Mitte November 2000 kehrten wir von einer Kur zurück in unsere Wohnung in Frankfurt. Wir fühlen uns wohl, der Blutdruck und auch die übrigen Blutwerte sind wieder normal, nur die Bandscheiben machen nach wie vor Probleme. Als wir auf den Balkon unserer Wohnung treten sehen wir auf dem Flachdach des Nachbarhauses sage und schreibe neun Mobilfunkantennen, die während unserer Kur dort montiert wurden. Die Antennen sind nur etwa 35 m weit von uns weg und weil wir im 13. Stockwerk unseres Hauses wohnen, das Nachbarhaus aber nur elf Stockwerke hoch ist, befinden wir uns genau im Hauptstrahl der in unsere Richtung weisenden Antennen.
Dezember 2000 Mietvertrag über 20 Jahre
Wir verlangen von unserem Vermieter, der auch Eigentümer des Nachbarhauses ist, Auskunft darüber, wer der Betreiber der Mobilfunkstation ist und wer sie genehmigt hat. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2000 wird uns mitgeteilt: der Betreiber Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) hat mit der Wohnheim GmbH der Stadt Frankfurt für den Standort einen Mietvertrag über 20 Jahre abgeschlossen. Damit ist auch klar, dass es sich bei den Antennen um D2-Netz-Antennen handelt (GSM 900, Grenzwert = 4,5 W/m²). Weiter heißt es, die Anlage würde den Vorschriften der Regulierungsbehörde entsprechen. Der Betreiber würde gewährleisten, dass durch die Installation auf dem Dach eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen sei. Zitat: “Sollte sich nach neuen Erkenntnissen die als gesicherter Stand der Technik gelten – ergeben, dass durch die installierte Anlage trotzdem eine Gesundheitsgefährdung für Personen bestehen, wird der Betreiber alle erforderlichen Schritte ergreifen, um eine Gefährdung auszuschließen. Gelingt dem Betreiber das nicht, wird die Anlage demontiert.“
Aufgrund des Briefes der Wohnungsgesellschaft verlangen wir von Mannesmann das sofortige Abschalten der Anlage – was jedoch erwartungsgemäß abgelehnt wird.
Kurz vor Weihnachten 2000 nimmt die Basisstation den Probebetrieb auf, der reguläre Sendebetrieb startet wenig später. Die Folgen für uns: Der Blutdruck kletterte auf bis dahin nicht gekannte Werte und wir haben – solange wir uns in der Wohnung aufhalten – Tag und Nacht ein Wärmegefühl wie unter einer Höhensonne. Wir schlafen auffallend schlecht, leiden unter ständigen Kopfschmerzen und bemerken eine Verringerung unserer Konzentrationsfähigkeit. Auch die diffusen, nicht genau zu lokalisierenden Schmerzen, deretwegen wir in Kur geschickt wurden, treten verstärkt wieder auf.
Januar 2001 Wir klagen vor dem Amtsgericht
Noch im Dezember 2000 hatten wir die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth um Hilfe gebeten. Sie ist auch Aufsichtsratsvorsitzende der Wohnungsgesellschaft. Am 17. Januar 2001 bekommen wir von ihr mitgeteilt, dass wir unsere Bedenken zu Recht geäußert haben. Frau Roth will von uns auf dem Laufenden gehalten werden, die Angelegenheit selbst aber würde zwischen Mannesmann und der Wohngesellschaft geklärt. Wie sich später zeigen sollte, war die Oberbürgermeisterin zwar an unserem Fall interessiert, auf unserer Seite war und ist sie jedoch nicht.
Wir nahmen uns einen Rechtsanwalt. Leider sollte sich dieser später als totaler Fehlgriff erweisen. Für ihn ist das Ganze nur ein Geschäft gewesen, er zeigte wenig Interesse und Willen sich mit der Materie zu beschäftigen.
Über das Internet stoßen wir auf die Bürgerwelle. Wir bezahlen 60 DM für schriftliche Informationen und den Jahresbeitrag – eine nutzbringende persönliche Beratung jedoch kommt nicht zustande. Wir treffen zwar eine Vertreterin der Bürgerwelle, viel Ahnung hat sie jedoch nicht. Mehrere Versuche mit Siegfried Zwerenz, den Vorsitzenden der Bürgerwelle in Verbindung zu treten, scheiterten.
In den Unterlagen der Bürgerwelle stoßen wir auf die Adresse des Baubiologen Maes. Wir schicken ihm ein Video, das unsere Situation zeigt. Maes rät uns, eine Messung vornehmen lassen, denn die Strahlung könnte bei der geringen Entfernung zu den Mobilfunkantennen gefährlich sein.
