Sind gepulste Hochfrequenzsignale biologisch wirksamer als ungepulste? Oder anders gefragt: Ist bei einem DECT-Schnurlostelefon nun die mittlere Sendeleistung (meist 10 mW) biologisch relevant, oder doch eher der 25mal so hohe Spitzenwert? Fast jeder weiß, dass die wissenschaftliche Diskussion in dieser Frage kontrovers ist, Informationen aus erster Hand sind im Internet jedoch kaum aufzufinden. Wir haben deshalb einige in der Mobilfunkszene bestens bekannte Wissenschaftler um einen kurzen Kommentar zum Thema gebeten: Gerd Oberfeld, Michael Kundi, Lebrecht von Klitzing, Norbert Leitgeb und Andreas Wojtysiak. Vier der Angesprochenen machten bei unserer kleinen Umfrage mit.
Den Stein ins Rollen brachte beim IZgMF die nähere Auseinandersetzung mit den Hochfrequenzsignalen von DECT-Anlagen. Diese senden im zeitlichen Mittel mit nur 10 mW Sendeleistung, vorausgesetzt, es ist lediglich ein einziges Mobilteil aktiv. Tatsächlich aber senden DECT-Anlagen nicht kontinuierlich mit diesem Mittelwert, sondern sie strahlen kürzer als 1/1000 Sekunde dauernde Hochfrequenzpulse (HF-Pulse) mit konstant 250 mW Spitzenwert ab. Zwischen den HF-Pulsen gibt es Pausen, in denen die DECT-Anlagen nicht senden. DECT-Signale sind damit typische Vertreter der so genannten gepulsten Signale, wie sie auch beim GSM-Mobilfunk auftreten.
Mittelwert oder Spitzenwert: Das ist hier die Frage
Der Mittelwert der Sendeleistung mag für die Dimensionierung der HF-Komponenten der DECT-Station oder zur Berechnung der Akkulaufzeit eines Mobilteils der relevante Wert sein, aber ist er auch maßgebend für die biologische Relevanz der Strahlung? Reagieren Organismen vielleicht eher auf den Spitzenwert? Erinnert sei hier an ein gängiges Beispiel für die Wirkung gepulster Strahlung: die Stoboskop-Blitzlampen in Diskotheken. Jeder dürfte den Effekt kennen, den die kurzen Phasen grellen Lichts haben, wenn sie sich mit Dunkelphasen abwechseln. Das Dauerlicht einer erheblich leistungsstärkeren Glühlampe ist im Vergleich dazu völlig wirkungslos.
Aber lesen Sie nun selbst, was die befragten Wissenschaftler über die biologische Relevanz gepulster Strahlung sagen, bzw. darüber, ob der Mittelwert oder der Spitzenwert tonangebend ist: Wir fragten: Welche biologischen Wirkungen sind dem Spitzenwert zuzuschreiben? Hat er überhaupt relevante biologische Bedeutung, und wenn ja, welche davon ist unumstritten bzw. umstritten (19.5.04-ll)?
Gerd Oberfeld Die biologische Relevanz kann bei gepulsten Signalen, das sind Signale die sich durch eine rasche Änderung der Leistungsamplitude auszeichnen stärker sein als bei kontinuierlichen Signalen. Die Amplitudenänderung kann wie im Falle des DECT, GSM, UMTS, WLAN den gesamten Dynamikbereich (von 0 bis zur Spitze) umfassen und steilflankig sein. Dies führt im Gegensatz zu einem kontinuierlichen Signal zu einem Anstieg der induzierten Körperströme. |
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Michael Kundi Auf Basis des derzeitigen. Wissenstandes lässt sich die Frage Spitzenwert/Mittelwert nicht entscheiden. Nicht einmal für die absorbierte Energie kann man das klar entscheiden, weil die Dissipation von Wärme ebenfalls eine Dynamik hat, die den Effekt der SAR moderiert. Zur Frage gepulster Hochfrequenzfelder ist, soviel ich weiß, ein Papier der ICNIRP in Ausarbeitung. Ich glaube aber, dass das nicht viel Neues enthalten wird, weil die Basisuntersuchungen fehlen. |
Lebrecht von Klitzing
Mit allen Tricks versucht die Politik das Thema "gepulste Felder" zu entschärfen. Zum Mittelwert und Spitzenwert möchte ich als Beispiel anführen eine Glühlampe mit 25 W Emission als Mittelwert und eine Stroboskoplampe (25 Ws = 25 J) mit dem selben Mittelwert aus den Daten: 1 ms Puls, Pulsfolge 1000 ms. Hier ist die Pulsleistung 25 x 1000 = 25 kW! Stroboskope können epileptische Anfälle auslösen, eine Glühlampe mit gleicher gemittelter Leistung nicht. Das Problem für das Biosystem ist der Gradient der Leistungsänderung, also die Zeit vom Null-Niveau zur Leistungsspitze. Bei einer Spitzenleistung von 250 mW beim DECT-Telefon und den extrem kurzen Anstiegszeiten kommt schon einiges zusammen. Mit unserer Technik konnten wir nicht besser als 10 µs auflösen; dieses würde bedeuten: 250 mW x 100 000/s = 25 kW/s
Das ist noch nicht alles. Hinzu kommt auf Grund der kurzen Zeiten die hohe Kohärenz dieser Strahlung, die sich nicht an den "Skin"-Effekt hält, sondern wesentlich tiefer in das Gewebe eindringt. Deshalb kann man mit dem DECT-Telefon auch in einem Farady-Käfig noch telefonieren. Also: das Biosystem reagiert auf die starke Signaländerung; das biologische Wirkungsmodell (wo ist die biologische Schnittstelle?) ist unbekannt.
