von Stephan Schall, IZgMF
Der Spanier Alfonso Balmori beschäftigt sich seit etwa 2004 damit, die Auswirkungen von Mobilfunkfeldern auf die Tierwelt zu erforschen. Seither zählt der Zoologe zu den Lieblingswissenschaftlern der Anti-Mobilfunk-Szene, denn Balmoris Entdeckungen sind Frischwasser auf die trockenen Mühlräder von Mobilfunkgegnern, Esoterikern und Geschäftemachern. Die Versuchsaufbauten des Spaniers erinnern freilich zuweilen an "Jugend forscht". Doch das stört unter seinen Anhängern niemanden. Vogelzählungen deutscher Naturschützer stützen Balmoris Erkenntnisse hingegen in keiner Weise (11. Juni 2016).
Vor bald zehn Jahren (2007) "erforschte" Balmori gemeinsam mit dem ebenfalls einschlägig bekannten schwedischen Privatforscher Örjan Hallberg die Wirkung von Funkfeldern auf den gemeinen Haussperling, besser bekannt unter seinem Pseudonym Spatz. Gemäß EMF-Portal fanden die beiden Forscher "signifikante Abnahmen bei der mittleren Vogel-Dichte über die Zeit, signifikant geringe Vogel-Dichten wurden in Gegenden mit hoher elektrischer Feldstärke aufgedeckt. Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, elektromagnetische Felder seien mit der beobachteten Abnahme der Haussperlings-Population verbunden." Die Anti-Mobilfunk-Szene war und ist von diesen Erkenntnissen hingerissen.
Stunde der Gartenvögel
Doch da gibt es den Nabu (Naturschutzbund Deutschland), der unter anderem ein Auge auf den Hausspatz geworfen hat und dessen Vorkommen seit 2006 bundesweit zählt. Die Zählaktion läuft unter dem Slogan "Stunde der Gartenvögel" (nicht: Galgenvögel) und zählte zuletzt in 29647 Gärten 1091557 Vögel.
Mit Abstand am häufigsten gesichtet wurde von den Zählern ausgerechnet – der Spatz. Das aber muss nichts heißen, denn wenn Mobilfunk alle Vögel gleichermaßen dahinrafft, dann bleibt der Spatz bis hin zur Ausrottung Spitzenreiter. Doch wenn an Balmoris Behauptung etwas dran sein sollte, dann müsste sich zwischen der zunehmenden Verdichtung der Mobilfunknetze und dem Vorkommen von Spatzen ein gegenläufiger Trend finden lassen: Je mehr Mobilfunk-Standorte, desto weniger Spatzen, so die Hypothese.
Dass eine Netzverdichtung bei Mobilfunk seit Start des GSM-Massenfunks im Juni 1992 stattfindet, darf als gesichertes Allgemeinwissen angenommen werden. Konkretes über die Entwicklung seitens Anzahl der Standorte seit 2009 bietet die Bundesnetzagentur an. Alte und junge Zahlen sind jedoch nicht ohne weiteres vergleichbar und über die Anzahl der Funkantennen gibt die Anzahl der Standorte ohnehin keine Auskunft. Zweifelsfrei sicher ist: Seit 2009 hat die Anzahl der Standorte für Mobilfunk-Sendeanlagen nicht ab-, sondern kontinuierlich zugenommen.
Die folgende Grafik beruht auf den Nabu-Zähldaten der Jahre 2006 bis 2016 und stützt die oben formulierte Hypothese in keiner Weise. Denn entgegen der Erwartung ist die mittlere Anzahl in Deutschlands Gärten beobachteter Spatzen seit 2006 nahezu konstant geblieben und nicht etwa stetig abnehmend.
Mehr Spatzen, mehr Masten
Überhaupt nicht zur Hypothese will in der Grafik der Anstieg zwischen 2010 und 2014 passen. Vermutlich beruht dieser auf nicht ganz so absurden anderen Umwelteinflüssen wie milde Winter, weniger streunende Hauskatzen, unwetterarme Brützeiten oder ein üppiges Nahrungsangebot – und ganz sicher nicht auf einer Entdichtung der Mobilfunknetze.
Diskussion
Eine Schwäche der "Mikrostudie" mit den Nabu-Zähldaten sind sicher die fehlenden Expositionsdaten. So werden Spatzen auf einem Acker mit ziemlicher Sicherheit anders (schwächer) befeldet, als welche in mobilfunktechnisch gut erschlossenen Stadtgebieten. Indirekt ließe sich dieser Mangel beheben, wüsste ich z.B. die Zähldaten des Nabu seit 2006 im Münchener Stadtgebiet, das gegenwärtig von rund 7000 Funkzellen (Mobilfunk-Sendeantennen) mit Mobilfunk versorgt wird. Doch diese Daten gibt die Website des Nabu nicht her. Dort ist in der Deutschlandkarte der Populationsdichten nur grob anhand der Farbgebung (gelb ■) zu erkennen, dass es in München erheblich weniger Spatzen gibt, nämlich höchstens 1,5 pro Garten, als auf dem flachen Land (rot ■, mehr als drei Spatzen pro Garten, orange liegt dazwischen). Auf den ersten Blick scheint dies die Hypothese zu stützen. Für Mobilfunkgegner jedoch enttäuschend: Das ist, warum auch immer, schon immer so gewesen (Nabu: seit 2006) und deshalb kein Beleg für eine schädliche Wirkung des Mobilfunks auf die Spatzenpopulation in München.
Diese Aussage wiederum wird gestützt, sucht man auf der Karte Nürnberg. Denn dann wird deutlich: Obwohl ebenfalls Großstadt mit vielen Mobilfunk-Standorten, muss Nürnberg augenscheinlich seit eh und je ein Spatzenparadies sein (Farbe rot statt gelb). Nur Hamburg ist in Deutschland ähnlich spatzenarm wie München, selbst Berlin steht besser da. Dies kann jedoch auch mit Unzulänglichkeiten der Nabu-Zähldaten zusammenhängen, über deren Zustandekommen der Nabu hier nur ein paar allgemeine Auskünfte gibt. Noch weniger Spatzen als in München und Hamburg gibt es nur selten. Man muss auf der Nabu-Karte danach suchen und findet z.B. den Landkreis Schmalkalden-Meiningen, gelegen im fränkisch geprägten Südwesten von Thüringen. Mobilfunktechnisch ist das ehemalige Zonenrandgebiet tiefste Provinz. Warum 2016 die Zähler dort dennoch bestenfalls nur 0,75 Spatzen pro Garten entdeckt haben ist ein Rätsel, das allein der Nabu lösen kann.
Alles in allem lassen sich aus den Nabu-Zähldaten keinerlei Hinweise zugunsten der Hypothese extrahieren, Mobilfunk schade Vögeln, insbesondere Spatzen. Ebenso wenig deutet darauf hin, Mobilfunk tue Vögeln gut. Alles deutet vielmehr darauf hin, zwischen Mobilfunkeinwirkung und dem Befinden von Vögeln gibt es keinerlei Zusammenhang, erst recht keinen kausalen.
Hintergrund
Warum das Spatzensterben in Großbritannien nicht auf Mobilfunk zurückzuführen ist
Alfonso Balmoris Kaulquappenstudie
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