Weltsozialforum 2005
fordert von WHO Vorsorgemaßnahmen

Da bastelt die WHO in Genf an einem Entwurf für Vorsorgemaßnahmen bei Risikotechnologien wie dem Mobilfunk, fordert öffentlich dazu auf, den Entwurf mit Diskussionsbeiträgen anzureichern – und bekommt prompt Antwort aus dem gut 10 000 km weiter südwestlich an der brasilianischen Küste liegenden Porto Alegre. Des Rätsels Lösung: 2001 wurde von Globalisierungsgegnern eine jährlich stattfindende Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsgipfel gegründet: Das Weltsozialforum. Hier treffen gesellschaftliche Vor-, Quer- und Nachdenker aus aller Herren Länder aufeinander. Diesmal resultierte aus den Diskussionszirkeln neben vielen anderen Proklamationen ein zehn Punkte umfassender Forderungskatalog an die WHO, den Mobilfunk schleunigst ein bisschen gesünder zu machen.

Was heißt hier Weltsozialforum?

Das Weltsozialforum ist eine Plattform für Gruppen und Organisationen, die nach einer besseren Welt streben, in der Menschen und nicht Aktienkurse das Maß aller Dinge sind. Zum WSF 2005 reisten aus Deutschland immerhin Vertreter von 50 Organisationen nach Brasilien (z. B. Attac, Evangelischer Entwicklungsdienst, DGB-Bildungswerk). Mehr zum WSF ist dem deutschen Internetportal zu entnehmen.

Vom 26. bis 31. Januar 2005 fand in Porto Alegre, Brasilien, das fünfte Weltsozialforum statt (World Social Forum, kurz WSF). Zum letzten mal übrigens als zentrale Großveranstaltung, denn mit 155 000 Teilnehmern aus 135 Ländern und mehr als 6 800 Vorträgen hat das Forum Dimensionen erreicht, die eine Aufspaltung in mehrere kleinere Foren als notwendig erscheinen lässt.

Wie der Mobilfunk zum Weltsozialforum fand

Groß Notiz genommen hat hierzulande von der Veranstaltung in Südamerika freilich kaum jemand. Zumal das Thema Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk selbst auf den zweiten Blick nicht mit den Zielen von Globalisierungsgegnern unter einen Hut zu bringen ist. Tatsächlich fanden jedoch etwa 80 Mobilfunkkritiker auf dem WSF 2005 bereits zum zweiten mal zusammen, nach dem Initialtreffen anlässlich des WSF 2003, an dem z. B. auch der in den USA sehr bekannte Mobilfunkkritiker Libby Kelley teilnahm. Dieses Jahr beließen es die Mobilfunkkritiker nicht beim Debattieren, sie arbeiteten vielmehr in einem Seminar gemeinsam einen zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog aus, den sie der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf zustellten. Der Forderungskatalog (siehe unten) entstand keineswegs zufällig, sondern höchst gezielt. Denn im Oktober 2004 legte die WHO den ersten Entwurf für ein “Rahmenprogramm zur Entwicklung von Vorsorgemaßnahmen bei wissenschaftlich ungefestigtem Sachstand” vor – und forderte alle Welt dazu auf, bis Ende Januar 2005 konstuktive Diskussionsbeiträge zu diesem Entwurf bei der WHO einzureichen. Diesen Termin sollte die WSF-Gruppe gerade noch geschafft haben, denn mittlerweile ist das PDF des ersten Entwurfs (267 KByte) von der WHO-Website entfernt worden, mit dem Hinweis, dass derzeit die Überarbeitung stattfindet.

