Sie ist die große Unbekannte in der Mobilfunkdebatte, die Spezifische Absorptionsrate (SAR), die Mutter aller Grenzwerte für Funkfelder beliebiger Art. Mobilfunkkritiker hantieren nur ungern mit SAR-Werten, im Gegensatz zu Feldstärke und Leistungsdichte lassen diese sich nicht mit günstigen Bordmitteln messen, sondern nur mit aufwendigen Algorithmen berechnen oder teuren Laborapparaturen sondieren. Doch nicht selten wird in wissenschaftlichen Studien die Funkfeldbelastung, die Immission, nur als SAR-Wert angegeben. Dann ist guter Rat teuer, denn Außenstehenden fehlt jedes Gefühl dafür, was an elektrischer Feldstärke oder Leistungsdichte erforderlich ist, um einen SAR-Wert von z.B. 1,4 W/kg zu bewirken. Wir haben bei Experten nachgefragt, wie es um die gegenseitige Umrechnung eines SAR-Werts in Feldstärken oder Leistungsdichte steht (11.07.09).
Die Frage lautete: Gibt es irgendeine Tabelle oder ein Diagramm, das eine (näherungsweise) Konversion von SAR-Werten in Feldstärke/Leistungsdichte zulässt?
Von Äpfeln und Birnen: SAR und Leistungsdichte
OrientierungswerteWer seinen gesamten Körper einem grenzwertigen Funkfeld aussetzt (z.B. 10 W/m² UMTS oder 4,5 W/m² GSM-900) erfährt eine SAR von 0,08 W/kg. Wer extrem ungünstig im Hauptstrahl einer Sendeantenne lebt, erfährt nach Darstellung von Prof. Franz Adlkofer eine SAR von 0,008 W/kg (Quelle). Wer in 100 Meter Abstand zu einer 20-W-Basisstation lebt erfährt eine SAR von 0,00001 W/kg (Quelle). |
Die beiden Studien sind im EMF-Portal gelistet und weil Effekte gefunden wurden, sind sie auch auf diversen mobilfunkkritischen Alarmseiten anzutreffen, z.B. bei der Bürgerwelle (PDF, 85 KByte). Die Eckdaten der Studien, die Ergebnisse und insbesondere die Feldparameter nennt schön aufs Wesentliche komprimiert aber nur das EMF-Portal:
So weit, so gut. Ein paar Jahre später (2007) wurden nun diese beiden Studien von einem anderen Wissenschaftler repliziert, also wiederholt. Da diesmal keine Effekte auf die Gedächtnisleistung der Probanden beobachtet werden konnten findet sich diese Studie auf keiner der mobilfunkkritischen Alarmseiten, sondern allein im EMF-Portal:
Wer nun diese Replikation mit einem der Originale vergleichen möchte, z.B. um zu prüfen, ob denn alles mit rechten Dingen zugegangen ist, der wird so schnell nicht ans Ziel kommen. Ihm stehen die Feldparameter der Replikation im Wege, denn diese benennen keine Leistungsdichte, sondern – gemeinerweise – einen SAR-Wert von 1,4 W/kg (Mittelwert).
Und nun?
Eine Universal-Umrechnungsformel für die SAR gibt es nicht
Jürgen Bernhardt zum SAR-WertIm Mai 2006 machten wir schon einmal einen Anlauf, dem SAR-Wert beizukommen. Damals fragten wir den ehemaligen ICNIRP-Vorsitzenden Prof. Dr. Jürgen Bernhardt. Er schrieb: Im Gewebe ist die SAR proportional dem Quadrat der inneren Feldstärke und kann aus Labormessungen errechnet werden: SAR = ρ-1 σ E2 wobei ρ die Dichte, und σ die Leitfähigkeit ist. Die SAR hängt ab von
Nur im idealen Fernfeld, d. h. wenn ... S = E • H = E2 / 377 = 377 H2 ... ist bei bekannter Polarisation & Längsachse des Körpers parallel zum E-Vektor, eine eindeutige Beziehung zwischen den Feldgrößen und der SAR im Körper durch die bekannten Absorptionskurven gegeben (z. B. resonante Absorptionsfrequenz bei 70 MHz im ungeerdeten Fall). Die Referenzwerte der ICNIRP-Guidelines für den ganzen Körper sind aus diesem Idealfall abgeleitet. |
Leider besteht tatsächlich kein allgemein anzuwendender einfacher Zusammenhang zwischen der Feldstärke oder Leistungsdichte (auch Leistungsflussdichte) des externen Immissionsfeldes und der Feldstärke des inneren Expositionsfeldes, aus der dann auch die Spezifische Absorptionsrate folgen würde.
