Das von der ödp initiierte Volksbegehren ist gescheitert. Nicht die erforderlichen 10 Prozent der bayerischen Wahlberechtigten, sondern nur 4,4 Prozent haben sich in die in den Rathäusern aufliegenden Listen eingetragen. Während auf der einen Seite die einschlägige Industrie und deren Helfer aus Politik, Medien und Wissenschaft jubilieren, fragt man sich auf der Seite der Mobilfunkkritiker, woran es gelegen hat, dass bei diesem so wichtigen Thema das Ziel so weit verfehlt wurde. Hans Schütz von der mobilfunkkritischen Umweltinitiative Pfaffenwinkel (Bayern) hat dazu folgenden Kommentar geschrieben.
Zunächst einmal sollte man untersuchen, wo das Anliegen des Volksbegehrens, nämlich die Genehmigungspflicht für alle Mobilfunksendeanlagen und den Begriff der Gesundheitsvorsorge beim Thema Mobilfunk im Landesentwicklungsplan zu verankern, erfolgreich war. Die Landtagsabgeordnete Renate Dodell (CSU) führt die Spitzenstellung der oberbayerischen Landkreise Bad Tölz – Wolfratshausen, Garmisch – Partenkirchen und Weilheim – Schongau darauf zurück, dass es dort entsprechende „Aktivisten“ gegeben habe, und damit hat sie, von dem gewollt negativen Beiklang des von ihr gewählten Begriffs einmal abgesehen, durchaus recht. Sehr gute und gute Ergebnisse gab es beim Volksbegehren genau da, wo sich kompetente und aktive Aktionskreise gebildet haben, weil dort die notwendige sachliche Information stattgefunden hat, und somit die unsachliche Gegenpropaganda bei der Bevölkerung nicht so stark verfangen konnte.
Gescheitert ist das Volksbegehren vor allem an drei Problemfeldern
SPD und Grüne in Bayern haben trotz einer Zweidrittelmehrheit der CSU im Landtag immer noch nicht begriffen, dass man in diesem Land unter den gegebenen machtpolitischen Prämissen im Parlament kaum noch Politik mitgestalten kann. Wer tatsächlich politische Veränderungen durchsetzen will, der muss in der derzeitigen Lage auf die verschiedenen Formen der direkten Demokratie zugreifen. Bürgerbegehren und Bürgerentscheide bzw. Volksbegehren und Volksentscheide bieten tatsächliche Mitgestaltungsmöglichkeiten, im Gegensatz zu noch so engagierter Parlamentsarbeit. Dabei muss man bei den sehr hohen Hürden, die den Formen der direkten Demokratie in Bayern auferlegt sind, davon ausgehen, dass erfolgreiche Wege in diesem Bereich nur dann beschritten werden können, wenn es zu breiten Bündnissen aus dem gesamten Spektrum der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition kommt. Nur so kann zum Beispiel ein Volksbegehren die erforderliche Zehnprozentmarke überspringen, wie die im Herbst 2004 gescheiterte Initiative „Aus Liebe zum Wald“ so schmerzlich verdeutlichte. Hier hätte eine landesweit aktive und ihr Klientel aktivierende SPD mit Sicherheit für die fehlenden Prozente sorgen können.
Erschwerend für solche notwendigen Bündnisse kommt noch hinzu, dass den Parteien das eigene Hemd immer noch viel näher ist, als der parteiübergreifende Rock. Man gönnt den anderen keine Erfolge, spart personale und finanzielle Ressourcen für die Wahlkämpfe auf, und freut sich meist noch klammheimlich über das Scheitern der anderen, ohne zu erkennen, dass erfolgreiche Bündnisse auch für eigene Werbung und Profilierung tauglich wären.
2. Inhaltliche Übermittlungsdefizite
Es ist in weiten Teilen des Landes nicht gelungen, den Wählerinnen und Wählern zu verdeutlichen, worum es bei diesem Volksbegehren eigentlich ging. Es ging gerade nicht um die Abschaffung des Handys oder der Mobilfunktechnik an sich. Immer wieder konnte man in Gesprächen zunächst die Meinung vernehmen, man könne beim Volksbegehren nicht unterschreiben, weil man ja selber ein Handynutzer sei. Dabei müsste gerade der Handynutzer, und im besonderen Maße der Vielnutzer, darauf bedacht sein, möglichst wenig Strahlenbelastung abzubekommen, so wie gerade dieser Personenkreis ein besonderes Interesse an alternativen, gesundheitsfreundlicheren Mobilfunktechniken entwickeln müsste. Erschwerend kam sicher auch dazu, dass die Desinformationspropaganda von Mobilfunkindustrie und Politik in Bayern in der überregionalen Presse und in Verlautbarungen von Ministerien und politischen Organen wie dem Städte- oder Gemeindetag nichts zu einer sachlichen Auseinandersetzung beigetragen, sondern fleißig Fehl- und Falschinformationen über das Volksbegehren und die dahinter stehende Problematik verbreitet haben. Zu beachten ist auch, dass die wohl einzige Möglichkeit den angesprochenen Desinformationen in der Presse zu widersprechen, bei einigen Tageszeitungen schlichtweg nicht gegeben war. Leserbriefe (so auch einer von mir) zum Volksbegehren, bzw. zur Berichterstattung über das Volksbegehren, wurden zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung während der ganzen Eintragungszeit nicht abgedruckt. Dafür gab es nach dem Scheitern einen aufschlussreichen Kommentar des leitenden Redakteurs der Wissenschaftsabteilung dieses angeblich unabhängigen und liberalen Blattes, der in seiner Einseitigkeit und Überheblichkeit nur noch Kopfschütteln hervorrufen konnte.
