Rückversicherer Swiss Re
sieht Elektrosmog als typisches Phantomrisiko

Im Juli 2013 publizierte der Rückversicherer Swiss Re eine Eingruppierung von 27 Schadenrisiken, die künftig der Versicherungsbranche weltweit zu schaffen machen könnten. Elektromagnetische Felder finden sich in der Gruppe der Risiken mit dem höchsten Schadenpotenzial, nur fünf andere Risiken stuft Swiss Re ebenso hoch ein. Vereine der Anti-Mobilfunk-Szene nutzten die Gunst der Stunde, sie vereinnahmten den großen Rückversicherer ungefragt als wichtigen Belastungszeugen für ihre dogmatische Behauptung, schwache elektromagnetische Felder wären ein großes reales Gesundheitsrisiko. Doch eine Nachfrage bei der schweizerischen Assekuranz hat jetzt ergeben: Die Mobilfunkgegner haben Swiss Re völlig falsch verstanden (13.03.2014).

von Stephan Schall

Den Stein ins Rollen brachte Swiss Re mit dem Report Sonar - Emerging Risks Insights (PDF, 27 Seiten, englisch). Dort lässt sich die Risikoeinstufung für elektromagnetische Felder auf Seite 11 im Original-Wortlaut nachlesen. Wer es lieber auf deutsch hat, wird von dem Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk bedient. Die Übersetzung, die der Verein in einer Pressemitteilung verbreitet, ist inhaltlich richtig und vollständig. Erwähnt wird die Qualität der Sprachwandlung, weil der Anti-Mobilfunk-Verein Gigaherz ebenfalls eine Übersetzung anbietet. Doch ist diese wegen der Weglassung einer wichtigen Textpassage verfälscht und daher unbrauchbar (Details im Forum des IZgMF).

Verantwortlich für die alarmierende Pressemitteilung von Diagnose-Funk ist der deutsche Architekt und Baubiologe Jörn Gutbier, einer von vier Vorständen des Vereins. Zur Einstimmung auf die Übersetzung heißt es in dem Papier:

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Dr. Reto Schneider ist Head of Emerging Risk Management des Rückversicherers Swiss Re, Zürich.

IZgMF: Herr Schneider, elektromagnetische Felder (EMF) werden von Swiss Re als “Phantomrisiko” betrachtet. Was meinen Sie damit?

Dr. Reto Schneider: EMF gilt bei uns seit mehr als 20 Jahren als Phantomrisiko. Ein Phantomrisiko ist eine Risiko, vor dem sich die Menschen fürchten, obwohl es dafür noch keine eindeutigen Studien gibt, welche eine objektive Gefährdung beschreiben. Ein Paradebeispiel war und ist EMF. Für die Versicherungen spielen in der Regel die Verbindung von Ursache und Wirkung eine entscheidende Rolle. Bei den Phantomrisiken kann es aber sein, dass Menschen auf Grund ihrer Furcht tatsächlich Symptome entwickeln, welche zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen und vor allem im amerikanischen Kontext als entschädigungswürdig betrachtet werden. Die damit einhergehenden Prozess/Anwaltskosten sind unter Umständen schon durch die Versicherungen gedeckt. Dies hat zur Folge, dass auf Seiten der Versicherung bereits Schadenzahlungen für Verteidigungskosten geleistet werden, bevor überhaupt ein physischer Schaden aufgetreten ist. Dies ist denn auch einer der Hauptgründe, weshalb wir die Entwicklungen um EMF weiterhin genau verfolgen.

IZgMF: In dem Sonar-Report wird explizit der Fall des Innocente Marcolini erwähnt. Der Mann erstritt vor dem obersten italienischen Gericht eine Rente, weil er angeblich wegen intensivem Langzeitgebrauch von Funktelefonen einen Hirntumor bekam und arbeitsunfähig wurde.

Schneider: Wir erachten den Gerichtsfall in Italien als nicht wegweisend, weil sich die Begründung offenbar auf eine wissenschaftlich eher umstrittene Studie abstützt. Für uns ist die wissenschaftlich Kausalität Mobiltelefon-Hirntumor noch nicht genügend erwiesen. Wir monitoren weiter und halten an unserer bisherigen Lagebeurteilung fest.

IZgMF: Kann man die Fehlinterpretation des Sonar-Reports durch Mobilfunkgegner vielleicht folgendermaßen erklären: Basis der Einstufung des EMF-Phantomrisikos durch Swiss-Re in die höchste Risikostufe ist nicht das reale wissenschaftlich beschreibbare Gesundheitsrisiko durch Mobilfunk, sondern das Risiko der Versicherungen – Stichwort USA –, wegen der immens hohen Verbreitung der Funktechnik mit erheblichen Schadenregulierungen im Rahmen der Betriebshaftpflicht für Unternehmen der Mobilfunkbranche konfrontiert zu werden?

