Solange es substanzielle Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Handys gibt, solange sollten Kinder von dieser Technik fern gehalten werden. Denn unkalkulierbare Spätfolgen sind aus Sicht kritischer Wissenschaftler derzeit nicht auszuschließen. Wenn man bedenkt, dass die jetzt heranwachsende Generation von Kindern die erste ist, die von klein auf der Strahlung durch Handys und Basisstationen ausgesetzt ist, dann wird sich die Phase der Ungewissheit noch so lange hinziehen, bis auch diese Generation gesund im Greisenalter angekommen ist – oder eben nicht! Zuvor aber gibt es noch Ärger durchzustehen: Im konkreten Fall geht’s um das Kinderhandy MyMo (früher Hi Phone), seit Mitte 2003 eines unserer Lieblingsprojekte. Die Vertriebsfirma SIS reklamiert nun, wegen der IZgMF-Kampagne gegen MyMo würden Eltern ihren Kindern normale Handys kaufen, und den Kleinen dadurch erst recht schaden. Hört sich plausibel an. Doch bei Licht besehen löst sich die Argumentation von SIS auf wie Nebel in der Morgensonne.
Fast so unerwartet wie seinerzeit die Einführung des Solidaritätszuschlags traf uns kürzlich eine E-Mail der Firma SIS aus Leipzig (siehe Textkasten). Unverblümt drohte sie rechtliche Schritte an: Wir sollten unverzüglich einen Link entfernen, den wir von der IZgMF-Website auf eine SIS-Website gelegt hatten. Stein des Anstoßes ist ein Nachtrag zu unserem Bericht über das Kinderhandy MyMo. Bericht samt Nachtrag können Sie hier nachlesen.
SIS ist eine der Vertriebsfirmen, die in Deutschland das umstrittene MyMo-Kinderhandy aus chinesischer Produktion verkaufen. Die Firma wirft dem IZgMF vor, das Kinderhandy schlecht zu machen und führt ins Feld, das Gerät habe mit einem SAR-Wert von 0,92 W/kg einen wesentlich geringeren Strahlungswert als andere Mobiltelefone. Mit unserer Kampagne würden wir bewirken, dass Eltern anstelle des MyMo-Handys ein normales Handy kauften, das “viel schädlicher” fürs Kind sei als das Kinderhandy.
Mit seiner SAR-Argumentation kommt SIS Bitkom in die Quere
Sehr geehrte Frau Schall, wir haben Ihre Äußerungen in Ihrem Informationsportal www.IZgMF.de bezüglich des Mymo Kinderhandys sehr genau verfolgt. Wir respektieren dass Sie sich gegen den Mobilfunk stellen. Allerdings können und wollen wir es nicht hinnehmen, dass Sie ein Gerät schlecht machen, welches einen wesentlich geringeren Strahlungswert aufweist (0,92 Watt/kg), als andere Mobilfunkgeräte. Desweiteren liegt dieses Gerät weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten für Mobilfunk. Sie sind selbst Mutter von 3 Kindern, und wissen somit dass Sie und Ihr Informationsportal es nicht verhindern wird, dass Eltern Ihren Kindern Mobilfunkgeräte kaufen. Durch Ihre Kampagne gegen das Kinderhandy erreichen Sie nur, dass die Eltern, die Ihrem Kind ein strahlungsarmes Kinderhandy kaufen wollten, nun ein normales Handy kaufen, welches einen wesentlich höheren Strahlungswert hat und somit viel schädlicher für das Kind ist, als das Kinderhandy Mymo. Ist das in Ihrem Sinne? Wir appellieren an Ihren gesunden Menschenverstand, dies noch einmal genau zu überdenken und Ihre Aussagen bezüglich des Kinderhandy in Ihrem Portal zu überarbeiten. Desweiteren fordern wir Sie hiermit auf, den von Ihnen auf unsere Domain www.sis-leipzig.de gesetzten Link, unverzüglich zu entfernen. Soweit wir wissen, haben wir Ihnen diesbezüglich unser Einverständnis nicht erteilt. Weiter fordern wir Sie auf, Ihre Behauptung "wir würden auf unseren Internetauftritten" nicht über die Mobilfunkstrahlung informieren, unverzüglich zu entfernen (dies ist schlicht unwahr). Da es uns sehr wohl bewusst ist, dass die Änderungen an einer Internetseite in den Suchmaschinen Hochachtungsvoll S I S - L e i p z i g |
Die ehrliche Auskunft von SIS, Handys mit SAR-Werten über 0,92 W/kg seinen “viel schädlicher für das Kind”, passt nun so gar nicht zum Chorgesang der anderen. Wir spekulieren deshalb mal ganz frech, dass der Arbeitskreis Mobilfunk im Industrieverband Bitkom – dort werden branchenweite Strategien ausgeheckt – den Leipzigern wegen Linienuntreue insgeheim eine Rüge erteilen wird.
