Der Freiburger Appell:
Auch in der Neuauflage ohne Substanz

Den Freiburger Appell aus dem Jahr 2002 sollen weltweit mehr als 1000 Ärzte unterschrieben haben. Einen “dramatischen Anstieg schwerer und chronischer Erkrankungen”, sehen die Appellanten und bringen ihn in Zusammenhang mit den elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks. Doch die Unterzeichner irrten: 2009 zeigte eine wissenschaftliche Studie, dass der angebliche Zusammenhang nur ein gefühlter ist, in Wahrheit existiert er nicht. Und auch sonst gibt es keinen vernünftigen Grund, den Appell aus der Vergessenheit zu holen. Dennoch starten jetzt sieben deutsche Ärzte einen neuen Anlauf, mit ungemildert dramatischer Begründung (07.10.12).

"Ein Esoteriker kann in fünf Minuten mehr Unsinn behaupten, als ein Wissenschaftler in seinem ganzen Leben widerlegen kann."
Vince Ebert

“Wir können nicht mehr an ein rein zufälliges Zusammentreffen glauben,” schrieben vor zehn Jahren die Initiatoren des Original Freiburger Appells, “denn zu oft beobachten wir eine auffällige Häufung bestimmter Krankheiten in entsprechend funkbelasteten Gebieten oder Wohneinheiten [...].” Etwas zu beobachten und sich Gedanken darüber zu machen ist richtig und nicht zu beanstanden. Nicht legitim ist, mit einer beängstigenden Beobachtung an die Öffentlichkeit zu treten, ohne die eigene Beobachtung zuvor auf Stichhaltigkeit geprüft zu haben. Schließlich weiß jeder, wie trügerisch die eigene Wahrnehmung sein kann. So eine gesellschaftlich verantwortungsbewusste Prüfung auf Stichhaltigkeit der eigenen Beobachtungen aber haben die Initiatoren des Freiburger Appells unterlassen. Dieses Versäumnis wurde erst 2009 nachgeholt, von anderen, nämlich einer Wissenschaftlergruppe um Anja zur Nieden. Die daraus resultierende Studie hat den Titel “Physicians appeals on the dangers of mobile communication – what is the evidence? Assessment of public health data”, was soviel heißt wie: Ärzteappelle zu Gefahren des Mobilfunks - was ist dran? Einschätzung anhand statistischer Gesundheitsdaten.

Gesundheitsstatistiken strafen Freiburger Appell Lügen

Die Gruppe um zur Nieden geht von der plausiblen Hypothese aus, dass sich – wenn die Appellanten richtig beobachtet haben – in den Fallzahlen der relevanten Krankheiten ein klarer Trend nach oben zeigen müsste, der zudem zeitlich in einen Zusammenhang mit der massenhaften Nutzung von Mobiltelefonen zu bringen ist. Die Krankheiten, deren Fallzahlen sich die Wissenschaftler dann genauer ansahen sind Alzheimer, Demenz, Schlafstörungen, Tinnitus, Herzerkrankungen, Kopfschmerzen und Migräne. Dazu wurden die Fallzahlen pro Jahr analysiert, beginnend 1993 bis mindestens 2005. In diesen zwölf Jahren schaffte der digitale Mobilfunk in Deutschland eine Penetration von Null auf rund 100 Prozent. Quelle der Fallzahlen waren mehrere medizinische Datenbanken in Europa und den USA, unter anderem “Pubmed”.

Bild 1 - Sterberate wegen ischämischer Herzerkrankungen - Entwicklung von 1993 bis 2006 in Deutschland für 15- bis 44-JährigeDas Ergebnis der Analyse ist für die Appellanten wenig schmeichelhaft: Bei keiner der analysierten Erkrankungen zeigte sich ab 1993 ein “dramatischer Anstieg”, wie es einem der Freiburger Appell glauben machen möchte! Zwar schränken die Studienautoren ein, die direkte Vergleichbarkeit der recherchierten Fallzahlen unterläge wegen national unterschiedlicher Terminologie und Diagnosen einer gewissen Unsicherheit, doch gäbe es selbst unter deren Miteinbeziehung keinen Zusammenhang zwischen den Krankheitsentwicklungen und der Verbreitung des Mobilfunks zu berichten, erst recht keinen “dramatischen”.

Freiburger Appell exemplarisch bei Herzerkrankungen widerlegt

Wie schief das Bild ist, das der Freiburger Appell zeichnet, zeigt exemplarisch die Entwicklung der Sterberate aufgrund ischämischer Herzerkrankungen (Durchblutungsstörungen, siehe Bild 1). Gemäß der Grafik nahmen diese im Beobachtungszeitraum von 1993 bis 2006 nicht etwa sprunghaft zu, sondern deutlich ab. Mit in die Grafik eingetragen (als stetig ansteigende Kurve) ist die Anzahl der GSM-Basisstationen in Deutschland. Da mit deren Zunahme die Sterberate bei den Herzerkrankung sinkt, belegen diese Zahlen eher eine Heilwirkung des Mobilfunks, denn eine Schadwirkung. Tatsächlich trifft auch diese Heilwirkung natürlich nicht zu, denn der vermeintliche Zusammenhang ist nur zufällig, es gibt kein seriöses Wirkmodell, das eine wie immer auch geartete Auswirkung schwacher Funkfelder auf den Herzmuskel erklären könnte.

