaat hat allerhand zu bieten, was andere nicht haben. Seit 1998 darf dieser Auflistung das “Salzburger Mobilfunk-Vorsorgemodell” hinzugerechnet werden.

Pro Salzburger Modell

Über das inzwischen längst international bekannte Vorsorgemodell wurden viele Halbwahrheiten verbreitet, die es mal in einem besseren, mal in einem schlechteren Licht darstellen. Insbesondere das Zustandekommen des Modells und seine Verbindlichkeit für die örtlich ansässigen Mobilfunkbetreiber ist vielen nicht ganz klar. Das IZgMF hat deshalb den Initiator des Vorsorgemodells, Dr. Gerd Oberfeld von der Landessanitätsdirektion Salzburg, um Auskunft gebeten. Der Mediziner beantwortete nicht nur unsere Fragen, sondern er stellte uns auch ein neues Papier zur Verfügung, in dem er den Werdegang des Salzburger Modells von den Anfängen im Jahre 1997 bis heute schildert. Das 9-seitige Dokument Das Salzburger Modell (PDF, 47 KByte) enthält zudem den Wortlaut der Salzburger Resolution aus dem Jahr 2000 und eine Liste der Wissenschaftler, die die Resolution seinerzeit unterschrieben haben.

Kontra Salzburger Modell

Gegenspieler von Dr. Oberfeld ist Mag. Thomas Barmüller, Geschäftsführer des Forum Mobilkommunikation (FMK). Das FMK ist die Interessenvertretung der Mobilfunkindustrie in Wien und damit in Deutschland vergleichbar mit dem Berliner Informationszentrum Mobilfunk (IZMF). Auch Barmüller hat sich Gedanken über das Zustandekommen des Salzburger Modells gemacht. Seine 8-seitige Entstehungsgeschichte des Salzburger Modells (PDF, 116 KByte) ist öffentlich zugänglich im Internet hinterlegt. Erstaunlicherweise hat dieses PDF-Dokument in der uns vorliegenden Fassung keinerlei Sicherheitssperre, die es gegenüber unbefugten inhaltlichen Veränderungen schützt. Leser der Tageszeitung “Die Welt” werden in diesem FMK-Dokument übrigens ein typisches Symbol aus kalten Kriegszeiten wiederentdecken: Denn so wie die westdeutsche “Welt” einst peinlich genau darauf achtete, die “so genannte DDR” stets in Anführungszeichen zu nennen (um damit Nichtanerkennung zu signalisieren), so ist analog dazu im FMK-Papier nur vom “so genannten Salzburger Modell” die Rede.

Die oben aufgeführten PDF-Dokumente beleuchten das Salzburger Modell aus Sicht des Initiators und aus Sicht der Mobilfunkindustrie. Damit sind die beiden Hauptbeteiligten gleichberechtigt zu Wort gekommen.

Aktuelles Interview mit Dr. Oberfeld

Dr. med. univ. Gerd Oberfeld: Verantwortlich in der Landessanitätsdirektion Salzburg für den Bereich Umwelt und Gesundheit.Aber kommen wir zurück auf die eingangs erwähnten Halbwahrheiten, die über das Salzburger Vorsorgemodell in Umlauf sind. Um hier gezielt mehr Klarheit zu schaffen, befragte das IZgMF Dr. Oberfeld Anfang November 2003:

IZgMF: Lassen Sie uns zunächst klären, was unter “Landessanitätsdirektion” zu verstehen ist. Was halten Sie von dieser Definition: Jedes der neun österreichischen Bundesländer hat eine Sanitätsdirektion. Der jeweiligen Landesregierung unterstellt, sind sie für fachliche Angelegenheiten des Gesundheitswesens und für den öffentlichen Gesundheitsdienst verantwortlich. Die am ehesten vergleichbare Institution in Deutschland sind die Gesundheitsministerien der Bundesländer.

Dr. Oberfeld: Ja, die Landessanitätsdirektionen in Österreich entsprechen den Gesundheitsministerien Ihrer Bundesländer in Deutschland. Im englischsprachigen Raum wird unsere Dienststelle als Public Health Office mit dem Schwerpunkt Environmental Health bezeichnet.

IZgMF: Ist es richtig, dass der "neue" Salzburger Vorsorgewert von 1 µW/m² auf Ihre persönlichen Erfahrungen mit Elektrosmog in Salzburg zurückzuführen ist?