Jetzt fordert unser Rechtsanwalt Mannesmann dazu auf, eine Messung bei uns vor Ort durchzuführen. Mannesmann lehnt das Ansinnen mit Hinweis auf die 26. BImSchV ab. Wir erheben nun vor dem Amtsgericht Frankfurt Klage gegen die Wohnungsgesellschaft weil wir eine Mietminderung um 20 % für gerechtfertigt halten. Mannesmann trat dem Verfahren übrigens auf Seiten der Beklagten Wohnungsgesellschaft bei.
Februar 2001 Erhebliche Zweifel an der Messung des TÜV
Im Februar 2001 nimmt der TÜV-Süddeutschland eine Messung in unserer Wohnung vor. Erst später wird uns klar, dass dies im Auftrag von Mannesmann geschah. Dazu kam es, weil zum damaligen Zeitpunkt für das Gericht kein unabhängiger Sachverständiger in Frankfurt zu finden war. Mit Einverständnis unseres Anwalts, jedoch ohne unser Wissen, beauftragte deshalb Mannesmann den TÜV mit der Messung. Die Messung wird jedoch nur bei geschlossenen Fenstern innerhalb unserer Wohnung durchgeführt. Da wir Isolierglas haben, das die Strahlung um mehr als 90 % dämpft, ist die Messung aus unserer Sicht schon deshalb wertlos. Schließlich möchten wir unbesorgt unseren Balkon benutzen und die Fenster auch einmal öffnen können! Außerdem wurde bei der Messung das vorgeschriebene 6-Minuten-Messintervall nicht eingehalten, so dass der Effektivwert der gemessenen Feldstärken nicht korrekt gemittelt wurde.
Juni 2001 Vom Amtsgericht zum Landgericht
Der Prozess vor dem Amtsgericht geht im Juni 2001 verloren (Az 33 C 1237/01-27; Anmerkungen zum Urteil von Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Kniep). Unser Rechtsanwalt erscheint erst gar nicht zum Termin. Auch danach ist er für uns nicht mehr erreichbar, weder schriftlich noch telefonisch.
Durch einen Mitstreiter aus Dietzenbach kommen wir an einen anderen Rechtsanwalt, der sich mehr Mühe gibt. Wir wollen das Urteil des Amtsgerichts nicht hinnehmen und gehen in die Revision beim Landgericht Frankfurt. Dieses ordnet eine erneute Messung an. Das Gericht braucht allerdings fast ein Jahr, bis ein Sachverständiger gefunden war. Alle von mir vorgeschlagenen Gutachter wurden wegen Befangenheit abgelehnt. So kam das Gericht auf den Gutachter Prof. Dr.-Ing. Matthias Wuschek, der von den Betreibern vorgeschlagen wurde (siehe auch: Handystrahlung in einem Linienbus).
August 2002 Die zweite Messung erbringt deutlich höhere Werte
Ende August 2002 führt Matthias Wuschek bei uns die zweite Messung durch. Bei dieser Gelegenheit stellt sich heraus, dass trotz des laufenden Gerichtsverfahrens die Anlage technisch verändert worden ist. Drei Antennen wurden von GSM 900 auf UMTS umgerüstet. Ein sinnvoller Vergleich der alten und neuen Messwerte ist deshalb von vornherein ausgeschlossen. Wuschek hält sich genau an die 26. BImSchV und vertritt diese auch. Die nicht-thermischen Wirkungen nimmt er nicht zur Kenntnis und er hält sich strikt an die Vorgaben der deutschen Strahlenschutzkommission.
Bei dieser zweiten Messung stellte sich heraus, dass die Anlage – trotz Wegfall der drei auf UMTS umgerüsteten Antennen – erheblich stärker bei uns einstrahlt, als es uns die Messung des TÜV zuvor glauben machen wollte. Dort, wo der TÜV im Wohnzimmer 0,496 V/m gemessen hat, wurde jetzt fast der 20-fache Wert (9,6 V/m) festgestellt.
März 2003 Prozess vor dem Landgericht geht verloren
Da aber auch die neuen Messwerte nicht die Grenzwerte der 26. BImSchV überschreiten, ging Anfang 2003 auch der Prozess vor dem Landgericht verloren (Az 2-11 S 272/01). Eine Revision gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen.
Wir warten jetzt ab, was die laufenden Forschungsprojekte für Resultate zeigen. Bei Zigaretten oder Asbest hat es auch sehr lange gedauert, bis deren Schädlichkeit allgemein anerkannt wurde. Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass es bei der Mobilfunktechnik – wie sie die Industrie heute anwendet – nicht so lange dauern wird, bis die ersten großen Schäden auftreten werden. Je dichter das Netz wird und je weniger die Menschen der Strahlung ausweichen können, um so schneller wird es gehen...
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