Schneider: Ja, damit treffen sie den Nagel auf den Kopf. Die von Ihnen gewählten Argumente treffen zu. In den USA genügen Vermutungen und aus einem Phantomrisiko können durchaus reale Schäden entstehen. Hierbei anerkennen wir den Umstand, dass sich Menschen krank fühlen können, dass Menschen dann effektiv krank werden und dadurch aus richterlicher Sicht auch kompensationswürdig werden. Dieser Umstand dürfte unter dem Begriff Schadenregulierung enthalten sein.

IZgMF: Und wie geht es mit dem Phantomrisiko EMF bei Ihnen jetzt weiter?

Schneider: Abschließend lässt sich sicherlich festhalten, dass wir im Moment dem Thema EMF keine besondere Aufmerksamkeit schenken, dies kann sich aber mit dem Auftreten von neuen wissenschaftlichen Studien oder mit neuen Gerichtsfällen wieder rasch ändern. In den künftigen "Smart Cities" sollte dem Bereich EMF sicherlich die gebührende Beachtung geschenkt werden und vermutlich wird die Anzahl von strahlensensitiven oder -sensiblen Menschen zunehmen, was dann wiederum zu einer grösseren Nachfrage für "Strahlenschutzmaßnahmen und Abschirmung" führen wird.

Mobilfunkgegner Gutbier zitiert Swiss Re korrekt, erst sein Begleittext vermittelt dem unbefangenen Leser beiläufig die Einschätzung, die Risikoeinstufung der Assekuranz sei eine alarmierende Gesundheitswarnung. Die Stuttgarter Stadträtin Clarissa Seitz schließt sich an, und verkündet im Februar 2014 in einer Publikation ihrer Fraktion: “Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re hat diese Strahlung jetzt in die höchste Risikostufe eingruppiert.” Auch ein Fertighaushersteller, der sich mit einer integrierten “Elektrosmog-Schutzebene” profilieren will, greift Gutbiers Vorlage dankbar auf. Er macht sie zum Aufhänger für eine Pressmitteilung über sein Produkt und warnt: “Nun ordnet einer der weltgrößten Rückversicherer, die Swiss-RE, den Mobilfunk in die höchste Risikostufe ein.

Die drei Stimmen zur EMF-Risikoeinschätzung des Sonar-Reports sind sich einig. Doch liegen sie auch richtig? Kritische Geister fragen: Wie kann es sein, dass eine Versicherung eine gesundheitliche Risikoeingruppierung vornimmt, die kompetenzmäßig in die Hände der wissenschaftlichen Forschung gehört?

Sonar-Report falsch verstanden

Da Versicherungen selbst sehr gut wissen, wo ihre Kernkompetenzen liegen – und wo nicht, ist davon auszugehen: Der Sonar-Report liegt richtig, wurde jedoch von den Mobilfunkgegnern völlig falsch verstanden. Denn wenn ein Rückversicherer in seiner Kundenzeitschrift vom Risiko Elektrosmog spricht, dann meint er damit nicht das Gesundheitsrisiko der Bevölkerung, sondern das Risiko der Versicherungsbranche, mit der Regulierung von Schadenfällen in Anspruch genommen zu werden! Das “potentiell hohe Risiko” von Mobilfunkstrahlung, das Diagnose-Funk-Vorstand Gutbier in seiner Pressemitteilung als Gesundheitsrisiko beschwört, ist daher in Wirklichkeit etwas ganz anderes, nämlich ein finanzielles Risiko der Versicherungsbranche. Beides hängt eng zusammen, ist aber bei weitem nicht das gleiche.

Auf Nachfrage bestätigte Swiss Re dem IZgMF, diese Sichtweise sei zutreffend.

Mobilfunkteilnehmer sind schon wegen ihrer immensen Anzahl für Versicherungen ein beunruhigend großes Risikopotenzial, im Versicherungschinesisch "Exposure" genannt. Im Jahr 2017 wird es nach einer Prognose der GSMA weltweit knapp 4 Milliarden Handy-Nutzer geben.

