Sankt Florian spaltet Bürgerinitiative

Das friedliche Städtchen Bad Wünnenberg liegt idyllisch im nördlichen Sauerland. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft die Bewohner des Ortsteils Fürstenberg die Nachricht, dass mitten im Ort ein Mobilfunksendemast errichtet werden soll. Eilends formiert sich unter den unmittelbar betroffenen Anwohnern eine Bürgerinitiative (BI), die das Unheil abwenden will. Die Arbeit der BI hat Erfolg: Anstelle des geplanten Standorts wird ein 500 Meter weiter weg gelegener Alternativstandort angeboten. Doch auch dieser ist in einem Wohngebiet. Soll die BI zustimmen oder ablehnen? An dieser Frage zerbricht die BI in zwei Lager.

«Herzlich Willkommen... in Bad Wünnenberg! Hier bin ich Mensch – die Hektik des Alltags hinter sich lassen und wieder einmal Zeit für sich haben»: Diese lyrisch anmutenden Worte begrüssen einen freundlich auf der Website von Bad Wünnenberg (Nordrhein-Westfalen, Kreis Paderborn). Wer sie liest mag beinahe glauben, kein Wölkchen könne die Harmonie in der 12 480-Seelen-Gemeinde trüben. Tatsächlich aber hat der Haussegen in Bad Wünnenberg’s Ortsteil Fürstenberg (2 650 Einwohner) seit Mitte 2004 sichtbar Schieflage. Wegen eines Mobilfunksendemasten. Was sonst.

Juni 2004 Auf die «Rote Schule» soll ein Sendemast

Standort «Rote Schule». Der Name täuscht, das Gebäude wird nicht mehr als Schule genutztAngefangen hat alles im Juni 2004, als E-Plus in Fürstenberg einen Standort auf der zentral gelegenen so genannten Roten Schule in der Kolpingstraße 5 realisieren will. Bislang gibt es im Ortsteil nur zwei Standorte für Mobilfunksender, die beide im Süden außerhalb der Ortsgrenzen liegen. Die Rote Schule ist Gemeindebesitz, so dass die Gemeinde auch der Vertragspartner für den Betreiber ist.

Als die Nachricht des Bauvorhabens bis zu den Bürgern durchgesickert war regt sich in Fürstenberg sofort Protest und unmittelbar betroffene Anwohner gründen eine Bürgerinitiative. Vorsorglich veranstaltet der Bürgermeister nun einen Informationsabend. Referenten sind der Mobilfunkkritiker Prof. Dr. Klaus Buchner sowie Jörg Borm und Prof. Linke (beide E-Plus). Nach dieser Veranstaltung sagt die Ortvorsteherein Gisela W. (CDU) zu, sich für die Interessen der Bürger stark zu machen. Die Kommunalwahlen (September 2004) stehen unmittelbar bevor und mit ihrer Zusage wollte die Ortsvorsteherin Stimmen für ihren Einzug in den Kreistag bekommen. Was Ortsvorsteherin und Bürgermeister tunlichst verschweigen: Der Vertragsabschluss mit E-Plus war schon im Oktober 2003 unterzeichnet worden.

Oktober 2004 Ein Alternativstandort wird angeboten

Alternativstandort «Genossenschaftsgebäude»Nach gewonnener Wahl löst die Stadtverwaltung ihre Zusage dergestalt ein, dass sie nach einem Alternativstandort zur Roten Schule sucht und auch einen findet. Ortsvorsteherin Gisela W. macht der Bürgerinitiative daraufhin im Oktober 2004 ein verlockendes Angebot: Das alte Genossenschaftsgebäude der Raiffeisenbank am Knickweg 6 (Ecke Baumschulstraße), etwa 500 m nordöstlich vom ursprünglichen Standort gelegen, würde unter der Bedingung als Alternativstandort angeboten, dass die Bürgerproteste ein Ende fänden.

Einen Lageplan, in dem die beiden Schauplätze des Geschehens zu erkennen sind, können Sie hier einsehen (Eingaben: 33181 Wünnenberg und Kolpingstraße oder Knickweg).

November 2004 Der Alternativstandort spaltet die Bürgerinitiative

Das Angebot der Gemeinde löst das Problem jedoch nicht, vielmehr spaltet es unversehens unsere Bürgerinitiative. Einige Mitglieder sehen in dem Angebot eine Lösung ihres persönlichen Problems und begrüssen es daher erleichtert. Andere aber sehen in der Standortverschiebung die sozial unverträgliche Anwendung des St.-Florian-Prinzips und lehnen das Angebot mit der Begründung ab, innerhalb von Wohngebieten dürfe es grundsätzlich keine Alternative zum Standort Rote Schule geben. Wenn überhaupt, dann soll der Mast dort errichtet werden, wo niemand in seiner unmittelbaren Nähe leben muss. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Befürwortern und Gegnern des Angebots innerhalb der Bürgerinitiative eskalieren. Ende November 2004 kommt es zum offenen Streit, der kurz darauf zur Spaltung führt. Eine Befürworterin des Alternativstandorts am Knickweg 6 geht nach der Spaltung sogar soweit, E-Plus schriftlich mitzuteilen, dass sie sich für eine Einstellung der Bürgerproteste stark machen wolle – wenn E-Plus doch bitte den Alternativstandort am Knickweg realisiere.