Wer hinter dem Forderungskatalog steckt

Den Veranstaltern zufolge haben 200 000 meist junge Menschen am Eröffnungsmarsch des WSF 2005 durch die Millionenstadt Porto Alegre teilgenommen   Foto: www.nadir.orgWarum sich auf dem WSF 2005 überhaupt eine Gruppe des Themas Mobilfunk angenommen hat erklärte uns Alvaro Augusto A. de Salles, Federal University, Rio Grande do SUL-UFRGS, Porto Alegre. Er ist seit mehr als 30 Jahren mit thematisch verwandter Forschung beschäftigt, er war im Organisationskomitee des WSF 2005 und hat die Aufgabe übernommen, die Resultate des Seminars an interessierte Stellen weiterzuleiten. Nach Auskunft von de Salles ist die Präsenz der Mobilfunkkritiker auf dem Forum unter anderem darauf zurückzuführen, dass Brasilien in der EMF-Forschung gute Leute sitzen habe, in Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen beispielsweise in den Fachgebieten Medizin, Biologie, Technik und Recht. Außerdem gebe es eine starke mobilfunkkritische Protestbewegung, was die passende soziale Komponente zum WSF gewesen sei. Eine der Organisationen, die der Bürgerbewegung zuzuordnen sind, ist laut de Salles die Nicht-Regierungsorganisation Abradecel. Ihre Mitglieder kümmern sich darum, dass bei der Telekommunikationsindustrie und den Netzbetreibern die Gesundheitsbelange der Bevölkerung nicht in Vergessenheit geraten. Abradecel war auch an der Organisation des WSF-Mobilfunkseminars beteiligt. Unter den Referenten des Seminars waren Mediziner, Biologen, Techniker, Rechtsanwälte und Menschenrechtler. Hier einige der Redner: Von Anatel (Federal Agency of Telecommunications) sprach der Bürgerbeauftragte Dr. Aristoteles dos Santos, Rechtsanwalt Dra. Ana Maria Marchesan vertrat das Innenministerium, Dra. Solange Schaffer, ein Sportmediziner, das Arbeitsministerium. Das Umweltamt von Porto Alegre schickte Rechtsanwalt Dr. Beto Moesch, das Gesundheitsamt der Stadt Campinas war mit dem Mediziner Dr. C. E. C. Abrahao vertreten. Von den Bürgerbewegungen Brasiliens sprachen auf dem Seminar unter anderem der Rechtsanwalt Dr. Juarez Pinheiro, der Volkswirtschaftler Dr. Beto Atz und der Mediziner Déa Emilia Andrade. Einige der genannten Personen und Alvaro Augusto A. de Salles zeichnen für den Inhalt des Forderungskatalogs verantwortlich.

Unklar ist derzeit, inwieweit die WHO den Forderungskatalog in der Überarbeitung ihres Entwurfs berücksichtigt. Von Dr. Beto Atz wurden die Forderungen auf jeden Fall schon einmal den Organisatoren des WSF 2005 übermittelt, mit der Bitte, diese auf die Website www.forumsocialmundial.org.br und ebenso ins offizielle Abschlusskommunikee aufzunehmen (12.02.05-de Salles/-ll).

Forderungskatalog des Weltsozialforums 2005

Weltgesundheitsorganisation WHO
Internationales EMF-Projekt
Frau Dr. Emilie van Deventer
Genf, Schweiz

 

Betrifft: Framework to Develop Precautionary Measures in Areas of Scientific Uncertainty (Entwurf vom Oktober 2004) - Rahmenprogramm zur Entwicklung von Vorsorgemaßnahmen bei wissenschaftlich ungefestigtem Sachstand.

