Nichts quält wegen eines nahen Sendemasten Besorgte mehr als die Ungewissheit, wie stark der Mast wohl in die eigenen vier Wände, in einen Kindergarten oder vielleicht in ein Büro hineinstrahlen mag. Oft werden Messwerte weit unterhalb der Grenzwerte, beispielsweise in der Größenordnung von 100 µW/m², wie eine Erlösung empfunden. Wie aber kommt man zu solchen Messwerten ohne gleich eine teure Messung in Auftrag geben zu müssen? So ein Auftrag birgt zudem das Risiko, dass der Messtechniker Appetit auf mehr hat und zu kostspieligen aber unnötigen Schutzmaßnahmen rät. Bayern hat für das Problem eine Lösung gefunden, die Bürger des Freistaats können auf ein unschlagbar günstiges Angebot zugreifen (21.09.2010).
LfU hat Ausleihe eingestelltNachtrag vom 09.11.2018: Das Bayerische LfU hat im November 2017 die Ausleihe der Mobilfunk-Personendosimeter eingestellt. Mehr dazu <hier>. |
Interessenten müssen lediglich das Porto für die versicherte Rücksendung ans LfU aus eigener Tasche zahlen. Pro Woche, so Dr. Thomas Kurz vom Referat 28 zum IZgMF, werde im Mittel ein Gerät ausgeliehen. Im Mittel kann er sagen, weil das Angebot bereits seit 2005 gilt und bis auf weiteres unbefristet weitergeführt werden soll. Da das Amt einen Bestand von zehn Geräten habe, seien Wartezeiten bislang selten. Im Arsenal sind ältere Modelle des ESM-140 (blaues Gehäuse) und jüngere (schwarzes Gehäuse). Verliehen werden immer zuerst die jüngeren leistungsfähigeren Modelle, die auch mit E-GSM und dem neuen Bahnfunk GSM-R klar kommen. Die neueren Exemplare könnten mit einem GPS-Modul gekoppelt werden, das zu jedem Messwert die genaue geografische Position aufzeichnet, an der der Messwert aufgetreten ist. Dieses GPS-Modul ist jedoch im Verleihangebot des Amtes nicht enthalten.
Die Post bringt’s: Vom LfU zum Bürger und wieder zurück
Persönliches Erscheinen beim Amt oder eine Schulung im Umgang mit dem Gerät sind nicht erforderlich, jeder Ausleihvorgang wird über den Postweg abgewickelt. Vorbereitend klärt das LfU mit einem Interessenten ab, wann genau dieser eine Messung machen möchte. Typisch ist eine Messdauer von 24 Stunden. Sobald der Termin der Messung verbindlich geklärt ist, programmiert das LfU ein Personendosimeter auf den vereinbarten Zeitraum und sendet es per Post an den Interessenten. Der muss dann nichts weiter machen, als das Gerät vor Messbeginn mit einem Trageband am linken Oberarm zu befestigen und bis zum Ende der Messung dort zu belassen. Beschrieben ist dies in einer mitgelieferten kurzen Anleitung. Die Messung selbst startet automatisch, irgendwelche Bedienprozeduren sind nicht erforderlich, so dass auch technische Laien problemlos mit dem Gerät zurecht kommen sollten. Ganz ungeschoren kommt der Träger eines Personendosimeters jedoch nicht davon. Um später bei der Auswertung der Messdaten eine Zuordnung zu Aufenthaltsort und/oder Tätigkeit machen zu können, soll die Versuchsperson während der Messung chronologisch Protokoll darüber führen, wo sie sich momentan aufhält (z.B. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Supermarkt). Ein ständiger Wechsel des Aufenthaltsorts während der Messung ist ungünstig, hat man sich für einen Ort entschieden, sollte die Aufenthaltsdauer dort nicht unter 30 Minuten sein.
