Wer sich einer klinischen Magnetresonanztomographie (MRT) unterziehen muss, den durchfluten in der Röhre eines Magnetresonanztomographen starke Magnetfelder mit Flussdichten bis zu 3 T (Tesla). Fast 12 T sind es in den derzeit stärksten Tomographen der Forschung an Menschen. Wissenschaftler tasten sich aus gutem Grund langsam nach oben, denn je höher die Flussdichte, desto detailschärfer sind die Bilder. Auch die Stromleitungen unseres Haushaltsstroms sind bei Stromfluss von einem Magnetfeld umhüllt, im Vergleich zur MRT erreicht die Flussdichte jedoch nur Millionstel Tesla (Mikrotesla). Viel mehr ist auch nicht zulässig, denn ein Grenzwert deckelt diese Immission auf derzeit 100 Mikrotesla. Auf Laien muss die gewaltige Diskrepanz der Werte verstörend wirken – dabei steht die Erklärung auf wissenschaftlich festen Beinen (24.12.2012).
von Dr. Giulia Ratto
Grundsätzlich ist zur Diskrepanz der zulässigen magnetischen Flussdichte von Haushaltsstrom (100 µT) gegenüber den starken Magnetfeldern von Magnetresonanztomographen (bis zu 12 T) festzustellen, dass ein Vergleich dieser Werte unzulässig ist. Denn Haushaltsstrom verursacht niederfrequente Magnetfelder, wogegen sich die Angabe der magnetischen Flussdichte bei MRT-Geräten auf das statische Magnetfeld bezieht (während einer Untersuchung im MRT werden zusätzlich Gradientenfelder und hochfrequente elektromagnetische Felder zugeschaltet). Unzulässig ist der Vergleich, weil es für statische Felder und Wechselfelder unterschiedliche Wirkmechanismen gibt.
Unter 16 ⅔ Hz gibt es erst zukünftig Grenzwerte
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Biologische Wirkung starker magnetischer Wechselfelder
Das menschliche Nervensystem kann durch magnetische Wechselfelder gereizt werden, wenn die Felder im Körper elektrische Spannungen induzieren (die ihrerseits zu einem Stromfluss führen). Die Netzhaut und das zentrale Nervensystem sind bei Frequenzen zwischen 16 Hz und 25 Hz am empfindlichsten, mit steigender und auch mit sinkender Frequenz nimmt diese Empfindlichkeit schnell ab (Fenstereffekt). Grundlage der Bewertung sind Magnetophosphene (visuelle Sinnestäuschungen), die in der Netzhaut entstehen und bei 20-Hz-Wechselfeldern ab etwa 5 mT Flussdichte beobachtet wurden. Das periphere Nervensystem ist weniger empfindlich, der empfindlichste Frequenzbereich liegt hier bei höheren Frequenzen. Noch unempfindlicher reagieren Muskelzellen.
Die Schwellenwerte all dieser Effekte hat ICNIRP als Grundlage für die Grenzwertempfehlung genommen. Von den experimentell ermittelten Schwellenwerten wurden sogenannte Basisgrenzwerte abgeleitet. Diese benennen im Körper induzierte elektrische Felder und werden daher als elektrische Feldstärke mit der Einheit V/m angegeben. Feldstärken in Organismen lassen sich jedoch nur mit großem Aufwand messen. Aus den Basisgrenzwerten wurden deshalb mit konservativen Methoden einfach zu messende “Referenzwerte” berechnet, die eine Einhaltung der Basisgrenzwerte unter allen Umständen garantieren. Anders gesagt: Begibt sich ein Mensch in ein 50-Hz-Magnetfeld, das messtechnisch auf 100 µT beziffert wurde, werden die Basisgrenzwerte an keiner Stelle im Körper erreicht.
Die Grenzwerte (Referenzwerte) sind frequenzabhängig und sie enthalten für die Allgemeinbevölkerung einen Sicherheitsfaktor von 5. Für beruflich exponierte Personen entfällt dieser Sicherheitsfaktor. Begründet wird dies damit, dass es sich bei beruflich Exponierten in aller Regel um gesunde Erwachsene handelt, die im Mittel höchstens acht Stunden täglich exponiert sind. Unter diesen Umständen entfällt der zusätzlichen Schutz für Kinder und Kranke, die täglich bis zu 24 Stunden exponiert sein können und möglicherweise auch empfindlicher reagieren.