Die neu entstandene zweite Bürgerinitiative, die den Knickweg als Alternativstandort ablehnt, nennt sich «Interessengemeinschaft für gesundheitlich verträglichen Mobilfunk». Sie fordert von der Gemeinde umgehend die Ausarbeitung eines Mobilfunkkonzepts. Dieses soll anhand einer Immissionsprognose den gesundheitsverträglichsten Standort in Fürstenberg ausfindig machen. Nirgendwo im Ort soll der Salzburger Vorsorgewert aus dem Jahr 2000 (1 mW/m² im Freien) überschritten werden. Derartige individuell auf die Situation einer Gemeinde zugeschnittene Mobilfunkkonzepte gibt es beispielsweise schon für die Gemeinden Gräfelfing, Dachau und Attendorn. Die Gemeinde lehnt die Forderung der Interessengemeinschaft jedoch mit der Begründung ab, dass a) die Uhren in Bayern ohnehin anders gingen und b) ein solches Konzept zu teuer sei (Attendorn liegt übrigens in Nordrhein-Westfalen).

Über die Spaltung der Bürgerinitiative sind weder der Bürgermeister noch E-Plus sonderlich erbaut, weil durch die gegensätzlich Forderungen ein unlösbarer Interessenkonflikt heraufbeschworen wurde und eine Verhandlungslösung in weite Ferne rückt. Ziemlich angesäuert kündigen Bürgermeister und E-Plus der Interessengemeinschaft das Anhörungsrecht. Die Kommunikation kommt nahezu zum Stillstand.

Februar 2005 Ein Stadtbediensteter sieht rot

Rathaus FürstenbergZu einem ungewöhnlichen Zwischenfall kommt es, als in Fürstenberg die tollen Tage des Karnevals gefeiert werden. Die Interessengemeinschaft hatte am Morgen des 3. Februar 2005 auf ein verpachtetes Grundstück neben dem Rathaus ein Transparent mit der Aufschrift «Stoppt E-Plus – Denkt an Eure Kinder» zwischen zwei Holzpfosten aufgehängt. Diese Aktion ist mit dem Pächter abgesprochen.

Der Spruch hängt vielleicht gerade einmal eine halbe Stunde dort, als ein Bediensteter der Stadtverwaltung aus dem Rathaus kommt. Doch nicht etwa, um das Transparent in Augenschein zu nehmen, sondern um es mit roher Gewalt zu entfernen. Der Mann brach die Holzpfosten ab und nahm das Transparent mit zurück zum Rathaus, wo er es zusammengeknüllt in den Hof warf. Ob der Bedienstete im Auftrag der Stadtverwaltung gehandelt hat ist nicht bekannt. Ansässige Bürgern informierten die Interessengemeinschaft sofort über den Zwischenfall und diese wandte sich an die Presse. Der Bürgermeister war jedoch zu keiner Stellungnahme bereit, obwohl er sich dem Vorwurf ausgesetzt sah, einer seiner Mitarbeiter Bevor er abgebrochen wurde, diente dieser Holzpfosten zum Aufspannen des Transparents.hätte sich der Sachbeschädigung und des Diebstahls schuldig gemacht. Tage später, die Interessengemeinschaft hatte schon überlegt Anzeige gegen Unbekannt zu stellen, kommt unerwartet der Stadtbedienstete bei uns vorbei. Er bringt das Transparent zurück, überreicht einen Blumenstrauss und erklärt den Vorfall mit einer emotionalen Kurzschlusshandlung seinerseits. Eine Anweisung der Stadtverwaltung, das Transparent zu entfernen, habe es nicht gegeben.

Mitte Februar 2005 sickert die Information durch, dass nun doch der Standort Rote Schule realisiert werden soll. Die Interessengemeinschaft nimmt Kontakt zu E-Plus auf, bekommt jedoch keine Bestätigung des Gerüchts, sondern eine verblüffende Feststellung: E-Plus sei im Dialog mit den Bürgern von Fürstenberg. Doch nicht etwa die Bürger selbst sind in den Entscheidungsprozess eingebunden, sondern allein die Bürgervertretung in Person des Bürgermeisters! Damit sei – so E-Plus – die von den Betreibern eingegangene freiwillige Selbstverpflichtung, die eine Bürgerbeteiligung vorsieht, hinreichend erfüllt.

Die Interessengemeinschaft will die Ende 2004 getroffene Absage der Gemeinde an ein Mobilfunkkonzept nicht hinnehmen und sammelt drei Tage lang Unterschriften, um einem erneuten Vorstoss in diese Richtung Nachdruck zu verleihen. Gesammelt wird nicht flächendeckend, sondern gezielt bei einflussreichen Bürgern. Nur wenige lehnen es ab zu unterschreiben und am Ende stehen 225 Unterschriften auf der Liste. Am 22. Februar werden die gesammelten Unterschriften einschliesslich der erneuten Forderung nach Ausarbeitung eines gesundheitsverträglichen Mobilfunkkonzepts im Rathaus abgegeben. Zwei Tage später sichert sich die Interessengemeinschaft die Unterstützung von Rechtsanwalt Björn Syring, Wilhelmstr. 14, Lüdenscheid (Telefon: 02351-3300): Er soll bei der Durchsetzung des Mobilfunkkonzepts helfen und dazu u. a. prüfen, inwieweit die Landesbauordnung die Durchführung einer Bauleitplanung für Mobilfunk-Sendeanlagen zulässt.

 

Fortsetzung folgt ...

 

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