Ein Rechenexempel zur Schadensumme

In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10’000 Menschen von ihr betroffen sind. Bezogen auf die Mobilfunkteilnehmer des Jahres 2017 bedeutet dies: Sollte Mobilfunk auch nur in seltenen Fällen zu einer Erkrankung führen, z.B. zu einem Hirntumor, so ginge es weltweit um bereits 1,95 Millionen Betroffene. Würde jeder davon einen Prozess über 800 Mio. Dollar Schadenersatz führen und gewinnen, käme auf die Mobilfunkbranche und ggf. die Versicherer eine Kostenlawine in Höhe von 1,56 Billiarden Dollar zu (1’560’000 Mrd. Dollar). Dagegen nehmen sich die versicherten Schadenzahlungen für Erkrankungen durch Asbestexposition (unter anderem Asbestose) geradezu harmlos aus: Gemäß Wikipedia schätzt die Rating-Agentur Standard & Poor’s die bislang bekannten Schäden auf 54 Mrd. Dollar und erwartet eine Gesamtschadensumme von bis zu 200 Mrd. Dollar. Unter den Naturkatastrophen führt der Wirbelsturm Katrina, 2005 bewirkte dieser einen Versicherungsschaden von rd. 62 Mrd. Dollar.

Der Schadenersatzanspruch von 800 Mio. Dollar ist nicht willkürlich gewählt. Im Jahr 2000 zog der amerikanische Neurologe Christopher Newman in Baltimore, Maryland, vor Gericht. Der damals 41-Jährige verklagt nicht weniger als sieben Unternehmen aus der Mobilfunkbranche, darunter auch Motorola, auf 800 Mio. Dollar Schadenersatz. Er behauptete, sechs Jahre Telefonieren mit einem Mobiltelefon hätte ihm einen bösartigen Hirntumor eingebracht. Eine Bundesrichterin wies seine Klage jedoch ab, die vorgelegten Beweise belegten keine Kausalität zwischen seiner Erkrankung und dem Gebrauch des Mobiltelefons.

So hypothetisch das Rechenexempel auch sein mag, es zeigt deutlich die Krux der Versicherer: Selbst wenn nur 5 von 10’000 Mobilfunkteilnehmern nachweislich wegen EMF-Einwirkung erkranken, können die Summen für die Regulierung der Ansprüche bereits in astronomische Höhen klettern.

Zum Vergleich: Von 10’000 Rauchern erkranken ungefähr 1000 im Laufe ihres Lebens an Lungenkrebs. Jedes Jahr sterben schätzungsweise 36’000 Menschen in Deutschland an Lungenkrebs durch Rauchen. Diese Zahlen nennt das Deutsche Krebsforschungszentrum.

Swiss Re über das EMF-Risiko

Für Swiss Re sind elektromagnetische Felder das Paradebeispiel eines “Phantomrisikos” (siehe Interview).

Reto Schneider, Jahrgang 1962, ist bei Swiss Re Direktor der Abteilung Emerging Risk Management. Mit seinen Mitarbeitern ist der Zellbiologe, der im Fach Immunologie promovierte, für die Früherkennung von Risiken und den Transfer der gewonnenen Erkenntnisse ins Versicherungsgeschäft zuständig. Schneider verteidigt den Sonar-Report gegen die Fehlinterpretationen durch Mobilfunkgegner: So laute der Titel des Reports aus gutem Grund Emerging Risks Insights (Betrachtungen zu neu aufkommenden Risiken), es werde bewusst von "möglichen Auswirkungen” gesprochen (potential impact) und ausdrücklich erwähnt, dass es bei EMF vor allem um die noch nicht absehbaren Konsequenzen nach Langzeitnutzung gehe. “Andererseits”, so Schneider, “kommen wir nicht darum herum, dass die International Agency for Research on Cancer (IARC) 2011 die von Mobiltelefonen ausgesandte Strahlung als potentielles Karzinogen bezeichnet. Dieser Umstand führte bei uns intern zu entsprechenden Risiko-Management-Überlegungen und -Massnahmen.”

Die Vereinnahmung der Swiss Re durch Anti-Mobilfunk-Vereine als bedeutenden Belastungszeugen sieht der Risikoexperte mit einem Achselzucken: “Wenn wir einen solchen Report veröffentlichen, ist es uns kaum möglich abzuschätzen, wer die publizierten Texte zu welchen Zwecken verwendet. Wir sind der Meinung, dass wir mit unserer Publikation primär den Versicherungen einen Denkanstoß geben und auf breiter Basis mit verschiedenen Stakeholdern einen Risikodialog starten können.”

Wenn der Sonar-Report einen Risikodialog über EMF neu entfacht, findet Schneider dies persönlich nicht primär schlecht, sondern wünschenswert. Die Motivation der verschiedenen Parteien am Thema sei dann jedoch kritisch zu hinterfragen.

