Der 5G-Rollout aus Strahlenschutzsicht

Über schwenkende Beams und hohe Datenraten

von Dirk Heberling, Thomas Kopacz, Sascha Schießl, Anna-Malin Schiffarth, RWTH Aachen

Für den regelkonformen Betrieb einer 5G-Basisstation im 3,6-GHz-Band dürfen bei maximaler Anlagenauslastung die Immissionsgrenzwerte gemäß 26. BImSchV nicht überschritten werden. Was wie eine einfache Fingerübung für erfahrene Funktechniker aussieht, ist in der Praxis wegen der situationsabhängigen Strahlschwenkung von Massive-Mimo-Antennen jedoch leichter gesagt als getan. Ein von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen vorgeschlagener Lösungsansatz für die korrekte Hochrechnung von Messwerten auf Maximalimmission ist die Einführung eines ortsabhängigen Korrekturfaktors (13.06.2021).

Das mobile Internet auf dem Smartphone gehört seit einigen Jahren zum Alltag vieler Menschen. Die Möglichkeit, Multimediainhalte auch unterwegs in hoher Qualität und Geschwindigkeit abrufen zu können, ist mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit geworden. Dem dadurch stetig wachsenden Bedarf nach höheren Datenübertragungsraten begegnen die Mobilfunknetzbetreiber durch den Ausbau ihrer Netze und der Einführung neuer Mobilfunkstandards.

Die Einhaltung der Immissionsschutzgrenzwerte für hochfrequente elektromagnetische Felder hat hierbei eine entscheidende Bedeutung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Hochfrequenztechnik forschen zur Erfassung und Abschätzung der Immission durch neue Mobilfunktechnologien. Im Zentrum steht die Verträglichkeit von Immissionen elektromagnetischer Felder mit der Umwelt und insbesondere Menschen. So wurden Untersuchungen an Small Cells vorgenommen, welche in Bereichen mit hohem Nutzeraufkommen für zusätzliche Datenübertragungskapazitäten sorgen. Auch wurden Immissionshöhen bei der Indoor-Versorgung mit Mobilfunk bestimmt, wie sie in Bürogebäuden und Flughäfen anzutreffen ist. Aktuell steht der Ausbau der neuen 5G-Technik im Mittelpunkt.

Der Mobilfunknutzer im Scheinwerferlicht

Funkkeulen bei 5G

Bild 1: Mit der neuartigen Technologie 5G ist es möglich, einzelne Signale gebündelt in Beams innerhalb der Funkzelle zu schwenken und damit direkt auf einzelne Nutzer auszurichten. Dadurch kann eine hohe Signalstärke überall in der Zelle gewährleistet werden, ohne dass der Empfang anderer Nutzer gestört wird.

5G stellt in vielerlei Hinsicht neue Ansprüche an die Immissionsmessung. Eine der neuen technischen Möglichkeiten ist der Einsatz von Massive Mimo. Mimo steht für Multiple Input Multiple Output. Hiermit lassen sich Signale stark gebündelt in sogenannten Beams abstrahlen (Bild 1). Den Unterschied zur herkömmlichen Versorgung einer Funkzelle macht ein Vergleich deutlich: Eine Bühne kann als Ganzes durch einen breit strahlenden Scheinwerfer erhellt werden. Allerdings ist es auch möglich, einen schmalen helleren Lichtkegel auf eine Person auf der Bühne zu richten und diese zu verfolgen. Genau das passiert auch bei Massive Mimo mit dem Funksignal: Es wird in Richtung eines zu versorgenden Endgeräts in einem Beam gebündelt und lässt sich schwenken. Auf diese Weise können Nutzer bis zum Rand der Funkzelle mit hohen Signalstärken versorgt und gleichzeitig die Störung anderer Nutzer reduziert werden. Dadurch lässt sich der Datendurchsatz erheblich steigern. Die Bestimmung der maximal möglichen Immission durch alle möglichen Beam-Konfigurationen stellt die Immissionsmesstechnik jedoch zusammen mit weiteren Neuerungen in 5G vor erhebliche Herausforderungen. Im Rahmen eines durch das Bundesamt für Strahlenschutz geförderten Projekts wird an der Entwicklung eines geeigneten Verfahrens zur Erfassung der Maximalimmission unter diesen neuen Bedingungen geforscht.

