Eine Frau im Raum Hoyerswerda ist davon überzeugt, ein 2008 in ihrer Nachbarschaft errichteter Mobilfunksender beeinträchtige sie gesundheitlich. Sie klagt 2011 vor dem Landgericht Bautzen auf Unterlassung, Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Klägerin scheitert, zieht weiter vors Oberlandesgericht Dresden, und unterliegt im März 2013 letztinstanzlich auch dort. Offensichtlich hat sie und ihr Anwalt die Erfolgsaussichten falsch eingeschätzt. Und tatsächlich: Wie aussichtslos die Klage war, legt das OLG Dresden in seiner Urteilsbegründung selbst für Laien weitgehend nachvollziehbar dar (28.03.2013).
Wer wegen gesundheitlich unzumutbarer Nebenwirkungen eines nahe gelegenen Mobilfunksenders vor Gericht klagen möchte, hat denkbar schlechte Karten. Zwar gibt es Medienberichte von Personen, die angeblich schon unter extrem schwachen Funkfeldern eines Mobilfunksenders leiden sollen, doch gelang es bislang weltweit keinem einzigen “Elektrosensiblen”, seine subjektiv empfundene Notlage nach den strengen Maßstäben der Wissenschaft objektiv unter Beweis zu stellen. Damit fehlt Klagefreudigen die entscheidende Stütze (Glaubwürdigkeit) für eine Klage aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigung.
Unter Blinden ist der Einäugige “Experte”
Dennoch kommt es vereinzelt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen angeblicher Gesundheitsbeschwerden. So klagte ein Mann aus Rheinland-Pfalz sich ab 2000 durch alle Instanzen bis vor den Europäischen Gerichtshof, ohne auch nur ein einziges mal zu obsiegen. Zuletzt unterlag er 2007. Als ob nichts Derartiges geschehen sei, startete nur ein Jahr später die jetzt vor dem OLG Dresden unterlegene “Elektrosensible” vor dem Verwaltungsgericht Dresden ihre Klagestaffel gegen den streitgegenständlichen Mobilfunksender. Ob sie dies gegen den Rat ihres Anwalts tat, oder dieser sie zur Klage ermutigte, ist nicht bekannt. Bekannt ist jedoch: Nicht alle Anwälte beraten ausschließlich zum Wohle ihrer Klienten und in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen muss der Unterlegene nicht nur die eigenen Anwaltskosten tragen, sondern auch die seines Prozessgegners.
Da können bei mehreren Instanzen stattliche Summen zustande kommen. Warum es die Frau aus Ostsachsen dennoch wagte, trotz schlechten Karten den Klageweg zu beschreiten, ist unklar. Wahrscheinlich ist jedoch, sie ließ sich von organisierten Mobilfunkgegnern dazu verleiten. Etwa durch einen pensionierten Verwaltungsrichter, der vor Publikum als Experte für rechtliche Grundsatzfragen auftritt. Doch der Mann versteht die technischen Gesetzmäßigkeiten des Mobilfunks nicht, und deshalb äußert er eigenwillige Auffassungen zu dieser Technik, die ein tiefes physikalisches Unverständnis der Sachlage belegen. Und auch seine Rechtsauffassung ist zuweilen befremdlich. So ist es für den Juristen illegal, wenn Mobilfunkanbieter mit ihren Sendern in Privatwohnungen einstrahlen, um die “Indoorversorgung” der Bevölkerung mit Mobilfunkdiensten zu gewährleisten. Jedoch: Dieser Rechtsauffassung stehen das Telekommunikationsgesetz TKG, dort speziell §61, und die Mobilfunk-Lizenzvergabebedingungen der BNetzA breitbeinig im Wege. Trotzdem gelang es dem Ex-Verwaltungsrichter, bei der Frau aus Sachsen zu punkten. Sie griff seine verschrobene Rechtsauffassung auf und behauptete in ihrer Klageschrift, eine "Indoorversorgung" ihrer Wohnung gegen ihren Willen sei schon formal-rechtlich nicht zulässig. Die Richter in Dresden straften diese unqualifizierte Einlassung in ihrer Urteilsbegründung mit völliger Nichtbeachtung ab.
Verführt von organisierten Mobilfunkgegnern
Thermische und athermische EffekteAuszug aus dem Urteil: “Das Landgericht ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch zutreffend davon ausgegangen, dass die 26. BImSchV thermische und athermische Effekte elektromagnetischer Felder berücksichtigt. Dies hat der Bundesgerichtshof [...] ausdrücklich herausgestellt und damit begründet, dass die Verordnung nicht zwischen diesen beiden Auswirkungen unterscheide, sondern [...] generelle Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit oder Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen stelle.” |
Nachfolgend nun der Volltext des Urteils (Aktenzeichen: 9 U 1265/12), wie es das OLG Dresden am 19.03.2013 verkündet hat. Der Text wurde anonymisiert, d. h. Namen von Personen und Schauplätzen wurden entfernt.