Dr. Oberfeld: Der Vorschlag für eine Neubewertung von GSM-Dauerexpositionen wie sie bei Basisstationen auftreten, basiert auf empirischen Erkenntnissen, wie ich sie in meiner Tätigkeit als für den Bereich Umwelt und Gesundheit verantwortlicher Umweltmediziner der Salzburger Landesregierung gewonnen habe.

IZgMF: Ist der "neue" Salzburger Vorsorgewert von 1 µW/m² eine Empfehlung von Ihnen (als Mediziner), oder ist er eine amtliche Empfehlung der Landessanitätsdirektion Salzburg? Hat er für die ortsansässigen Mobilfunkbetreiber irgendeine bindende Wirkung?

Dr. Oberfeld: Der "neue" Salzburger Vorsorgewert ist eine offizielle Empfehlung der Landessanitätsdirektion Salzburg. Eine bindende Wirkung kann er mangels bundesrechtlicher Möglichkeiten nicht entfalten.

IZgMF: Die Konferenz mobilfunkkritischer Wissenschaftler im Juni 2000 in Salzburg war seinerzeit für die 1-mW/m²-Grenzwertfindung richtungsweisend und ein großer Erfolg. Sie haben die Konferenz gemeinsam mit Prof. Kundi vorbereitet und geleitet. Planen Sie für absehbare Zeit eine Neuauflage der Salzburger Konferenz, um neuen Erkenntnissen Rechnung zu tragen?

Dr. Oberfeld: Eine Neuauflage der Salzburger Konferenz ist derzeit nicht geplant – jedoch nicht ausgeschlossen.

IZgMF: Zwischen welchen Beteiligten wurde das "Salzburger Vorsorgemodell (1 mW/m²)" vereinbart, wann genau trat es in Kraft und ist die Laufzeit befristet?

Dr. Oberfeld: Am 12. Oktober 1998 wurde zwischen dem GSM-Netzbetreiber Connect Austria GmbH und den Vertretern der Salzburger Anrainerinitiativen zum Schutz vor Mobilfunksendeanlagen eine zivilrechtliche Vereinbarung zur Einhaltung der dem Vertrag als Anhang beigegebenen berechneten Strahlungsdichtewerte für 13 Mast-Standorte geschlossen. Die Immissionswerte lagen alle unter 1 mW/m². Eine zeitliche Befristung des Vertrages ist nicht gegeben.

IZgMF: Messungen der schweizerischen BAKOM haben Ende 2001 den Nachweis erbracht, dass der 1-mW/m²-Vorsorgewert in Salzburg keineswegs eingehalten wurde. Überschreitungen um das 40-fache sind kein Pappenstiel. Was halten Sie von dem Verdacht, dass sich die Mobilfunkbetreiber von Anfang an nicht an das Salzburger-Vorsorgemodell gehalten haben?

Dr. Oberfeld: Das "Salzburger Modell" wurde zwischenzeitlich auch im Ausland bekannt und wurde von verschiedenen Gruppen unter anderem auch in der Schweiz eingefordert. Im April 2001 fand auf Einladung des BAKOM (Bundesamt für Kommunikation) ein Expertengespräch zum Salzburger Modell statt. Bei diesem Gespräch kam man überein, in Zusammenarbeit mit dem BAKOM, dem BUWAL (Umweltministerium), den Umwelt- und Gesundheitsgruppen sowie der Landessanitätsdirektion die Umsetzung durch Messungen zu evaluieren.

Rechts hinten im Bild die Festung Hohensalzburg. Das Wahrzeichen der Mozartstadt, ist die größte vollständig erhaltene Burg Mitteleuropas.  Foto: www.salzburginfo.atLeider wurde diese Übereinkunft nicht eingehalten, so dass, anstelle der Messungen der nach dem Salzburger Modell errichteten Standorte der Firmen Connect und Telering, die Standorte aller Netzbetreiber gemessen wurden und im Bericht trotz Zusage durch das BAKOM keine Unterscheidung zwischen Standorten nach dem Salzburger Modell und den anderen getroffen wurden. Es erfolgten je Betreiber Messungen für Maststandorte, Dachstandorte und Mikrozellen. Um wenigsten dafür von Seiten der Verteilung brauchbare Ergebnisse zu erhalten, wurde von der Landessanitätsdirektion vorgeschlagen, diese durch Ziehung als Stichprobe zu gewinnen. Die Messungen erfolgten durch das Forschungszentrum Seibersdorf (ARCS) im Dezember 2001.

