Mobbingopfer Blauer Handyengel

Nichts deutet derzeit darauf hin, dass die beunruhigenden Ergebnisse der Reflex-Studie dem Blauen Engel für Handys Auftrieb gegeben haben. Stur verweigert die Industrie dem Ökosiegel weiterhin die Anerkennung und ebensowenig dürfte sich an der Vergabegrundlage seitens des Zeichengebers in naher Zukunft etwas ändern. Auf der Sitzung der Jury Umweltzeichen Anfang Dezember 2005 wird der Blaue Handyengel aller Voraussicht nach wieder einmal nur durchgewunken – alles andere wäre eine Überraschung (20.11.05-ll).

Das Umweltzeichen Blauer Engel hat, was die Zeichennehmer anbelangt, Akzeptanzprobleme: Bis zum Jahr 2000 stieg die Anzahl der Zeichennehmer auf den Höchstwert von 831, im Laufe der Folgejahre blieben davon jedoch zuletzt nur noch 578 übrig. Umweltminister Trittin ungerührt: “Auch beim Blauen Engel zählt, was unterm Strich übrig bleibt: schwarze Zahlen für die Umwelt.“ Womit der Minister einerseits Recht hat, andererseits völlig neben der Spur liegt. Denn auch im November 2005, rund 3 1/2 Jahre nachdem das Umweltzeichen für Mobiltelefone beschlossen wurde, zeigt die Website des Ökosiegels in der zugehörigen Produktsparte noch immer keinen einzigen Eintrag. Früher wurde dies mit Hinweisen wie “0 Einträge” oder “0 Produkte” auf der Engel-Website noch gnadenlos deutlich dokumentiert, inzwischen haben Kosmetiker leider dafür gesorgt, dass diese Hinweise entfernt wurden. Deshalb ist die Produktsparte jetzt noch leerer als zuvor, von schwarzen Zahlen für die Umwelt fehlt jede Spur – wenn hier überhaupt noch Zahlen auszumachen sind, dann rote.

Industrie: Ökosiegel für die Mülltonne

Ökosiegel Blauer Engel  -  Copyright: UmweltbundesamtWichtigstes Kriterium, einen Blauen Handyengel zu bekommen, ist ein SAR-Wert des Handys von höchstens 0,6 W/kg. Dies ist weniger als die Hälfte dessen, was gemäß EU-Empfehlung erlaubt ist (2,0 W/kg). War ein so kleiner Wert noch vor einigen Jahren bei Handys eher die Ausnahme, so listet die Website www.handywerte.de im November 2005 nicht weniger als 208 Modelle auf, deren SAR-Wert höchstens 0,6 W/kg ist, darunter 25 Geräte, deren SAR-Wert sogar unter 0,28 W/kg bleibt. Ganz offenkundig sind die Handyhersteller technisch dazu in der Lage und längst auch Willens, Handys mit SAR-Werten weit unterhalb der erlaubten 2,0 W/kg zu produzieren. In offiziellen Verlautbarungen wollen die Handyhersteller davon jedoch nichts wissen, sie verbeißen sich vielmehr in einer folgenschweren Feststellung, die der Interessenverband Bitkom im Jahr 2002 machte: “Der vorgeschlagene Zusatz ‘Umweltzeichen - weil strahlungsarm’ suggeriere ... dem Verbraucher, dass von Handys eine gesundheitsschädliche Strahlung ausgeht und dass Geräte mit einem nicht vom Ökosiegel akzeptierten SAR-Wert ungesünder als Geräte mit Siegel seien. Diese Suggestion entbehrt jeglichen wissenschaftlichen Hintergrundes.”

Drei Jahre später spricht die Realität freilich eine andere Sprache: 16 der im November 2005 von handywerte.de vorgestellten 30 neuesten Handys haben einen SAR-Wert unter 0,6 W/kg. Die Industrie bedient damit sehr wohl das Marktsegment der Mobilfunkteilnehmer, die auf niedrige SAR-Werte achten – oder sie betreibt damit insgeheim Vorsorge zum Schutz der Verbraucher. Offensiv, z. B. durch Werbung für strahlungsarme Handys, kann sie dies jedoch nicht mehr tun, die Argumentation von damals hat den Weg dorthin versperrt. Und so ist aus dem blauen Handyengel unversehens ein Mobbingopfer geworden, dem auch im vierten Jahr seines Bestehens jegliche Akzeptanz verweigert wird. Zu unrecht, denn die Reflex-Studie hat spätestens Ende 2004 deutlich gemacht, dass – weit unterhalb der zulässigen 2 W/kg – schon die Einwirkung von 1 W/kg zu unerwarteten biologischen Reaktionen führt. Obschon die Studie lediglich an Zellkulturen durchgeführt wurde und nicht an Tieren oder Menschen, stützt sie dennoch glaubwürdig zumindest eines: die Vorsorgeforderung nach strahlungsarmen Handys.