Effekte: Ja. Schädliche Effekte: Nein
Hochfeld-MRT mit 9,4 TMRT wird in der medizinischen Diagnostik für hochaufgelöste Bilder von Weichteilstrukturen wie Gehirn, Knorpel, Herz und weiteren inneren Organen verwendet. Je höher die magnetische Flussdichte, umso besser die Auflösung. Ein Hochfeld-MRT-System mit 9,4 T kann Unterschiede in Gewebestrukturen unterhalb eines Millimeters darstellen. Weltweit gibt es nur drei solche Geräte. Am Hochfeld-Magnetresonanzzentrum des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik wurden kürzlich zum ersten Mal Patienten mit einem Gehirntumor am 9,4-T-MRT untersucht. Neben hochauflösenden Bildern ist die Darstellung der Stoffwechselprodukte innerhalb des Gehirntumors möglich. Diese können entsprechend ihrer charakteristischen Verteilung Aufschluss über den vorliegenden Tumortyp geben. Die mit 9,4 T aufgenommenen Bilder des Tumors und der umliegenden gesunden Gehirnregionen zeigen Details, die bei niedrigeren Flussdichten nicht dargestellt werden können. Damit ist die gezieltere Behandlung von Patienten möglich. Mit Hilfe der MRT lassen sich Tumor und Therapieerfolg auch längerfristig beobachten. |
Biologische Wirkung starker statischer Magnetfelder
Eine Sonderrolle spielen statische Magnetfelder, wenn in ihnen eine Bewegung stattfindet. Denn Wechselfelder werden im Körper selbst dann schon induziert, wenn sich eine Person im Gradienten eines statischen Magnetfeldes nur bewegt! Betroffen davon sind z .B. das medizinische Personal von MRT-Geräten oder Patienten, die zu schnell in die Röhre geschoben werden. Der biologische Effekt sind wieder Magnetophosphene, metallischer Geschmack, manchmal akustische Wahrnehmungen, Schwindel, Übelkeit. Alle Symptome klingen sofort ab sobald man aus dem Feld heraus ist, dauerhafte gesundheitliche Konsequenzen gibt es keine.
Homogene statische Magnetfelder wirken völlig anders als Wechselfelder: Sie üben lediglich Kräfte aus, und auch diese nur auf magnetisierbare Metalle und auf sich bewegende elektrisch geladene Teilchen. Die Kräfte auf die Metalle können jedoch erheblich sein, und bereits ab 30 mT gefahrbringend wirken: Versuchen Sie nie eine Geldmünze oder einen Kugelschreiber in den MRT-Raum mitzunehmen, denn beides fliegt Ihnen dort regelrecht um die Ohren. Dieses Problem betrifft auch einige Implantate, ansonsten enthält der menschliche Körper keine magnetisierbaren Metalle.
Anders verhält es sich mit bewegten elektrisch geladenen Teilchen. Denn dazu gehören auch die roten Blutkörperchen, sie enthalten im Hämoglobin Eisenionen. Auch wenn ein Patient völlig unbewegt im homogenen statischen Feld liegt, sein Blut fließt und die beschriebenen Kräfte können den Blutfluss in der Aorta verlangsamen. Dieser Effekt, er ist bereits ab 0,1 T im EKG sichtbar, verändert geringfügig den Blutdruck. Bei Herzkranken ist daher im MRT Vorsicht geboten. In kleineren Blutgefäßen ist der Effekt schwächer, da die Kräfte von der Menge der geladenen Teilchen abhängen. Man geht davon aus, dass der Einfluss auf den Blutfluss in der Aorta und im Herz erst weit oberhalb von 10 T gefährlich werden könnte. Die Wirkung auf die Eisenionen im Blut gilt grundsätzlich auch für Kationen und Anionen, die sich durch Ionenkanäle z.B. in Muskel- oder Nervenzellen bewegen. Doch sind hier die Mengen gering und konkrete Berichte von Wirkungen sind nicht bekannt.
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Aber: Für Patienten gibt es keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Der Arzt muss das Risiko mit dem potentiellen Nutzen vergleichen, den Patienten aufklären, und dieser muss letztendlich zustimmen. Wenn jemand Verdacht auf Hirntumor oder Bruch der Nackenwirbelsäule hat, werden die durchaus unangenehmen Begleiterscheinungen vor allem beim Einfahren in die Röhre und beim Ausfahren als kleineres Übel nicht groß stören. Schließlich ist dies nur eine einmalige Aktion, kein dauerhafter Aufenthalt im Feld.
Aktuell werden in der klinischen MRT-Praxis Geräte mit 1,5 T und 3 T verwendet, in der Forschung am Menschen 7 T, 9,4 T und 11,7 T, an Nagetieren bis 14 T. ICNIRP empfiehlt für normale medizinische Untersuchungen maximal 4 T, für Untersuchungen unter kontrollierten Bedingungen maximal 8 T, und mehr als 8 T nur in der Forschung. Wenn Probanden zu Forschungszwecken im MRT untersucht werden, müssen sie aufgeklärt sein und zugestimmt haben, zusätzlich muss auch die Ethikkommission des jeweiligen Landes dem Studiendesign zustimmen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat drei Projekte zu den gesundheitlichen Auswirkungen von MRT-Magnetfeldern gefördert, abgeschlossen wurden diese Projekte 2011. Die Ergebnisse sind im ”Umwelt und Mensch – Informationsdienst (UMID) nachzulesen, wissenschaftlich vorgestellt wurden sie im Oktober 2012 auf dem internationalen Workshop "Biological Effects of Electromagnetic Fields 2012".
Dr. Giulia Ratto ist das Pseudonym einer Wissenschaftlerin, die nicht tatenlos zusehen möchte, wie sich Laien in der Elektrosmog-Diskussion in pseudowissenschaftlichen Debatten abenteuerlich versteigen. Hin und wieder rückt Dr. Ratto deshalb Dinge zurecht, die in der Debatte verrückt wurden, oder drohen, aus dem Ruder zu laufen.
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