Kritische Anmerkungen – zu den Ausführungen von Dr. Lebrecht von Klitzing – im IZgMF-Forum.
Norbert Leigeb
Die Frage richtet sich, genau genommen, nicht nur nach dem Spitzenwert alleine, sondern nach der Bedeutung des Zeitverlaufes elektromagnetischer Wellen an sich. Ob dieser (z. B. "der Spitzenwert") eine eigene Bedeutung besitzt oder nicht, kommt grundsätzlich einerseits darauf an, ob eine biologische Reaktion schnell genug erfolgen kann, um auf die Signaländerung reagieren zu können, also, wissenschaftlich gesprochen, wie groß die Zeitkonstanten der biologischen Vorgänge sind und andrerseits, wieviel (Puls-)Energie im Spiel ist. Entscheidend dabei ist natürlich, dass elektromagnetische Felder ihre Energie überhaupt an den Körper abgeben können.
Wir wissen heute, dass dies im Hochfrequenzbereich dadurch geschieht, dass Atome und Moleküle in Bewegung gesetzt werden. Die wichtigste Folge dieser Bewegung sind Zusammenstöße mit anderen Teilchen, was in der Physik als (lokale) Erwärmung bezeichnet wird. Wenn diese Erwärmung schnell genug erfolgt, z. B. innerhalb von Millionstel Sekunden, und genügend hohe Pulsenergien zur Verfügung stehen, können sich z. B. im Innenohr mechanische Wellen bilden, die "gehört" werden können (Mikrowellenhören). Dies ist der Grund, weshalb durch Grenzwerte die Energie einzelner Pulse begrenzt ist.
Erfolgt die Erwärmung langsamer, kann sich die Wärme ohne mechanische Begleiteffekte ausbreiten. Die Erhöhung der Gewebetemperatur hängt dann bis zu einer Dauer von ca. 6 min von der zugeführten Wärmeenergie und der Wärmeabfuhr (z. B. durch die Durchblutung) ab. Schwankt die Strahlungsintensität noch langsamer, kann die Körpererwärmung diesen Schwankungen folgen. Aus diesem Grund wird zum Vergleich mit den Grenzwerten (nur) über eine Dauer von 6 min gemittelt.
Aufgrund dieses Wissens kann man die gestellte Frage mit einem klaren "Jein" beantworten.
Darüber hinaus gibt es natürlich die auch mir bekannten Befürchtungen von Personen, eine "Pulsation" könnte biologisch besonders wirksam sein. Diese Befürchtung steht jedoch aus mehreren Gründen auf schwachen Beinen:
Zusammenfassend gibt es daher keine belastbaren Daten, aus denen (von den erwähnten Sonderfällen abgesehen) Kriterien abgeleitet werden könnten, dass und ab welchen Eigenschaften eine Pulsung eine größere gesundheitliche Relevanz besitzt, als ein anderes Signal mit gleichem Mittelwert.
Weiterführende Informationen
Gepulste Funkwellen, Wirkungsmechanismen niederfrequent gepulster Mikrowellen im Organismus, Prof. Dr.-Ing. J. Silny, im Auftrag der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Januar 2004, PDF (224 KByte).
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