Hintergrund: Versicherungen und EMF

Rückversicherer

Zahlungen für Großschäden können eine Versicherung in den Ruin treiben. Will sie allzu herbe Verluste vermeiden, kann sie gegen Prämienzahlung Risiken auf einen Rückversicherer verlagern. Rückversicherer sind die Versicherung der Versicherungen. Und weil die Vertragsbedingungen zwischen Versicherer und Rückversicherer stets individuell ausgehandelt werden, haben Rückversicherer eine sehr hohe Kompetenz in angemessener Risikobewertung entwickelt.

Mehr Bedarf für Rückversicherer entsteht aus der zunehmenden Konzentration an Werten und den Versicherungsdeckungen für immer höhere Schadenersatzzahlungen nach Naturkatastrophen oder von Menschen verursachten Großschäden. Weniger Bedarf herrscht, wenn z.B. erwartete Naturkatastrophen ausbleiben. Dann neigen Versicherer dazu, Beitragszahlungen an Rückversicherer einzusparen und mehr Risiken auf die eigenen Bücher zu nehmen. Rückversicherer bekämpfen solche Flauten mit sinkenden Prämien,

Weltweit gibt es etwa 200 Rückversicherer. Gemessen an den Beitragseinnahmen größter ist Munich Re vor Swiss Re und Hannover Rück.

Die mit Reizwirkungen und thermischen Wirkungen verbundenen Gesundheitsrisiken elektromagnetischer Felder sind weitgehend bekannt, darauf ausgelegte Grenzwerte gewährleisten nach bisherigem Kenntnisstand einen wirkungsvollen Schutz. Umstritten sind allein noch athermische Effekte der Funkwellen. Diese wurden unterhalb der Grenzwerte beobachtet, jedoch ist ihre biologische Wirkung entweder belanglos, weil im normalen physiologischen Bereich (vgl. Pupillenverengung bei Lichteinfall), oder es ist schlicht unbekannt, welche gesundheitliche Bedeutung ein beobachteter Effekt – z.B. Veränderung des zerebralen Blutflusses während eines Handy-Telefonats – haben kann. Die bisherigen Forschungsergebnisse und Bewertungen durch nationale Expertenkommissionen zeigen trotz großer Anstrengungen bis heute keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen schwachen elektromagnetischen Feldern, denen Menschen im Alltag ausgesetzt sind, und Gesundheitsschädigungen. Der Forschungstrend des letzten Jahrzehnts zeigt deutlich in Richtung Entwarnung. Zuletzt hatte im Februar 2014 das britische Forschungsprogramm MTHR (Mobile Telecommunications and Health Research) nach elf Jahren Suche das Gesundheitsrisiko Mobilfunk als nicht vorhanden zu den Akten gelegt.

Der bisherige Trend kann Versicherungsgesellschaften zwar beruhigen, eine Entwarnung für diese Branche ist er jedoch nicht. Denn der massenhafter Gebrauch von Mobiltelefonen begann erst vor rund 20 Jahren. Die jetzt heranwachsende Generation ist die erste, die ihr Leben lang körpernahem Funk ausgesetzt sein wird. Daraus resultiert eine Ungewissheit über das Langzeitrisiko von Funkimmission, das zwar von Jahr zu Jahr schrumpft, letzte Gewissheit wird es aber erst dann geben, wenn der Jahrgang 1993 im Greisenalter angekommen ist und keine auffälligen Gesundheitsprobleme zeigt. Und selbst dann bleibt noch ein Restrisiko übrig, denn Schäden könnten sich möglicherweise erst in Folgegenerationen zeigen. Grund genug für Versicherer, das “Risiko EMF” noch mindestens 70 Jahre im Auge zu behalten.

Für Hersteller, Vertreiber und Betreiber Funkfelder aussendender Anlagen, Geräte und Produkte kommen mehrere gesetzliche Haftungsgrundlagen in Betracht. Das große und noch nicht vollständig bekannte Haftungspotential beruht schwerpunktmäßig auf der Gesetzgebung im Umwelt- und Produkthaftungsbereich.

Bei Schadenersatzprozessen ist mit langwierigen und teuren Verfahren zu rechnen, deren Ausgang aufgrund der bisherigen Rechtssituation nicht vorhergesagt werden kann. Schäden durch EMF sind sowohl in der Produkthaftpflichtdeckung der Betriebshaftpflichtversicherung als auch in der Umwelthaftpflichtversicherung vom Versicherungsschutz erfasst.

Problematische Produkthaftpflicht

Kurzportrait Diagnose-Funk

Diagnose-Funk wurde Ende 2004 von dem nach eigener Einschätzung “elektrosensiblen” deutschen Maschinenbauingenieur Lothar Geppert in Zürich gegründet. Mitte 2005 kam es zum Zusammenschluss mit der Anti-Mobilfunk-Website “Kombas” des Astrologen Uwe Dinger, Basel.