Fragen an das Umweltbundesamt

Dr. Brigitte Jacobs, UBA  -  Copyright: UmweltbundesamtDas IZgMF verfolgt den Werdegang des Blauen Handyengels seit geraumer Zeit (siehe unten). Den aktuellen Sachstand erfragten wir wieder bei Frau Dr. Brigitte Jacobs, die beim Umweltbundesamt in der Abteilung für Methoden der Produktbewertung u. a. für Mobiltelefone zuständig ist.

IZgMF: Gibt es Anzeichen, dass die Jury Umweltzeichen die Gültigkeit der vorhandenen Vergabekriterien des Blauen Engel für Handys diesmal nicht um ein weiteres Jahr verlängert, sondern neue Vergabekriterien ins Auge fasst?

Umweltbundesamt: Wir bitten um Verständnis, dass wir den Entscheidungen der Jury Umweltzeichen nicht vorgreifen können und wollen. Die nächste Sitzung der Jury wird am 8. und 9. Dezember 2005 stattfinden.

IZgMF: Ist die Jury Umweltzeichen wegen der Totalverweigerung der Handyhersteller mit diesen regelmäßig im Gespräch, um für die Akzeptanz des Umweltzeichens für Handys zu werben?

Umweltbundesamt: Es hat Gespräche des Vorsitzenden der Jury Umweltzeichen sowohl mit Handyherstellern als auch Mobilfunkbetreibern gegeben.

IZgMF: Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Industrie ihre Totalverweigerung aufgibt? Immerhin erfüllt ein Großteil der neu auf den Markt gebrachten Handys mühelos die Vergabebedingungen des Blauen Engel, was im Zuge des wegen der Marktsättigung anstehenden Verdrängungswettbewerbs ein nicht unerhebliches Verkaufsargument wäre.

Jury Umweltzeichen

Die Jury Umweltzeichen ist ein unabhängiges Beschlussgremium mit Vertretern aus Umwelt- und Verbraucherverbänden, Industrie, Gewerkschaften, Handel, Handwerk, Kommunen, Wissenschaft, Medien, Kirchen und Bundesländern.

Umweltbundesamt:
Aus Sicht des Umweltbundesamtes sind gegenwärtig leider keine Anzeichen zu erkennen, dass die Anbieterseite von ihrer Verweigerungshaltung abgeht.

IZgMF: Wenn über den Blauen Engel für Handys verhandelt wird, sitzen dann auch Vertreter der Mobilfunkbetreiber mit am Tisch und vertreten diese dann denselben Standpunkt, wie die Vertreter der Handyhersteller?

Umweltbundesamt: Grundsätzlich werden bei der Weiterentwicklung von Vergabegrundlagen für die Vergabe des Blauen Engels Vertreter von Herstellern der Produkte und weitere Fachleute und ggf. Vertreiber der Produkte einbezogen. Im Vorfeld einer Überarbeitung von Kriterien für Mobiltelefone würden auch die Mobilfunkbetreiber durch das Umweltbundesamt einbezogen werden. Für Expertenanhörungen obliegt die Benennung der Anbieterseite dem BDI (Anm. Red.: Bundesverband der Deutschen Industrie).

IZgMF: Gibt es auf Seiten der Jury Umweltzeichen Überlegungen, den Blauen Engel für Handys ersatzlos wieder abzuschaffen?

Umweltbundesamt: Ich gehe davon aus, dass diese nicht der Fall ist. Das Umweltbundesamt wird der Jury Umweltzeichen die weitere Verlängerung der Vergabegrundlage vorschlagen.

Weiterführende Informationen

Blauer Engel für Handys sucht noch immer seine Flügel

Vergabekriterien für Blauen Handyengel bleiben mindestens bis Ende 2005 unverändert

Hörspiel: Am Ende kommt der Blaue Engel

Mit Kunstkopf SAR-Werte jetzt in Echtzeit messen

Meldungen 2005

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