Die Grafik berücksichtigt auch die Behauptung des Freiburger Appells, “immer jüngere Menschen” seien betroffen. Denn dort die gezeigten Sterbezahlen sind bereits gefiltert, sie gelten für 15- bis 44-Jährige in Deutschland. Liegt vielleicht ein nationale Resistenz vor? Nein, denn die Wissenschaftler haben sich auch die Sterbezahlen in Finnland, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden Spanien und Großbritannien angesehen und sind auf ähnliche Werte gestoßen. Bild 2 - Inzidenzrate für Herzinfarkte  - gültig für Region Augsburg, Zeitraum 1993 bis 2007 für 25- bis 54-JährigeAuch in den USA konnten Sie keinen Anstieg finden. Im Gegenteil, sie fanden diverse Arbeiten, die von einem Rückgang der Sterberate in England, Wales und den USA berichten.

Ein Einwand könnte jetzt lauten, die Sterberate würde nur wegen des medizinischen Fortschritts sinken, die maßgebende Größe wäre deshalb die Inzidenzrate, also die normierte Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr. Doch auch dies hat die Gruppe um Anja zur Nieden geprüft (Bild 2). Ausgewertet wurden dazu die Herzinfarkte im Raum Augsburg im Zeitraum von 1993 bis 2007 für 25- bis 54-Jährige. Die Grafik zeigt das Ergebnis als Inzidenzrate bezogen auf 100’000 Menschen. Ein Trend ist nicht auszumachen, weder zum Schlechten noch zum Guten.

Internationaler Ärzteappell 2012: unnötig und schädlich

Die Einwände gegen die Neuauflage des Freiburger Appells (Internationaler Ärzteappell 2012) erschöpfen sich nicht in der wissenschaftlichen Widerlegung der schon im Original getroffenen Behauptungen, es gibt noch eine ganze Reihe anderer Kritikpunkte, die die Existenzberechtigung dieser Neuauflage infrage stellen:

Befangene Initiatoren: Die sieben Initiatoren des “Internationalen Ärzteappells 2012” sind ausnahmslos Ärzte, die sich seit vielen Jahren gegen Mobilfunk aussprechen und dazu den aktuellen Forschungsstand ausschließlich selektiv alarmierend interpretieren (Beleg). Befremdliche Beispiele geben Zeugnis von der Selbstüberschätzung einiger Initiatoren: So warnten zwei von ihnen 2009 allen Ernstes US-Präsident Obama eindringlich vor der Einführung des Digitalfernsehens (Beleg), ein anderer musste 2007 nach einer Abmahnung wegen haltloser Behauptungen zurückrudern (Beleg). Alle Sieben ignorieren, dass Wissenschaft ein kumulativer Prozess ist, der in bislang offen gewesenen Fragen über biologisch unerwünschte Nebenwirkungen des Mobilfunks weitgehend Entwarnung gibt. Wenn überhaupt, geht schlimmstenfalls von exzessiv und lang andauernd körpernah betriebener Funktechnik (Mobiltelefone) ein Risiko aus, nicht von den nur schwach ankommenden Funkfeldern der Sendemasten. Das Risiko körpernaher Exposition wird gegenwärtig im Rahmen einer großen Langzeitstudie (Cosmos) untersucht. Beweise für eine Schadwirkung von Mobiltelefonen gibt es gegenwärtig keine.

Kommerzielle Interessen: Mit der Angst vor Funkwellen lassen sich gute Geschäfte machen, die unterschiedlichsten Branchen profitieren davon (Esoterik, Baubiologie, Fertighausanbieter, Alternativmediziner, Messgerätehersteller ... Beleg). Einer der Initiatoren wird als Behandler im Ärztepersonal einer sogenannten Funklochklinik in Brasilien geführt (Beleg), betrieben von deutschen Alternativmedizinern, die teils ohne Scheu auch Nähe zu Geistheilern zeigen - Beleg). Dort sollen sich überzeugte “Elektrosensible” als Privatpatienten in funkfreier Umgebung erholen können. Überzeugt müssen Elektrosensible von ihrer unerwünschten Fähigkeit, Elektrosmog zu spüren, deshalb sein, weil es weltweit in mehr als 60 wissenschaftlichen Studien nicht gelungen ist (Rubin et al.), auch nur einen einzigen “Elektrosensiblen” zu finden, der unter wissenschaftlicher Aufsicht seine behauptete Feldwahrnehmung nachweisen konnte.