Was zu beachten ist

Zur regelkonformen Inbetriebnahme einer Mobilfunkbasisstation sind die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) einzuhalten. Die auftretenden Feldstärken dürfen gemittelt über sechs Minuten auch bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung nicht überschritten werden. Bei den bisherigen Mobilfunkgenerationen GSM, UMTS und LTE wird dieser Zustand erreicht, wenn alle Ressourcen zur Datenübertragung mit der höchsten vorgesehenen Sendeleistung genutzt werden. Durch die Einführung von Massive-Mimo-Antennen bei 5G kommt die Schwenkbarkeit der Beams hinzu. Die Gesamtleistung der Sendeanlage wird dabei auf die in der Funkzelle aktiven Endgeräte aufgeteilt. Maximalimmission wird deshalb nur erreicht, wenn alle Ressourcen mit maximaler Sendeleistung in Form nur eines Beams abgestrahlt werden. Zusätzlich muss dieser für eine Dauer von mindestens sechs Minuten auf den Immissionsort einwirken. Dieser Betriebszustand ist sehr unwahrscheinlich, denn er erfordert, dass ein einzelnes Endgerät mindestens sechs Minuten lang einen Download mit einer Datenrate von einigen Gigabit pro Sekunde durchführt und gleichzeitig kein anderes Endgerät in der Zelle aktiv ist. Dennoch ist dieser Fall theoretisch möglich und muss für einen sicheren Betrieb der Basisstation berücksichtigt werden.

Wenn der Gewinn zum Problem wird

Synchronization Signal Block

Bild 2: Der Synchronization Signal Block (SSB) wird nacheinander als Folge aus bis zu acht (unterscheidbaren) SSB-Beams in verschiedene Richtungen ausgesendet. Dies dient zur Vorauswahl der Abstrahlrichtung für die nachfolgende Datenübertragung, denn die SSB-Beams werden abhängig vom Aufenthaltsort des Nutzers innerhalb der Funkzelle unterschiedlich stark empfangen.

Der Zustand maximaler Anlagenauslastung kann also für eine Immissionsmessung in einer Mobilfunkzelle im Regelbetrieb nicht ohne Weiteres hergestellt werden. Daher muss die Maximalimmission auf anderem Wege bestimmt werden. Hierzu wird bei den bereits etablierten Mobilfunkstandards die Immission eines Signals gemessen, dessen Sendeleistung konstant ist, also nicht von der aktuellen Verkehrslast in der Zelle abhängt. Dazu eignen sich permanent ausgesandte Synchronisierungs- oder Referenzsignale. Sie dienen dem Endgerät zum Identifizieren der Funkzelle und zum Herstellen einer Verbindung. Bei Kenntnis der Sendeleistung dieser Signale sowie der maximal möglichen Sendeleistung lässt sich eine Hochrechnung auf Maximalimmission durchführen. Bei 5G existiert mit dem Synchronization Signal Block, kurz SSB, ein vergleichbares Signal, das immer wiederkehrend auch ohne Verkehrslast mit konstanter Sendeleistung abgestrahlt wird. Somit eignet es sich prinzipiell als Ausgangspunkt für eine Hochrechnung auf Maximalimmission. Die große Herausforderung besteht allerdings darin, die Strahlschwenkung adäquat zu berücksichtigen.

Der SSB muss im Gegensatz zu den Vorgängerstandards nicht mehr zellweit abgestrahlt werden, sondern kann, wie Bild 2 zeigt, als Teil einer Folge bestehend aus bis zu acht aufeinanderfolgenden SSBs in verschiedene Richtungen ausgesendet werden. Dies dient zur Vorauswahl der Abstrahlrichtung für die nachfolgende Datenübertragung, denn die SSB-Beams werden abhängig vom Aufenthaltsort des Nutzers innerhalb der Funkzelle unterschiedlich stark empfangen. Die eigentlichen Daten werden mithilfe von Traffic-Beams ausgesandt. Diese können stärker gebündelt sein und im Gegensatz zum SSB mit einer deutlich feineren Auflösung in verschiedene Richtungen ausgerichtet werden. Nur im Falle eines einzelnen voll ausgelasteten Traffic Beams tritt Maximalimmission auf. Diese kann durch Berücksichtigung des Unterschieds zwischen der Bündelung des SSB- und Traffic-Beams berechnet werden. Ein Maß für die Bündelung ist der Antennengewinn, der umso höher ausfällt, je stärker ein Beam konzentriert ist. Nicht nur der Gewinn von SSB- und Traffic-Beams unterscheidet sich, sondern auch die Abdeckungsbereiche können, wie in Bild 3 angedeutet, voneinander abweichen. Dies hat zur Konsequenz, dass eine pauschale Hochrechnung auf Maximalimmission, die lediglich den Anteil der Sendeleistung vom SSB an der Gesamtsendeleistung berücksichtigt, nicht anwendbar ist.