2010 Gründung des Vereins Diagnose-Funk Deutschland mit Dinger als Geschäftsführer. Die Vorstandsetage des Vereins bilden derzeit ein Architekt/Baubiologe (Gutbier), ein 2006 wegen eines Sendemasten-Neubaus zum Mobilfunkgegner gewordener gelernter Drucker (Hensinger), ein Versorgungstechniker (Groschupp) und ein Schreiner (Böckner). Keiner der Vorstände ist Fachmann für Mobilfunktechnik oder Biologie.

Der Verein war lange Zeit Mitteilungsorgan des früheren Tabak-Lobbyisten Franz Adlkofer, der mit zwei Mobilfunk-Alarmstudien (Reflex) weltweit Mobilfunkgegnern Argumentationshilfe leistete. Auf beiden Studien lasten jedoch begründete Fälschungsvorwürfe und der Verdacht, die Tabakindustrie wollte mit den Studien die Bevölkerung von den Risiken des Rauchens ablenken (Ablenkungsforschung). Diagnose-Funk steht seinerseits unter Verdacht, verdeckt die Interessen von Branchen wahrzunehmen, deren Geschäftsmodelle von gezielt geschürten Ängsten gegenüber Elektrosmog profitieren.

Weitere begründete kritische Einschätzungen zu organisierten Mobilfunkgegnern im Forum des IZgMF.

Im Produkthaftpflichtsektor besteht das Problem, dass die Schadenereignistheorie ungeeignet ist, Personenschäden durch elektromagnetische Felder, deren möglicherweise schädigende Wirkung sich über längere Zeiträume erstrecken, einer bestimmten Versicherungsperiode zuzuordnen. Die Deckungssummen und die Jahreshöchstersatzleistungen verschiedener Verträge und Perioden könnten hierdurch kumulativ für einen Versicherungsfall in Anspruch genommen werden. Zudem sind die in der Produkthaftpflichtdeckung angebotenen Serienschadenklauseln weitgehend nicht anwendbar und zeigen keine Risikobegrenzung des Haftpflichtversicheres.

Bei der Umwelthaftpflichtversicherung dagegen können EMF-Schäden einer bestimmten Versicherungsperiode exakt zugeordnet werden, da der Versicherungsfall ab der nachprüfbar ersten Feststellung des Schadens als eingetreten gilt. Fraglich ist jedoch auch hier, ob eine risikobegrenzende Serienschadenklausel Anwendung auf Personenschäden durch EMF findet.

Reduzierung des Risikopotentials

Die obigen Ausführungen verdeutlichen, was für ein unkalkulierbares Risikopotential für Haftpflichtversicherer als Hauptrisikoträger unternehmerischer Haftung aus möglichen Schäden durch EMF besteht. Zur Reduzierung dieses Risikopotentials auf ein überschaubares Maß kommen mehrere Maßnahmen in Betracht. Neben dem absoluten Haftungsausschluss, der am Markt nur schwer durchsetzbar wäre, könnte der Haftpflichtversicherer in seinen Policen Selbstbehalte oder Sublimits für Schäden durch EMF einführen. Ein anderer Ausweg wäre, das EMF-Risiko über die Umwelthaftpflichtversicherung abzudecken. Der entscheidende Vorteil wäre die Zugrundelegung des Feststellungsprinzips für alle EMF-Schäden. Als weitere Alternative kommt eine eigenständige EMF-Police in Betracht, mit der eine auf EMF-Schäden zugeschnittene Bedingungsgestaltung möglich wäre. Abschließend sei noch auf die Möglichkeiten von Risk-Management-Maßnahmen wie Risikosegmentierung, risikotechnische Begutachtung und Einbringen von Warnhinweisen in Gebrauchsanleitungen hingewiesen.

[Forum ►►]

Abschnitt “Hintergrund: Versicherungen und EMF” mit Material von: Brand, Ralph 1998: Elektromagnetische Felder (EMF), Haftpflicht und Haftpflichtversicherung. Karlsruhe, VVW, ISBN 3-88487-755-0

Ing. (grad) Stephan Schall studierte an der Fachhochschule München Nachrichtentechnik. Nach dem Studium war er Ressortredakteur bei den Elektronik-Fachzeitschriften Funk-Technik und Funkschau. 1987 Wechsel in die Industrie als Technischer Redakteur bei Schlumberger Technologies (Entwicklung und Fertigung von funkmesstechnischen Geräten). Seit 1994 selbstständiger Technischer Redakteur.

 

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