In der SAR-Rangliste rangiert MyMo
nur auf einem der unteren Plätze
Zweites Gegenargument: Völlig auf dem Holzweg ist SIS in dem Glauben, ein Handy mit 0,92 W/kg habe einen wesentlich geringeren Strahlungswert als andere Mobiltelefone. Dies ist absolut unzutreffend. Von 146 derzeit im Handel gelisteten Handymodellen (Stand: April 2005) haben gemäß einer SAR-Rangliste der Computerzeitschrift Chip nur 22 Modelle einen höheren SAR-Wert als das MyMo-Kinderhandy, 123 Modelle dagegen einen niedrigeren und damit besseren SAR-Wert. Spitzenreiter in der Liste ist das Sony-Ericsson Z600 mit nur 0,16 W/kg (etwa um den Faktor 6 besser als das MyMo-Handy). Dass der Trend zu niedrigeren SAR-Werten nun nicht etwa neu und überraschend ist, lässt sich beim Bundesamt für Strahlenschutz nachlesen (BfS). Scrollen Sie auf dieser Seite mal ganz nach unten ans Ende der Tabelle. Dort steht sinngemäß: Die bisher vom BfS durchgeführten Erhebungen der SAR-Werte der letzten Jahre lassen erkennen, dass der Anteil der aktuellen Handys die das Kriterium für die Vergabe des Umweltzeichens (Blauer Engel) erfüllen vom Jahre 2002 bis März 2005 stetig gestiegen ist. In dieser scheinbar banalen Textpassage steckt Zündstoff: Denn offenkundig ist es so, dass die Handyhersteller nur nach außen hin – aus strategischen Gründen – die Latte für den SAR-Grenzwert hoch legen, tatsächlich aber bei jedem neueren Modell Werte unterhalb von 0,6 W/kg anstreben. Dies ist einer der Fälle, wo die Bekundungen der Industrie, und deren tatsächliche Marschrichtung sich so auffällig unterscheiden, dass sich die Frage stellt, wie lange die Industrie diesen Spagat noch durchhalten wird.
Kritik der Stiftung Warentest
Der vergleichsweise hohe SAR-Wert ist aber nicht das einzige, was sich dem MyMo-Handy ankreiden lässt. Unter dem Titel Trügerische Sicherheit weiß die Stiftung Warentest noch von allerlei weiteren Unzulänglichkeiten des vermeintlichen Kinderhandys zu berichten. In Stichworten: Umständliche Vorbereitung der SIM-Karte in einem normalen Handy, schwer verständliche Gebrauchsanleitung, keine Angaben zu Akku-Ladezustand, Funknetzt und entgangene Anrufe, Verletzungsgefahr durch mitgeliefertes Halsband, durch Öffnungen können Schmutz, Sand Feuchtigkeit ins Gerät eindringen.
Knapp daneben ist dennoch vorbei
Gegen den Strich ging SIS auch unser Hinweis, es gäbe auf den Websites diverser MyMo-Vertriebsfirmen keinerlei Hinweise auf Elektrosmogrisiken. Dies sei “schlicht unwahr”. Wir sahen und sehen dies ganz anders und laden jeden ein, sich selbst ein Bild darüber zu machen, wie SIS über Elektrosmogrisiken informiert. Besuchen Sie bitte die MyMo-Website von SIS und schauen Sie nach, ob Sie brauchbares dazu finden, welche Verdachtsmomente gegen den allzu üppigen Gebrauch von Handys sprechen oder wie man die Strahlungsbelastung der Kinder z. B. durch ”intelligentes Telefonieren” verringern kann. Sie werden nichts dazu finden (Stand: 22. Mai 2005), sondern nur Sprödes wie etwa den Hinweis auf die Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte sowie eine reichlich kurze und für Laien schwer verständliche Abhandlung über die technischen Grundlagen des SAR-Werts.
Krönender Abschluss der genannten Abhandlung zum SAR-Wert ist ein Quellenvermerk auf das IZMF (Informationszentrum Mobilfunk), dem Lobbyverein der Mobilfunkindustrie in Berlin. Hätte es SIS doch nur bei diesem Quellenvermerk belassen, uns Westgoten zu München wäre ein Vertrauensverlust in die Fähigkeiten der Ostgoten zu Leipzig erspart geblieben. So aber schreibt SIS allen Ernstes: Die Quelle ist die Orginalseite der Mobilfunkgegner "IZMF.de" und wiederlegen somit Ihre eigene Behaubtung, über die Schädlichkeit des Kinderhandys. Soviel zu deren Glaubwürdigkeit. Diese kuriose Verwechslung, wir heben sie im Bild unten für die Nachwelt auf, gibt uns noch einmal Gelegenheit zu spekulieren, ob es die smarte Geschäftsführerin des IZMF in Berlin genauso ulkig finden wird wie wir, nämlich dass ihre Website bei SIS zur Originalseite der Mobilfunkgegner mutiert ist. Oder muss sich gar auch das IZgMF deshalb Sorgen machen? (Hinweis: SIS hat die im Bild gezeigte Textpassage – nach Veröffentlichung dieses Beitrags – um den 24. Mai herum von seiner Website entfernt).
Wie dem auch sei: Das Ansinnen von SIS landete umgehend beim Rechtsbeistand des IZgMF. Dieser formulierte einen netten Brief mit dem Ziel, SIS von der Erfolglosigkeit des Ansinnens zu überzeugen. Zugleich flatterte SIS eine Kostennote des Anwalts ins Haus, denn schließlich war es die Firma SIS, deren Drohung die Einschaltung eines Anwalts durchs IZgMF erst auslöste. Der Schriftwechsel liegt nun schon mehr als vier Wochen zurück (Stand: 22. Mai 2005), es war der erste und letzte, SIS hat seither kein Reaktion mehr gezeigt (22.05.05-ll).
Weiterführende Informationen
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Erstmals Umweltzeichen für strahlungsarmes Kinder-Handy und Babyfon
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