Für ein festgelegtes Szenario (also Quelle – Umgebung – biologisches System) gilt zwar immer eine lineare Beziehung zwischen SAR und Leistungsdichte (verdoppelt man die Leistungsdichte, verdoppelt sich auch die SAR), aber die Ermittlung der konkreten SAR-Werte ist meist kompliziert und liefert auch bei gleicher Leistungsdichte für unterschiedliche Szenarien völlig unterschiedliche Ergebnisse.
Für einen Skandal halte ich es, dass die medizinischen Zeitschriften im Jahr 2004 noch Arbeiten ohne eine saubere Dosimetrie akzeptiert haben; die alleinige Angabe von Leistungsdichten – insbesondere bei Humanexperimenten – ist ein Witz.
Bekanntermaßen ist die SAR definiert als die in einem Gewebevolumen absorbierte (d.h. in Wärme umgewandelte) Hochfrequenz-Leistung, geteilt durch die Masse des Volumens (das kann beispielsweise der gesamte Körper oder auch nur ein kleines Gewebestück sein). Die absorbierte Leistung hängt von der im Inneren des biologischen Systems vorliegenden räumlichen Feldstärkeverteilung und vom Volumen ab, sodass die SAR letztlich durch die geometrische Form und die Materialstruktur (Permittivität, Leitfähigkeit und spezifisches Gewicht jedes Gewebeelements) sowie von der Feldstärke oder Leistungsdichte des im Außenraum auf den Körper treffenden Feldes, aber auch von dessen Einfallsrichtung und Orientierung (Polarisation) bestimmt wird.
Nicht von ungefähr werden gute biologische Projekte interdisziplinär durchgeführt, wobei die Feldberechnung und die Dosimetrie von Physikern oder Ingenieuren bearbeitet werden.
Eine Daumenregel für Kopfexposition
Speziell für das Experiment der Kopfexposition eines Menschen kann man durch eine ganz primitive Betrachtung aber wenigstens abschätzen, dass eine Leistungsdichte von 10 mW/m² niemals einen lokalen SAR-Wert von 1,4 W/kg, gemittelt über 10 g Gewebemasse, erzeugen kann: Man stelle sich dazu einen kleinen Würfel vor, der mit 10 g Gewebemasse gefüllt ist und unmittelbar dem als homogen angenommenen Immissionsfeld ausgesetzt wird. Bei einer Füllung mit Hirngewebe (grey matter: rho = 1,04E+3 kg/m3) hat der Würfel eine Kantenlänge von ca. 2,1 cm. Selbst unter der vereinfachenden 'worst case'-Annahme, dass die durch eine Würfelfläche tretende Leistung vollständig im Würfelinneren absorbiert wird - was bei einer Materialleitfähigkeit kappa = 0,94 S/m bei 900 MHz und einer Eindringtiefe von ca. 4,2 cm nicht der Fall ist – errechnet sich unter Berücksichtigung der Oberflächenreflexion (Permittivität epsilon = 52,7) die SAR im Würfel lediglich zu ca. 190 µW/kg und liegt somit um fast vier Größenordnungen unter dem Wert von 1,4 W/kg.
Im realen Fall liegt das Gewebeelement innerhalb des Kopfes, sodass die Dämpfung durch die verschiedenen Gewebeschichten und die "Zerfransung" des Feldes durch die inhomogene Materialstruktur noch für eine deutlich niedrigere lokale Verlustleistung (SAR) sorgen werden.
Soweit die Ausführungen aus dem Kreis der Strahlenschutzkommission.
Weiterführende Informationen
Definition der SAR (Wikipedia)
Technische Hintergrundinformationen zur SAR auf der Site Elektrosmoginfo
Hintergrundinformationen zur SAR, gesammelt von Ralph Kradolfer (Schweiz)
SAR-Handy-Ranglisten von Xonio und Handywerte
Bundesamt für Strahlenschutz zu SAR-Werten von Handys
Kritik des Studienkritikers W. Kuhn an der SAR
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