Seminar-Brief “Mobilfunk: Wirkung nichtionisierender Strahlung auf die Gesundheit und die Bedeutung der gesellschaftlichen Kontrolle”, freigegeben auf dem 5. Weltsozialforum, abgehalten in Porto Alegre (Brasilien) vom 26. bis 31. Januar 2005

Allgemeiner Diskussionsbeitrag zum Entwurf des WHO-EMF-Programms
über vorsorglichen Bevölkerungsschutz gegenüber Risikotechnologien

Die Seminarteilnehmer sind beunruhigt wegen des Risikos gesundheitsgefährdender Strahlung, die sowohl von Mobilfunk-Basisstationen als auch von Handys ausgeht. Deshalb haben die Seminarteilnehmer eine öffentliche Erklärung verabschiedet, in der sie der WHO folgende Empfehlungen vorschlagen:

  1. In Anbetracht der großen Anzahl wissenschaftlich nachgewiesener intrazellulärer Auswirkungen bei schwacher nichtionisierender Langzeitbestrahlung müssen strengere Grenzwerte eingeführt werden, bezogen auf die ICNIRP-Werte. Anzustreben sind Werte, die dem Schweizer Anlagenwert (ONIR, 814.710 vom 23. Dezember 1999) gleich kommen oder diesen unterschreiten.
  2. Im Hinblick auf die Vorsorge sind kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die das Ziel haben, die Hochfrequenzemissionen von Basisstationen und Handys zu reduzieren. Beide sollten mit geringstmöglicher Strahlungsleistung auskommen, wobei sich die Forderung geringstmöglich daran orientiert, was technisch mit vernünftigem Aufwand machbar ist. Zu beachten sind dabei die maximal zugelassenen Absorptionswerte für Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlicher Anfälligkeit, einschließlich der von Beschäftigten in der Mobilfunkbranche.
  3. Im Zuge des Gesundheits- und Umweltschutzes muss überall dort, wo sich Menschen länger als vier Stunden aufhalten können, der Pegel der nichtionisierenden Strahlung ermittelt und ggf. auf das gleiche Maß gesenkt werden, wie bei den ständig bestrahlten Bevölkerungsgruppen.
  4. Die SAR-Messung an Handys muss bei höchster abgestrahlter Leistung erfolgen und von unabhängigen glaubwürdigen Stellen gemäß international empfohlener Messvorschriften (beispielsweise die von CENELEC oder IEEE) vorgenommen werden. Die verwendete Messvorschrift muss den Messabstand zwischen Antenne und Kopf für jede SAR-Messung verbindlich vorgeben.
  5. Handyhersteller müssen verpflichtet sein, den höchsten SAR-Wert eines Handymodells auf dem Handy, auf der Umverpackung, im Benutzerhandbuch und im Werbematerial zu nennen. Hierbei muss der Messabstand, mit dem die SAR-Messungen ausgeführt wurden, erkennbar sein.
  6. Alle derzeit in Gebrauch befindliche Handymodelle mit einem SAR-Wert oberhalb der empfohlenen Höchstgrenze, müssen von den Herstellern mit einer Rückrufaktion aus dem Verkehr gezogen werden.
  7. Den Handyherstellern ist eine Übergangsfrist mit Schlusstermin zu setzen, innerhalb der sie neue Techniken mit geringerem Gefährdungspotenzial für den Anwender entwickeln müssen.
  8. Mit einer weltweiten Aufklärungskampagne sollte vor dem Gebrauch von Handys durch Kinder, Jugendliche, Schwangere und alte sowie anderweitig anfällige Menschen gewarnt werden.
  9. Werbung für Handys und verwandte Produkte sollte direkt oder indirekt verboten werden, wenn sie auf Kinder und Jugendliche abzielt. Begründen lässt sich dies mit ethischen Grundsätzen des Anzeigenmarketings und mit Warnungen vor den gesundheitlichen Kurzzeit- und Langzeitrisiken bei Handynutzern.
  10. Wie es schon im WHO-Entwurf der Vorsorgemaßnahmen vom Oktober 2004 heißt (PDF, Introduction - Objectives, Seite 6, letzter Absatz, sowie in den Anhängen A und B) müssen in den wissenschaftlichen Fallstudien zusätzliche Gefährdungskriterien berücksichtigt werden (physikalische, chemische oder biologische), deren Zusammenwirken für den menschlichen Organismus schädliche Folgen haben könnten.

Porto Alegre, 29. Januar 2005

 

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