Sechs von 93 politischen Parteien in Deutschland haben mobilfunkkritische Passagen in ihren Grundsatzprogrammen. Aber: Grundsatzprogramme werden nur selten revidiert, schneller fließen aktuelle Themen in die Wahlprogramme von Parteien ein. Wir haben die auffindbaren Wahlprogramme aller 29 zur Bundestagswahl 2009 zugelassen Parteien geprüft und viermal Mobilfunkkritisches gefunden (25.07.09).
Im Juni 2009 brachte das IZgMF die Übersicht: Sechs von 93 Parteien in Deutschland haben Mobilfunkkritik im Programm. Dies brachte uns – zu Recht – den Vorwurf ein, dass die dort betrachteten Grundsatzprogramme der Parteien in aller Regel selten geändert werden, und sie so nur schlecht auf aktuelle Reizthemen eingehen könnten. Deshalb gäbe es die Wahlprogramme. Für vitale Parteien das Mittel der Wahl, den Zeitgeist widerzuspiegeln.
Wir haben uns also nach den Wahlprogrammen der 29 zur Bundestagswahl zugelassenen Parteien umgesehen, beim Bundeswahlleiter diesmal vergebens, dafür sind wir dann auf eine andere Sammlung gestoßen. Offenkundig hat jedoch nicht jede der zum Urnengang zugelassenen Parteien auch ein Wahlprogramm ausgearbeitet, wo es fehlte und ersatzweise ein Grundsatzprogramm oder sonst eine Formulierung der Ziele und Vorhaben zur Verfügung stand, haben wir diese ausgewertet. Von der PSG (Partei für Soziale Gerechtigkeit) und der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) haben wir weder das eine noch das andere auffinden können, so dass diese Parteien unberücksichtigt blieben. Dies gilt auch für die Partei “Freie Wähler Deutschland”, die ebenfalls ohne Programm auskommt und die Ende Juni trotz Zulassung zur Wahl 2009 auf eine Teilnahme verzichtet hat.
Die gefundenen Programme haben wir wieder nach den vier typischen Stichwörtern für ein mobilfunkkritisches Engagement durchsucht:
4 aus 29: Mobilfunkkritische Pflichtübungen
Fündig geworden sind wir bei der Familienpartei, bei den GRÜNEN, der ödp und bei der Tierschutzpartei (siehe Auflistung unten). Die Partei “Aufbruch für Bürgerrechte, Freiheit und Gesundheit” ist diesmal nicht mit dabei, weil sie 2009 zwar zur Europawahl angetreten ist, eine Teilnahme an der Bundestagswahl jedoch nicht beantragt hat.
Was wir im Bundesprogramm der Familienpartei zu Mobilfunk gefunden haben ist identisch mit dem, was die Partei in ihrem Grundsatzprogramm zu sagen hat. Ebenso verhält es sich bei der Tierschutzpartei. Bleiben als Neuzugänge die GRÜNEN und die ödp übrig. Beide haben Mobilfunkkritik zwar nicht in ihren Grundsatzprogrammen verankert, in den Wahlprogrammen dagegen schon. Wieder nicht mit von der Partie ist die LINKE, die sich weder im Grundsatz- noch im Wahlprogramm zu Mobilfunk äußert, obwohl gerade diese Partei zuletzt Anstrengungen unternommen hat, sich als mobilfunkkritisch in Position zu bringen.
Was die GRÜNEN und die ödp zu sagen haben ist der folgenden Auflistung zu entnehmen, von auffälligem Esprit sind die Verfasser der Texte aus Sicht des IZgMF nicht beseelt gewesen. Denn wer wie die GRÜNEN mehr Mitspracherecht der Bürgerinnen und Bürger bei der Standortwahl von Mobilfunksendeanlagen fordert, der blockiert mit dieser unsinnigen Forderung den wünschenswerten Netzausbau vollständig, weil: niemand will die Masten in seiner Nähe haben! Außerdem sei daran erinnert, dass zu Zeiten des grünen Umweltministers Jürgen Trittin (bis Oktober 2005) keine politisch motivierte Behinderung des Netzausbaus erkennbar war.