Eine mögliche Lösung und deren Validierung

Einhüllende der SSB- und Traffic-Beams

Bild 3: Die Abdeckungsbereiche der SSB-Beams und der Einhüllenden aller möglichen Traffic-Beams können sich voneinander unterscheiden. Deshalb kann nicht unmittelbar von der Messung eines SSB-Beams auf die maximale Feldstärke des Traffics geschlossen werden.

Ein vielversprechender Ansatz zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Antennengewinne von SSB- und Traffic-Beams ist die Einführung eines ortsabhängigen Korrekturfaktors. Mithilfe der einfach zu bestimmenden relativen Horizontal- und Vertikalwinkel zwischen dem jeweiligen Messpunkt und der Basisstationsantenne lässt sich der Gewinnunterschied geeignet ermitteln. Dieses Verfahren erfordert jedoch präzise Kenntnisse über das räumliche Abstrahlverhalten von SSB- und Traffic-Beams. Zur Validierung der auf diese Weise hochgerechneten Immission wurde zum Vergleich die Immission während tatsächlicher Vollauslastung der Basisstation gemessen. Hierfür wurde mit einem 5G-fähigen Endgerät ein einzelner vollausgelasteter Traffic-Beam erzeugt. Es konnte belegt werden, dass die Hochrechnung mittels ortsabhängigem Korrekturfaktor zu Ergebnissen mit hoher Genauigkeit führt.

Das bislang entwickelte Hochrechnungsverfahren zur Bestimmung der Maximalimmission erfordert umfangreiche Informationen, um einen ortsabhängigen Korrekturfaktor ableiten zu können. Zusätzlich können sich von Basisstation zu Basisstation die SSB- und Traffic-Beams hinsichtlich ihrer Anzahl, ihrer Abdeckungsbereiche sowie ihrer Antennengewinne unterscheiden. Langfristig ist daher ein praktikableres Hochrechnungsverfahren erstrebenswert, das auch ohne Kenntnis der jeweiligen Antennenkonfiguration eine verlässliche Aussage über die maximal mögliche Immission treffen kann. An einem entsprechenden generischen Hochrechnungsverfahren wird derzeit geforscht. Es soll ohne individuelle Korrektur der Antennengewinne von SSB- und Traffic-Beams auskommen, sondern in bestimmten Bereichen der Zelle anwendbare pauschale Korrekturfaktoren erlauben. Dabei ist sicherzustellen, dass die Maximalimmission unter keinen Umständen unterschätzt, aber auch nur in akzeptablem Umfang überschätzt wird.

Weitere Forschungsarbeiten streben die Umsetzung eines zeitkontinuierlichen und flächendeckenden Immissionsmonitorings an. In einer Machbarkeitsstudie wird ein Crowdsourcing-basierter Ansatz verfolgt, welcher die von Smartphones erfassten Signalstärkewerte zur Immissionsabschätzung heranzieht. Auch in einem weiteren Projekt mit Bezug zu 5G dürfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Hochfrequenztechnik ihre Expertise einbringen: Im Förderrahmen 5G.NRW wird im Vorhaben „Giga for Health: 5G-Uni-Medizincampus. NRW“ die Störfestigkeit von Medizingeräten bei der Ausstattung von Krankenhäusern mit 5G-Versorgung im Innenbereich untersucht.

Quellenhinweise

Der Artikel erschien zuerst in Ausgabe 2/2020 der “RWTH Themen”, dem Forschungsmagazin der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Wir haben ihn mit freundlicher Genehmigung der Autoren und der Hochschule übernommen.