Mit Tastendruck besondere Ereignisse markieren
Steckbrief ESM-140Das Personendosimeter misst automatisch die Stärke von Funksignalen und speichert die Messwerte intern bis zur Auswertung. Im Gegensatz zu einfachen Breitbandgeräten unterscheidet das ESM-140 zwischen GSM, UMTS, DECT und W-LAN. Die Messdauer ist programmierbar, nach knapp 40 Stunden ist jedoch der fest eingebaute Akku erschöpft. Wie oft ein ESM-140 misst hängt von der Messdauer ab, der Wert reicht von zwei Messungen pro Sekunde bis zu einer Messung alle zehn Sekunden. Zur Auswertung werden die gespeicherten Messdaten über den USB-Port des Geräts auf einen PC übertragen und dort mit einer speziellen Software analysiert und grafisch dargestellt. |
Keine Selbstbedienung bei der Auswertung
Ist das Ende der Messdauer erreicht, stoppt das Gerät automatisch und sollte nun umgehend mit ausgefülltem Messprotokoll ans LfU zurückgeschickt werden. Ein Auslesen der Messdaten durch die Versuchsperson ist nicht vorgesehen. Der Grund dafür ist plausibel: Zur Auswertung und Darstellung der Messdaten ist eine spezielle Software erforderlich, die das LfU lizenzrechtlicher Beschränkungen wegen Dritten nicht überlassen darf. Hinzu kommt, dass der Umgang mit der Software und die Interpretation der Messkurven Fachwissen erfordert, das bei den Versuchspersonen nicht vorausgesetzt werden kann.
LfU übergibt Messbericht an Versuchsperson
Das LfU wertet die Messdaten aus, stellt daraus einen etwa 16 Seiten umfassenden Messbericht mit allerlei begleitenden Hintergrundinformationen zusammen, und versendet diesen zusammen mit der Broschüre Elektromagnetische Felder im Alltag an die Versuchsperson. Der wichtigste Teil des Messberichts (etwa drei Seiten) befasst sich mit den Messwerten, die tabellarisch in derselben chronologischer Reihenfolge aufgelistet werden, wie die Versuchsperson beim Ausfüllen des Messprotokolls vorgegangen ist. Genannt werden pro Eintrag der Mittelwert und Höchstwert der gemessenen Leistungsflussdichte und die zugehörige Grenzwertausschöpfung. Wer mit diesen Werten nichts anzufangen weiß wird sich über die individuelle Interpretation freuen, die das LfU dazu abgibt. Bestandteil dieser Wertung sind Hinweise auf überdurchschnittlich hohe Immissionen, unplausible Angaben (z.B. höhere Werte bei geschlossenem Fenster als bei offenem Fenster) oder andere Auffälligkeiten. Eher etwas für Fortgeschrittene dürfte die Darstellung der Messkurven in Diagrammen sein. Sie zeigen grafisch den Verlauf der Feldimmissionen aufgetragen über die Dauer der Messung. Weil das Gezappel der Messkurven allein jedoch wenig aussagt, wenn man nicht weiß wo sich die Versuchsperson zum Zeitpunkt besonders hoher oder tiefer Werte aufhielt, trägt das LfU als Orientierungshilfe in das Diagramm zeitrichtig die Aufenthaltsorte ein, die die Versuchsperson im Messprotokoll genannt hat.
Was bedeutet was im Diagramm mit den Messkurven?
Das Bild unten zeigt exemplarisch so ein Diagramm, wie es im Messbericht des LfU enthalten ist. Infolge unterschiedlicher Farben der einzelnen Kurvenzüge lassen sich die Funksignale (GSM, UMTS ...) mühelos auseinander halten. Ebenso ist bei Mobilfunksignalen erkennbar, ob ein Messwert von einem Handy verursacht wurde oder von einer Basisstation. Auf der vertikalen Achse ist die Grenzwertausschöpfung (bezogen auf die elektrische Feldstärke) in Prozent angegeben, die horizontale Achse ist der Uhrzeit zugeordnet. Beim Besuch eines Spielplatzes zwischen 16:10 Uhr und 17:55 Uhr zeigt sich z.B. eine gegen Null gehende Immission durch Funkfelder. Die höchste Immission fand kurz vor 18:00 Uhr durch eine GSM-900-Basisstation statt, sie erreichte beinahe 20 % des Grenzwerts für die elektrische Feldstärke (entspricht 0,18 W/m²), ein selten hoher Wert.
Die Kurven in der oberen Bildhälfte zeigen die Spitzenwerte (Peak) der Immission, dagegen stellen die Kurven in der unteren Bildhälfte die zugehörigen Mittelwerte dar, die über ein Zeitintervall von 6 Minuten berechnet werden. Zum Vergleich einer Immission mit den Grenzwerten dürfen nur die Mittelwerte herangezogen werden, da auch die Grenzwerte keine Spitzenwerte, sondern Mittelwerte sind. Die an der Trennlinie zwischen den Bildhälften eingetragenen Uhrzeiten (blau, Ausrichtung vertikal) nennen die Zeitpunkte, an denen die Taste zum Markieren eines besonderen Ereignisses am ESM-140 gedrückt wurde.