Nur eine Handvoll Elektrosmog-Betroffene: Glaubt man den Bekundungen von Anti-Mobilfunk-Vereinen oder dieser Szene verbundenen Ärzten, gibt es eine große Anzahl Betroffener, die überdies ständig größer wird. Die nackten Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache: Im 8-Mio.-Einwohner-Land Schweiz haben sich während einer 2 1/2 Jahre dauernden Feldstudie nur 155 Personen wegen angeblicher Elektrosmogbeschwerden bei einer unentgeltlich arbeitenden Beratungsstelle gemeldet (Beleg). Davon konnten lediglich 49 Personen erfolgreich an einen Arzt zur Behandlung vermittelt werden! Andere Indikatoren, die konkret Anhaltspunkte über die Anzahl “Elektrosmog-Betroffener” geben (keine Hochrechnungen, sondern z.B. Teilnahme an Petitionen), bestätigen durchweg die Einschätzung, dass es sich um sehr wenige Personen handelt, die bemerkenswerterweise mit dem Ausbau der Mobilfunknetze nicht proportional mehr geworden sind (Beleg). Einiges deutet darauf hin, dass “Elektrosensibilität” eine psychische Modekrankheit ist, vergleichbar der Morgellonschen Krankheit (Glaube an Würmer unter der Haut). Andrew Lustig vom Center for Addiction and Mental Health in Toronto schrieb dazu im Fachjournal „Psychosomatics“: „Die Morgellonsche Krankheit ist ein Internet-Phänomen. Durch die vielen öffentlich gemachten Schilderungen von Patienten in den vergangenen paar Jahren sehen wir einen explosiven Anstieg derer, die sich ebenfalls betroffen fühlen – dabei ist der Dermatozoenwahn seit über 300 Jahren bekannt.“ (Quelle).

Wirkungsloser Freiburger Appell 1.0: Ein Insider aus dem Kreis der Initiatoren berichtet, die gesammelten Unterschriften des Appells wären in Kartons gelagert worden und geraume Zeit habe sich niemand gefunden, der sich der Unterschriftenlisten annehmen wollte. Erst 2005 wurden die Listen gescannt, auf CD gebrannt und an die WHO verschickt (Beleg). Über den Verbleib ist nichts bekannt, eine irgendwie geartete Auswirkung dieses Appells ist nirgendwo zu erkennen, eine Offenlegung der CD (zu Prüfzwecken) fand nicht statt.

Technisch überforderte Ärzte: Was verstehen Ärzte von Mobilfunk und den biologischen Wirkungen elektromagnetischer Felder? Diesen Fragen gingen zwei Forscherteams nach: Norbert Leitgeb und Kollegen stellten im Jahr 2005 in einer Umfrage unter niedergelassenen Ärzten fest, dass ein beachtlicher Prozentsatz der befragten Ärzte in Bezug auf den Mobilfunk Risikoeinschätzungen haben, die im Gegensatz zu Auffassungen der entsprechenden Fachgremien stehen (Leitgeb et al. 2005). Daraus resultiert die Frage: Sind die Ärzte auch hier Experten oder überschreiten sie mit ihrer Risikoeinschätzung ihre Kompetenz? Eine Untersuchung im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms kam 2008 zu ähnlichen Ergebnissen wie Leitgeb (Beleg).

Minimaler Zuspruch: Die Anzahl von 1000 Ärzten, die den Original Freiburger Appell in den Jahren bis 2005 mitgezeichnet haben sollen, wird seit jeher unter Mobilfunkgegnern als großer Erfolg gesehen. Doch was sind schon weltweit 1000 Ärzte: Allein die Kassenärztliche Bundesvereinigung Deutschlands hat gegenwärtig fast 154’000 Mitglieder, einschließlich ermächtigter Ärzte und Psychotherapeuten (Beleg).

Schädliche Wirkkomponente: In der Bevölkerung hat die Meinung von Ärzten noch immer einen hohen Stellenwert. Solange es sich um fachlich fundierte Meinungen handelt, lässt sich dagegen nichts einwenden. Die mit dem Freiburger Appell einhergehende Angstbotschaft, Funkwellen könnten von lästigen Beschwerden bis lebensbedrohlichen Erkrankungen alles auslösen, ist jedoch unverantwortlich, weil wissenschaftlich seriös in keiner Weise belegbar. Labile Menschen können infolge dieser unqualifizierten Angstbotschaft tatsächlich krank werden, Berichte von Elektrosmog-Hysterikern sind zwar selten, aber es gibt sie und die Dunkelziffer ist unbekannt. Im IZgMF-Forum wurde zur Dokumentation solcher gerne übersehenen Opfer überzeugter Mobilfunkgegner eigens ein Strang eingerichtet.

 

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