Aufmacherbild: Mohamed Hassan (Pixabay); Bild 1 bis Bild 3: RWTH Themen

Autoren

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dirk Heberling ist Inhaber des Lehrstuhls für Hochfrequenztechnik und Leiter des Instituts für Hochfrequenztechnik sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik.
Thomas Kopacz, M. Sc., Dipl.-Ing. Sascha Schießl und Anna-Malin Schiffarth, M. Sc., sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Hochfrequenztechnik.

 

Meldungen 2021

Website durchsuchen

 

Aktionen zum Mitmachen

Europapetition (FRA)

Krankheitsgeschichten

Ärzteappell organisieren

UMTS-Moratorium (GER)

Downloads

Gratis-Umrechner für Leistungsflussdichte, Feldstärke und mehrUmrechner für die gängigsten Einheiten im Mobilfunk

Miniplakate fürs Auto

An dieser Position blockiert ein Programm zur Unterdrückung von Popup-Fenstern oder ein Werbeblocker die Darstellung von Google-Anzeigen.

Tipps & Tricks

DECT-Basisstationen mit Alufolie entschärfen

Handy klammheimlich auf Sendung? Selber testen mit Kofferradio!

Kinder

Spezielle Information für Kinder und Jugendliche

Britischer Strahlenschutz warnt vor Kinderhandys

Testballon: 3-Tasten-Handy für Kindergartenkinder

Kinderhandy: Diverse Medien werben fleißig für Mobilfunker

Profitsucht von T-Mobile macht vor Kindern nicht halt

Messen

Handystrahlung innerhalb eines Linienbusses

Das Wunder von NRW

Auch Funkmessprojekt Baden-Württemberg mit Verfahrensfehler

SAR-Messungen vor Ort

Funkmessprojekt Bayern

 

 

Zur Inhaltsübersicht Bitte klicken

 

Bürgerinitiativen

Liste derBürgerinitiativen gegen Mobilfunk: Gleich jetzt hier eintragen!

Mobilfunkgeschichten:
Bürgerinitiativen erzählen

Bürgerkrieg wegen E-Plus-Sendemast

München: Handyverbot in Bussen und Bahnen

Forum

Diskutieren & Informieren

Linkliste

Viele interessante Sites

Gerichtsurteile

LG Kempten erkennt nicht auf Mietminderung

OVG Hamburg stoppt Baustopp gegen T-Mobile

Nachbar muss Mast dulden

VG Neustadt lehnt Eilantrag gegen Mobilfunkmast ab

Bebauungspläne in Rheinland-Pfalz keine Hürde für Mobilfunker

BVGH: Vodafone unterliegt

Sendeverbot für illegal errichtete Station

Na sowas!

Rätselhaftes Rindersterben auf dem Stengel-Hof

Minister Huber kneift

WLAN schlimmer als DECT

Schnurlostelefone: Auch DECT-Zulassung läuft Ende 2008 aus

Blauer Handyengel in Not

Gefährlich: Dacharbeiten unter Sendemasten

Naila: Krebs um Sender

Schmiergeldverdacht gegen Mobilfunkkonzern Ericsson

Digitaler Behördenfunk

Messtechniker melden “Widerstandsnester”

Spendable Anna Swelund verschenkt wieder Handys

Vorsorge

Mobilfunk-Vorsorgemodelle auf dem Prüfstand

Vorsorgemodell München

Vorsorgemodell Salzburg

Vier Tipps für intelligenten Umgang mit Handys

Telefonieren in Bus, Auto, Bahn doppelt schädlich

PLC: Die W-LAN-Alternative

Günstiges CT1+ Schnurlostelefon bei Conrad

Gut zu wissen

Standortdatenbanken

Kein Versicherungsschutz für Mobilfunker

183 Fragen & Antworten
aus Sicht der Netzbetreiber

Mobilfunk-Telefonhotline des Bund Naturschutz in Bayern

Immobilien-Wertminderung

Handy: Mindestens 60 % der Sendeleistung bleibt im Kopf hängen

BMW erlässt für DECT strengen Vorsorgegrenzwert

Der Leuchtturmeffekt will erst noch erforscht werden

Getarnte Mobilfunkmasten

WLAN kontra PLC