Warum alle Messwerte mit +58 Prozent beaufschlagt werden
Das ESM-140 ist freifeldkalibriert, das heißt, es misst die Feldstärke in unmittelbarer Körpernähe der Person, die es am Arm trägt, und berechnet aus diesen Messwerten diejenige Feldstärke, die ohne Mensch an diesem Ort vorhanden wäre. Hätte das Dosimeter eine kugelförmige Empfangscharakteristik, könnte diese Umrechnung mit konstant hoher Genauigkeit stattfinden. Wegen der Abschattung durch den Körper und infolge baugrößenbedingter Kompromisse bei der Antennengestaltung hat das Dosimeter jedoch eine schwankungsbehaftete Empfangscharakteristik, deren Hüllkurve von der idealen Kugelform weit abweicht und eher die Form einer Halbkugel hat (siehe Bild). Daraus resultieren Messfehler von bis zu ±4 dB, das heißt, schon bei kleinen Drehungen der Person mit dem Dosimeter am Arm können die Messwerte um bis zu ±58 % vom tatsächlichen Wert abweichen. Um zu garantieren, dass das Gerät infolge dieses Messfehlers auf keinen Fall einen Messwert meldet, der in Wirklichkeit größer als gemeldet ist, werden alle Messwerte rechnerisch um 4 dB (58 %) angehoben. Diese Anhebung ist bei der Interpretation der Messkurven zu beachten, insbesondere bei Immissionsspitzen, im obigen Beispiel würde der Maximalwert von 0,18 W/m² ohne Anhebung auf 0,07 W/m² fallen.
Vorsicht! Grenzwertausschöpfung bezieht sich auf Feldstärke
Der vermeintlich harmlose Begriff “Grenzwertausschöpfung” ist immer wieder für Irritationen gut. Denn wenn eine von Amts wegen genannte Grenzwertausschöpfung auf die Leistungsflussdichte angewendet wird, um den Absolutwert einer Immission zu berechnen, so ist das Ergebnis mit ziemlicher Sicherheit falsch! Bei einem Grenzwert von 4,5 W/m² für GSM 900 ergeben beispielsweise 20 % Grenzwertausschöpfung einen nur rechnerisch richtigen Wert von 0,9 W/m². Tatsächlich ist der so berechnete Wert jedoch unzutreffend, zutreffend sind 0,18 W/m². Wie kommt das? Unzutreffend ist der Wert deshalb, weil die 26. BImSchV die Grenzwerte auf die elektrische Feldstärke bezieht und nicht auf die Leistungsflussdichte. Beachtet man dies nicht, kommt es bei der Berechnung der Absolutwerte, ausgehend von einer gegebenen Grenzwertauschöpfung, zu dem beschriebenen erheblichen Fehler. Bei amtlichen Angaben kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass sich Grenzwertausschöpfungen immer auf die Feldstärke beziehen. Bei anderen Quellen ist diese stillschweigend getroffene Übereinkunft nicht gewährleistet, so dass im Zweifel, wenn Angaben zur Bezugsgröße fehlen, nachgefragt werden muss, auf was (Feldstärke oder Leistungsflussdichte) sich die genannte Grenzwertausschöpfung bezieht.
Bei obigen Beispiel sieht die zutreffende Umrechnung so aus: 20 % Grenzwertausschöpfung bei GSM 900 ergeben auf einen Grenzwert von 42 V/m bezogen 8,2 V/m. Die Umrechnung dieser Feldstärke auf Leistungsflussdichte, z.B. mit dem Mobilfunk-Einheitenumrechner des IZgMF, ergibt dann den Wert 0,18 W/m².
Weiterführende Informationen
Datenblatt zum Mobilfunkdosimeter ESM-140 (PDF)
Website durchsuchen |
---|
|
Aktionen zum Mitmachen |
Downloads |
Gratis-Umrechner für Leistungsflussdichte, Feldstärke und mehr |
Miniplakate fürs Auto |
An dieser Position blockiert ein Programm zur Unterdrückung von Popup-Fenstern oder ein Werbeblocker die Darstellung von Google-Anzeigen. |
Tipps & Tricks |
DECT-Basisstationen mit Alufolie entschärfen Handy klammheimlich auf Sendung? Selber testen mit Kofferradio! |
Kinder |
Spezielle Information für Kinder und Jugendliche Britischer Strahlenschutz warnt vor Kinderhandys Testballon: 3-Tasten-Handy für Kindergartenkinder |
Messen |
Handystrahlung innerhalb eines Linienbusses |