Die Messungen zeigten für den nach dem Salzburger Modell errichteten Maststandort der Firma Connect Werte im Innenraum zwischen 0,046 mW/m² und 0,098 mW/m². Die fünf untersuchten Anlagen der Firma Telering zeigten Messwerte, die zum Teil über dem vereinbarten Wert von 0,25 mW/m² lagen. Dies zeigt, dass die zuerst vereinbarten und später relativierten 0,25 mW/m² seitens der Firma Telering nicht konsistent eingehalten werden. Die anderen Standorte wurden nicht nach dem Salzburger Modell errichtet und sind daher für die Fragestellung nicht relevant. Das Schweizer Umweltministerium (BUWAL) bemühte sich, die Darstellungen des BAKOM zur Situation in Salzburg und zum Salzburger Modell aus Sicht der immissionsrechtlich verantwortlichen Stelle zu korrigieren.

IZgMF: Was geschah nach den BAKOM-Messungen: Wurde das Salzburger Vorsorgemodell von einer der beteiligten Seiten offiziell aufgekündigt oder gilt es nach wie vor?

Dr. Oberfeld: Die Stadt Salzburg versuchte im Jahr 2000 und 2001 mit allen Netzbetreibern über ein "Gentlemen Agreement" den Weg der Minimierung der Strahlenbelastung zu gehen. Dies wurde etwa in einem Aktenvermerk vom Juli 2000 festgehalten. Lediglich der Netzbetreiber Maxmobil nahm zu dem Aktenvermerk ablehnend schriftlich Stellung. Im Herbst 2001 kam es zum Bruch des Salzburger Modells, als die Firma Maxmobil die umgehende Erledigung von Bauansuchen für Mobilfunksendeanlagen seitens der Stadt forderte.

Stadtrat Johann Padutsch wies das Ersuchen mit der Begründung zurück, dass an diesen Standorten der Salzburger Vorsorgewert teilweise massivst überschritten sei. In weiterer Folge stellte sich die Magistratsdirektion der Stadt Salzburg gegen die Stadtregierung, ließ Ersatzakten anfertigen und bewilligte die Standortansuchen positiv. Weiters erfolgte durch die Magistratsdirektion eine Anzeige gegen Stadtrat Padutsch wegen Amtsmissbrauch. Stadtrat Padutsch wurde in erster und zweiter (letzter) Instanz vom Vorwurf des Amtsmissbrauches freigesprochen.


Vorsorgewert wird drastisch überschritten

Am 29.11.2003 meldeten die Salzburger Nachrichten, dass Stadtrat Johann Padutsch die Strahlungsbelastung in Salzburg hat messen lassen. Dabei habe sich gezeigt, dass bei einem Sendemasten von T-Mobile der Salzburger Vorsorgewert von 1 mW/m² um das 660-fache überschritten wurde. Dieser Wert stehe in der Liste der Negativrekorde ganz oben (-ll).

Servus: Abschied vom Salzburger Vorsorgewert

Einem Bericht der Salzburger Nachrichten vom 22. April 2005 zufolge ist der Mobilfunk-Grenzwertstreit in Salzburg nun endgültig zu Ende: Die Stadt hat nachgegeben. Der neue Standard UMTS wird Ende 2005 in der Stadt Salzburg verfügbar sein. Daran ließen die Stadträte Johann Padutsch und Martin Panosch bei einer Pressekonferenz am 21. April 2005 keinen Zweifel. Man habe sich in langen Verhandlungen mit den Mobilfunkfirmen geeinigt. Infolge des UMTS-Aufmarschs müssen in der Mozartstadt 260 neue Sendeanlagen errichtet werden und dies wiederum bedeutet den endgültigen Abschied vom Salzburger Vorsorgewert (1 mW/m² im Freien). Denn mehr Sendeanlagen verursachen mehr Strahlung. Stadtrat Padutsch: "Wir haben uns entschieden, lieber mit den Mobilfunkfirmen zusammen zu arbeiten. So konnten wir einiges herausverhandeln: Die Hälfte der neuen Sendeanlagen wird jetzt an Stellen errichtet, wo eine um 70 % geringere Strahlenbelastung entsteht, als dort wo die Anlagen geplant gewesen wären." Dr. Gerd Oberfeld, Umweltmediziner des Landes und Initiator des Vorsorgewerts: "Nach neuesten Studien bergen die UMTS-Strahlen noch höhere gesundheitliche Risiken, als durch ein GSM-Netz entstehen. Ich würde einen Vorsorgewert empfehlen, der sogar nur ein Tausendstel des jetzigen beträgt.” (24.04.05-ll).

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