IM NAMEN DES VOLKES In dem Rechtsstreit A. L., - Klägerin und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXXXXXXXX gegen T. GmbH & Co. OHG, vertreten durch die Gesellschafter XXXXXXXX - Beklagte und Berufungsbeklagte - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXXXXXXXX wegen Forderung hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., Richterin am Oberlandesgericht L. und Richter am Oberlandesgericht M.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2013 für Recht erkannt:
Beschluss Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 133.143,47 € festgesetzt. Gründe I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten wegen des Betriebes einer Mobilfunksendeanlage Schadenersatz und Schmerzensgeld, die Feststellung über die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger materieller und immaterieller Schäden sowie die Unterlassung elektromagnetischer Strahlung. Die Beklagte betreibt auf dem Grundstück … in … …, Flurstück …, seit Dezember 2008 eine Mobilfunksendestation. Ausweislich der erteilten Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 18.06.2007 erfüllt die Sendeanlage die Anforderungen der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV). In unmittelbarer Umgebung der Wohnung der Klägerin befinden sich mindestens drei weitere Funkanlagen, die zum Teil weniger als 200 m entfernt liegen. Bereits im Vorfeld des hiesigen Verfahrens erhob die Klägerin gegen die der Beklagten erteilten Baugenehmigung vom 04.11.2008 Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden. Das Verwaltungsgericht Dresden wies die Klage mit Urteil vom 19.08.2009 (Bl. 273 ff) ab. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22.02.2011 (Bl. 280 ff =B11) ab. Das Sächsische OVG bezog insoweit ausführlich zu der Frage des Immissionsschutzes Stellung und stellte fest, dass die erteilte Baugenehmigung und mithin auch der Betrieb der Mobilfunkstation der Beklagten die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat behauptet, ihre Wohnung liege direkt im Strahlungsfeld der Mobilfunkanlage. Seit deren Inbetriebnahme im Dezember 2008 sei es für sie nahezu unmöglich, beschwerdefrei zu leben. Ihre Wohnung sei für sie praktisch nicht mehr nutzbar. Aufgrund der elektromagnetischen Strahlung sei sie arbeitsunfähig geworden. Daher sei ihr die Beklagte zum Schadenersatz, zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 10.000,00 EUR sowie zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die elektromagnetischen Felder seien als unwesentlich anzusehen, da die entsprechenden Grenzwerte bei Weitem unterschritten würden. Darüber hinaus habe die Klägerin ihre angeblichen Schäden nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Im Übrigen wird zum unstreitigen Sachverhalt, dem streitigen Vortrag sowie der Antragstellung der Parteien in erster Instanz auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.06.2012 mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin von der Beklagten weder Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld noch die Unterlassung elektromagnetischer Abstrahlung verlangen könne, weil sie die von der Mobilfunkanlage der Beklagten ausgehenden elektromagnetischen Felder nach § 906 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB entschädigungslos dulden müsse. Umstände, die dem im vorliegenden Fall einschlägigen Tatbestand des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB die Indizwirkung nähmen, habe die Klägerin nicht dargetan. Gegen das ihr am 05.07.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 02.08.2012 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 05.09.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie ist der Ansicht, die von der 26. BImSchV vorgegebenen Grenzwerte seien aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse als inzwischen überholt anzusehen. Darüber hinaus meint sie, es sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Mobilfunksendeanlage die Grenzwerte nach der 26. BImSchV einhalte. Auch sei die sog. "Indoorversorgung" ihrer Wohnung gegen ihren Willen schon formal-rechtlich nicht zulässig. Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die elektromagnetischen Felder als unwesentlich anzusehen seien, da diese die entsprechenden Grenzwerte bei weitem unterschritten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil, die zu den Akten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug. II. Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten weder Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld noch die Unterlassung elektromagnetischer Abstrahlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog verlangen. Denn sie muss den Betrieb der von der Beklagten betriebenen Mobilfunksendeanlage dulden, weil sie durch die von dort ausgehende Strahlung nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB muss der Eigentümer eines Grundstückes die Zuführung unwägbarer Stoffe dulden, sofern von dieser keine oder nur unwesentliche Beeinträchtigungen ausgehen. Bei Immissionen durch elektromagnetische Felder handelt es sich insoweit um "ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB (BGH NJW 2004, 1317, 1318). Diese Einwirkungen sind im vorliegenden Fall unwesentlich und deshalb von der Klägerin zu dulden. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 120, 239, 255; 121, 248, 255; 148, 261, 264), der der Senat folgt, von dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und davon ab, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Bei der vorzunehmenden Wertung ist allerdings auch § 906 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten. Danach liegt in der Regel eine unwesentliche Beeinträchtigung vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgestellten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Das ist hier der Fall. 1. Die streitgegenständliche Mobilfunksendeanlage erfüllt die Anforderungen der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV). Dies ist - worauf das Landgericht zu Recht hinweist - zumindest für die Aufnahme des Sendebetriebs im Dezember 2008 durch die Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 18.06.2007 belegt. Dass die Sendeanlage die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte in der Folgezeit nicht eingehalten habe, hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt konkret behauptet. Vielmehr ist sie dem Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 26.04.2012 (dort S. 4, Bl. 268), wonach die aktuellen Grenzwerte der 26. BImSchV unstrittig eingehalten seien, nicht weiter entgegengetreten. Auch in ihrem Berufungsvortrag lässt die Klägerin - wenngleich sie sich grundsätzlich gegen die Annahme des Landgerichts wendet, dass die Sendeanlage die Anforderungen der 26. BImSchV erfüllt - letztlich wiederum offen, ob die Grenzwerte tatsächlich überschritten sind. Dementsprechend hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2013 wiederum nur die Möglichkeit angedeutet, dass die Sendeanlage nach Erteilung der Standortbescheinigung fehlerhaft gewesen sein könnte. Soweit die Beklagte daraufhin entgegnet hat, die Sendeanlage werde laufend kontrolliert und entsprechende Warnungen kämen automatisch, hat dies die Klägerin zwar bestritten; dass die Sendeanlage die zulässigen Grenzwerte überschritten hat, hat sie aber auch in diesem Zusammenhang nicht konkret behauptet. Damit ist davon auszugehen, dass die von der Mobilfunksendeanlage ausgehenden Immissionen sich innerhalb der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte bewegen. Die Einhaltung der Grenzwerte wirkt sich auf die Darlegungslast aus. Grundsätzlich liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung beim Störer, hier also bei der Beklagten. Allerdings indiziert die Einhaltung der in § 906 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB genannten Grenzwerte die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung, wenngleich insofern keine Umkehr der Beweislast stattfindet (BGH a.a.O.). Der beeinträchtigte Nachbar hat damit besondere Umstände des Einzelfalls darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen, die diese Indizwirkung erschüttern (BGHZ 148, 261, 265; vgl. auch die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 12/7425, S. 28). Gelingt ihm dies nicht, ist der Beweis der Unwesentlichkeit als geführt anzusehen. Hierin kommt eine Risikoverschiebung durch den Gesetzgeber gerade für die Fälle zum Ausdruck, in denen eine wesentliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann (BGH NJW 2004, 1317, 1318). 2. Da nach den vorstehenden Ausführungen die Grenzwerte unstreitig eingehalten wurden, wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen darzulegen und zu beweisen, dass ein wissenschaftlich begründeter Zweifel an der Richtigkeit der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte besteht und ein fundierter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Felder unterhalb dieser Werte erhoben werden kann. a) Soweit die Klägerin insoweit einen Verstoß gegen das Gebot Gewährung rechtlichen Gehörs darin begründet sieht, dass das Landgericht ihr keinen Hinweis dahin gegeben habe, ihr Vortrag reiche zur Widerlegung der Grenzwerte nicht aus, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, sie habe zu dieser entscheidungserheblichen Frage bereits in der Klageerwiderung vom 16.02.2012 unter wörtlicher Zitierung der einschlägigen BGH-Entscheidung ausgeführt. Eines weiteren Hinweises durch das Landgericht bedurfte es insoweit nicht. Im übrigen hatte die Klägerin im Berufungsrechtszug hinreichend Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens. b) Das Landgericht ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch zutreffend davon ausgegangen, dass die 26. BImSchV thermische und athermische Effekte elektromagnetischer Felder berücksichtigt. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.02.2004 (NJW 2004, 1317, 1318) ausdrücklich herausgestellt und damit begründet, dass die Verordnung nicht zwischen diesen beiden Auswirkungen unterscheide, sondern - wie sich dies aus § 1 Abs. 1 BImSchV ergebe - generelle Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit oder Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen stelle. Das trifft zu. Im Einklang mit den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, BauR 2002, 1222 f) zur Verfassungsmäßigkeit der 26. BImSchV hätten Wissenschaft und Forschung bislang keinen Nachweis erbracht, dass athermische Effekte elektromagnetischer Felder unterhalb der in der 26. BImSchV gezogenen Grenzwerte zu gesundheitlichen Schäden führen können (BGH a.a.O.). c) Entgegen der Auffassung der Klägerin obliegt es dem Senat nicht - ebenso wenig wie der Vorinstanz -, die Richtigkeit dieser und weiterer Annahmen des Verordnungsgebers, die den Grenzwerten der Verordnung zugrunde liegen, zu prüfen. Die in den Grenzwerten zum Ausdruck gekommene Wertung bindet die Zivilgerichte (BVerfG NJW 1997, 2509; BauR 2002, 1222 ff.), so dass diese sie nicht auf dem Umweg des privaten Immissionsschutzes in Frage stellen dürfen; eine eigene generelle Risikobewertung steht ihnen nicht zu (BGH NJW 2004, 1317, 1318). Die Grenzwerte der Verordnung könnten allenfalls dann wegen eines Verstoßes gegen die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgende Schutzpflicht unbeachtlich sein und als Anknüpfungspunkt für die Unwesentlichkeitsvermutung des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen, wenn ihre Untragbarkeit evident wäre (BVerfG BauR 2002, 1222 ff.). Dabei ist zu beachten, dass der Verordnungsgeber bei der Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich hat. Die Schutzpflicht ist erst dann verletzt, wenn entweder überhaupt keine Schutzvorkehrung getroffen oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (BVerfG a.a.O.). Die geltenden Grenzwerte könnten also nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn evident erkennbar wäre, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Davon kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG a.a.O.). Die von der Klägerin in den Prozess eingebrachten Studien und Publikationen erlauben keinen Schluss auf die völlige Unzulänglichkeit der in der Verordnung festgelegten Grenzwerte. Sie belegen allenfalls die Notwendigkeit weiterer, umfangreicher Forschung. Die vom Bundesministerium für Umwelt, Natur und Reaktorsicherheit eingesetzte Strahlenschutzkommission hat in der Stellungnahme aus ihrer 250. Sitzung vom 29./30.09.2011 (Anlage B13, Bl. 295 ff d.A.) festgehalten, dass der Betrieb von Mobilfunksendestationen in den Grenzen der Werte der 26. BImSchV (vgl. Bl.5 des Berichts, Bl. 299 d.A.) nicht zu einer Erhöhung des Krebsrisikos, zu einer Veränderung des Schlafverhaltens und anderer neurophysiologischer Prozesse und zu Einflüssen auf das Blut und das Immunsystem führt. Weiter heisst es in dem Bericht , dass die Immissionen durch ortsfeste Sendeanlagen in allgemein zugänglichen Bereichen bezüglich der Grenzwertausschöpfung maximal einstellige Prozentwerte erreichen, während durch körpernah oder im Körperkontakt betriebene Endgeräte Expositionen festzustellen sind, die die zulässigen Basisgrenzwerte zu mehreren zehn Prozent ausschöpfen können (Anlage B 13, S. 46). Zwar bestehe (auch) hinsichtlich der Immissionen durch ortsfeste Sendeanlagen noch weiterer Forschungsbedarf; ursprüngliche Befürchtungen über gesundheitliche Risiken konnten jedoch nicht bestätigt werden (Anlage B 13, S. 44). Zum gleichen Ergebnis kommt das Schweizerisches Bundesamt für Umwelt (BAFU) ausweislich seiner Medieninformation vom 12.05.2011 (Anlage BK 4, dort Nr. 4). Soweit dort auf Effekte verwiesen wird, die es nach bisherigem Verständnis eigentlich nicht hätte geben dürfen, unterstreicht dies lediglich erneut, dass weiterhin Klärungsbedarf besteht. Nichts anderes entnimmt der Senat den weiteren von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, denen keine Erkenntnisse zu entnehmen sind, die sich so weit verdichtet hätten, dass der Verordnungsgeber sich zu einer Korrektur der Grenzwerte hätte veranlasst sehen müssen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der gegenwärtigen Sachlage keine Rede davon sein kann, dass die in der 26. BImSchV niedergelegten Werte sich so weit vom gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Forschung entfernt hätten, das sie schlechterdings keine Geltung mehr beanspruchen könnten (vgl. auch Beschluss des Sächsischen OVG vom 22.02.2011, Az.: 1 A 507/09, Bl. 280, 283, m.w.N.). 3. Damit erweist sich die Berufung der Klägerin als nicht begründet. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO waren das angegriffene Urteil des Landgerichts und das Urteil des Senats ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe, die es nach § 543 Abs. 2 ZPO erfordert hätten, die Revision zuzulassen, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. |
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