Einspruch gegen eine alarmierende Studie von Gandhi et al., 1996
von Chung-Kwang Chou und Goga Bit-Babik, Motorola
Eine Simulation der Eindringtiefe von Funkstrahlung (Mobiltelefon) in den Kopf von Kindern und Erwachsenen, machte den US-Wissenschaftler Om P. Gandhi 1996 auf einen Schlag weltbekannt. Vor allem Mobilfunkgegner nutzen die alarmierende Darstellung bis in unsere Tage, um Eltern das “Risiko Mobilfunk” drastisch vor Augen zu führen. Der Stuttgarter Verein Diagnose-Funk verwendete sie z. B. noch 2021 in seinem Webinar Nr. 3, gab die Simulation allerdings fälschlich als Messung aus. Kein Beinbruch, wäre zumindest die plakative Darstellung zutreffend. Doch auch die ist falsch. Das ist seit spätestens 2002 verbrieft – u. a. von Om P. Gandhi (06.10.2024).
Medienberichte und Präsentationen von Mobilfunkkritikern zeigen seit Jahrzehnten eine Abbildung numerisch berechneter farbiger SAR-Muster für den Kopf von 5-Jährigen, 10-Jährigen und Erwachsenen. Erstmals publiziert wurde die Abbildung 1996 von Gandhi et al. [1]. Die Simulation zeigt eine dramatische Zunahme der Eindringtiefe bei kleineren Köpfen (Bild 1). Diese Darstellung wurde und wird gerne als einer der Gründe dafür angeführt, dass Kinder ihre Nutzung von Mobiltelefonen einschränken sollten.
Materialien und Methoden
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Die Ergebnisse der jüngeren Studie sind anders als die der älteren Studie von 1996, denn nun ist die Eindringtiefe der Funkstrahlung bei den drei Kopfmodellen ungefähr gleich groß (Bild 2). Die Autoren behaupten zwar noch immer, dass die Funkstrahlung in kleinere Köpfe tiefer eindringe, diese Aussage ist jedoch nur dann richtig, wenn die Autoren sie auf die relative HF-Durchdringung von Köpfen unterschiedlicher Größe beziehen.
In einer gemeinsamen Studie mit Bill Guy, University of Washington, sowie mit Jian-Qin Wang und Osamu Fujiwara vom Nagoya Institute of Technology, haben wir die SAR-Verteilung in denselben skalierten menschlichen Kopfmodellen bestimmt, die in [1] auch von Gandhi et al. verwendet wurden.
Wir fanden heraus [3], dass die Eindringtiefe in den Kopf von Kindern und Erwachsenen ungefähr gleich groß ist (Bild 3), ähnlich wie es die Ergebnisse von Gandhi und Kang in [2] zeigen. Und unsere Ergebnisse stimmen mit anderen, jüngeren Veröffentlichungen überein [4-11].
Die 1996 veröffentlichten Ergebnisse (Bild 1) sind ungültig. Dies bestätigen die Ergebnisse von Bild 2, die vom selben Labor veröffentlicht wurden, und alle anderen Studien [3-11], die SAR-Muster in unterschiedlich großen Köpfen von Menschen untersucht haben.
Die SAR-Spitzenwerte, die am “Sam”-Phantom (Specific Anthropomorphic Mannequin) gemessen wurden gemäß den internationalen Normen für die Konformität von Mobiltelefonen, sind für die unterschiedlichen Kopfgrößen konservativ. Dies hat ein internationales Projekt [9] nachgewiesen. Daher sind Mobiltelefone, welche die Grenzwerte einhalten, für alle Benutzer, einschließlich Kinder, sicher zu benutzen.
Schlussfolgerungen
Die 1996 veröffentlichten Zahlen zur Eindringtiefe sind falsch. Alle anderen Studien zeigen unabhängig von der Kopfgröße ähnliche SAR-Muster. Es ist bedauerlich, dass die falschen Informationen weiterhin Beachtung finden und die richtigen Informationen ignoriert werden.
Quellen- und Autorenhinweise
Der Beitrag erschien ursprünglich unter dem Originaltitel “Deeper RF Energy Penetration In Heads Of Children Than Adults Using Mobile Phones?” anlässlich des BEMS-Jahrestreffens, das vom 15. bis 19. Juni 2009 in Davos, Schweiz, stattfand. Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte mit freundlicher Genehmigung von C-K Chou.
Zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung waren beide Autoren Mitarbeiter der Motorola Inc., Plantation, Florida, USA. Chou war von 2001 bis 2013 leitender Wissenschaftler bei Motorola, verantwortlich für die Produktsicherheit im Hochfrequenzbereich. Seit Ende 2013 ist er im Ruhestand und unabhängiger Berater in EMF-Sicherheitsfragen. G. Bit-Babik war Mitarbeiter von Chou und ist heute leitender EME-Ingenieur (electromagnetic energy) in den Motorola Research Laboratories, Fort Lauderdale, Florida.
Referenzen
[1] Gandhi O P, Lazzi G and Furse CM. 1996. Electromagnetic absorption in the human head and neck for mobile telephones at 835 and 1900 MHz IEEE Trans. Microw. Theory Tech. 44:1884–97.
[2] Gandhi O and Kang G. 2002. Some present problems and a proposed experimental phantom for SAR compliance testing for cellular telephones at 835 and 1900 MHz Phys. Med. Biol. 47:1501–18.
[3] Bit-Babik G, Guy A W, Chou C K, Faraone A, Kanda M, Gessner A, Wang J and Fujiwara O. 2005. Simulation of exposure and SAR estimation for adult and child heads exposed to radiofrequency energy from portable communication devices Radiat. Res. 163:580–90.
[4] Wang J, Fujiwara O. 2003. Comparison and evaluation of electromagnetic absorption characteristics in realistic human head models of adult and children for 900-MHz mobile telephones. IEEE Trans. Microwave Theor. Tech. 51(3):966–971.
[5] Martinez-Burdalo M, Martin A, Anguiano M, Villar R. 2004. Comparison of FDTD-calculated specific absorption rate in adults and children when using a mobile phone at 900 and 1800 MHz. Phys Med Biol 49(2):345–354.
[6] Christ A, Kuster N. 2005. Differences in RF energy absorption in the heads of adults and children. Bioelectromagnetics 26
(Suppl 7):S31–44.
[7] Lee A, Choi H, Choi J, Pack J. 2005. Specific absorption rate values of handsets in cheek position at 835 MHz as a function of scaled specific anthropomorphic mannequin models. ETRI J 27(2):227–230.
[8] Wiart J, Hadjem A, Gadi N, Bloch I,Wong MF, Pradier A, Lautru D, Hanna VF, Dale C. 2005. Modeling of RF head exposure in children. Bioelectromagnetics 26 (Suppl 7):S19–30.
[9] Beard B, et al. 2006. Comparisons of computed mobile phone induced SAR in the SAM phantom to that in anatomically correct models of the human head. IEEE Trans EMC 48(2):397–407.
[10] Keshvari J, Keshvari R, Lang S. 2006. The effect of increase in dielectric values on specific absorption rate (SAR) in eye and head tissues following 900, 1800 and 2450 MHz radio frequency (RF) exposure. Phys Med Biol 51(6):1463–1477.
[11] Peyman A, Gabriel C, Grant EH, Vermeeren G, and Martens L. 2009. Variation of the dielectric properties of tissues with age:
the effect on the values of SAR in children when exposed to walkie–talkie devices. Phys. Med. Biol. 54:227-241.
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