Nicht viel besser sieht es bei den Zielen der ödp aus, die offenkundig schon vor vielen Jahren formuliert wurden und seither im Copy-Paste-Verfahren von einem bundespolitischen Programm ins nächste gerieten. Die jüngste Version dieses Programms stammt aus dem Jahr 2007, sie muss auch für die Bundestagswahl 2009 herhalten. Nicht weiter zu kritisieren, würde darin nicht UMTS als zukünftige Mobilfunktechnik angekündigt. Zur Erinnerung: UMTS wurde in Deutschland 2004 eingeführt.
Forderungen der vier mobilfunkkritischen Parteien
Die Forderungen, die die vier gefundenen mobilfunkkritischen Parteien in ihren Parteiprogrammen formulieren, sind nachfolgend zusammengefasst. Alle Forderungen sind im wesentlichen lückenlos den Wahl-/Grundsatzprogrammen entnommen, es sind also keine willkürlich herausgepickten Auszüge, zu denen die Programme noch andere – hier nicht genannte – nennen.
An Orten, an denen sich Menschen in größerer Anzahl unfreiwillig aufhalten, ist das Betreiben drahtloser Kommunikationstechnik auf ein notwendiges Minimum zu beschränken. Dies gilt besonders für Kindertagesstätten, Schulen und Krankenhäuser.
Es ist eine öffentliche Datenbank mit biometrischen Daten einzurichten, um Strahlenbelastungen und gesundheitliche Schäden wissenschaftlich erfassen zu können.
Die Kommunen sollen verpflichtet werden, in Zusammenarbeit mit den Mobilfunkanbietern ein Standortkonzept zu erstellen, wobei Mobilfunkanlagen nur auf Grundlage dieses Konzepts genehmigungsfähig sind. Die Mobilfunkanbieter haben dieses Standortkonzept zu refinanzieren
Wir wollen die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger bei der Standortwahl von Mobilfunksendeanlagen. In der Regel sollen Stromleitungen in der Erde verlegt werden.
Die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung „Mobilfunk“ im deutschen Bundestag vom 2. Juli 2001 zeigen deutlich die Notwendigkeit einer Verringerung der Strahlenbelastung der Bevölkerung. Die in Deutschland geltenden Grenzwerte der 26. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (26. BImSchV) sind dafür völlig unzureichend und müssen gesenkt werden. Es ist bestürzend, wie wenig die staatlichen Behörden ihrer Fürsorgepflicht in diesem Bereich nachkommen.
Die heute eingesetzte Mobilfunktechnik nach dem Zeitschlitzverfahren (gepulste Signale) durch den GSM 900/1800-Standard sowie die schnurlosen Haustelefone durch den DECT-Standard sind schnellstmöglich zu verbieten. Die laufende Erweiterung für Datenübertragung in der GPRS-Technik ist sofort zu stoppen. Die zugehörigen Frequenzbereiche werden für nicht-gepulste Funkanwendungen bei reduzierter Sendeleistung freigegeben. Die künftige Mobilfunktechnik nach dem UMTS-Standard ist ausschließlich im ungepulsten Modus zu betreiben.
Die Vorgaben in der 26. BImSchV werden auf einen Grenzwert noch unterhalb der „Salzburger Resolution“ vom 8. Juni 2000 für nicht-gepulste Immissionen auf 0,1 mW/m² festgelegt.
Reine Wohngebiete und Aufenthaltsorte von Kindern und Jugendlichen (z.B. Kindergärten und Schulen) und Krankenhäuser müssen in der Netzplanung der Betreibergesellschaften durch einen strengeren Grenzwert von 0,01 mW/m² Leistungsflussdichte geschützt werden. Der Aufbau von Antennen-Basisstationen ist deshalb generell genehmigungspflichtig. Die Öffentlichkeit wird (z.B. durch Bürgerversammlungen) in das Genehmigungsverfahren einbezogen.
Die Forschung über die Folgen der zunehmenden Elektrosmog-Belastung ist auf allen Gebieten voranzutreiben. Wenigstens 0,5 % der Einnahmen aus der UMTS-Versteigerung oder den damit verbundenen Zinsersparnissen im Bundeshaushalt sind für Forschungsaufträge einzusetzen.
Die 29 zur Bundestagswahl 2009 zugelassenen Parteien. Nur die grün markierte Parteien haben Mobilfunkkritik in ihren Grundsatz-/Wahlprogrammen stehen. Bei den rot markierten fand sich keines unserer vier typischen Stichworte für Mobilfunkkritik, bei den nicht markierte Parteien konnten wir kein Programm ausfindig machen.
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