3. Unwissenheit über die Möglichkeiten der direkten Demokratie
Grundsätzlich muss man leider feststellen, dass es den Wählerinnen und Wählern insgesamt, insbesondere aber der Gruppe der Nichtwähler und der sogenannten Politikverdrossenen, nicht bewusst ist, was man mit den verschiedenen Formen der direkten Demokratie alles erreichen kann. Immer wieder und immer häufiger hört man Aussagen wie, man könne gar nicht mehr wählen, weil die Parteien in Parlamenten sich kaum noch unterscheiden, selbst die Möglichkeit des kleineren Übels gäbe es nicht mehr, die da oben machten ja doch was sie wollen, und das Volk werde so wie so nicht gefragt. Lauthals beklagt man sich vor allem dann, wenn in anderen Ländern, wie zum Beispiel bei der Verabschiedung der europäischen Verfassung, Volksabstimmungen stattfinden, bei uns aber nur die vom Volk gewählten Repräsentanten in den Parlamenten entscheiden.
Über Volks- und Bürgerbegehren hätten die Wählerinnen und Wähler aber die Möglichkeit, genau das zu erreichen, was so oft als dringend notwendig eingefordert wird, nämlich dass der eigentliche Souverän die Entscheidung selber trifft. Kaum jemandem, bis hinein in die politischen Parteien, ist es bewusst, dass es bei den entsprechenden politischen Begehren ja noch gar nicht um die eigentliche Sache geht. Vielmehr wird mit Überschreitung der jeweiligen Quoren ja nur erreicht, dass eine Frage dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden muss. Wer also meint, das Volk müsse viel mehr gefragt werden, der müsste grundsätzlich alle Begehren, unabhängig von deren Inhalt, aktiv unterstützen. Erst erfolgreiche Begehren schaffen die Möglichkeit der direkten Mitentscheidung. Bei den Bürger- und Volksentscheiden hat man dann immer noch die Möglichkeit sich an der Sache zu orientieren, zumal erfahrungsgemäß bei Volksentscheiden sehr oft ein alternativer, möglicherweise ja besserer Gegenentwurf mit zur Entscheidung vorgelegt wird. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, was man von den immer häufiger zu hörenden Warnungen vor einer Inflation der Volksbegehren halten muss. Es sind in der Regel die Vertreter der parlamentarischen, also der indirekten Demokratie, die eifersüchtig darauf achten, dass ihnen niemand – und schon gar nicht der Souverän – Entscheidungskompetenzen streitig macht. In Wahrheit kann es aber gar nicht genug direkte Demokratie und damit auch nicht genug Volksbegehren geben.
Positive Nebeneffekte
Abschließend soll trotz des Scheiterns beim Volksbegehren auf die gar nicht so kleinen positiven Nebeneffekte der Kampagne verwiesen werden. Trotz der Niederlage wurde erreicht, dass das Thema Mobilfunk und die damit verbundene Strahlungsproblematik über Wochen landesweit in der öffentlichen Diskussion stand. Das Volksbegehren hat die Möglichkeit geschaffen einen erheblich größeren Personenkreis anzusprechen, als dies in der täglichen Kleinarbeit der Initiativen möglich ist. Immerhin hat es auch dazu geführt, dass die mit Abstand größte Unterschriftenaktion zum Thema Gesundheitsgefahren des Mobilfunks mit über 400.000 Unterschriften Zustande gekommen ist. An dieser Zahl wird auch die hohe Politik nicht kommentar- und reaktionslos vorbeikommen. Darüber hinaus ist das Netz der Mobilfunkkritiker und der mobilfunkkritischen Initiativen stärker geworden, auch wenn es innerhalb der Szene durchaus auch bedauerliche Abstinenz (Bürgerwelle) und sogar unverständliche Querschüsse (Volker Hartenstein) gegeben hat (12.08.05-H. Schütz).
Website durchsuchen |
---|
|
Aktionen zum Mitmachen |
Downloads |
Gratis-Umrechner für Leistungsflussdichte, Feldstärke und mehr |
Miniplakate fürs Auto |
An dieser Position blockiert ein Programm zur Unterdrückung von Popup-Fenstern oder ein Werbeblocker die Darstellung von Google-Anzeigen. |
Tipps & Tricks |
DECT-Basisstationen mit Alufolie entschärfen Handy klammheimlich auf Sendung? Selber testen mit Kofferradio! |
Kinder |
Spezielle Information für Kinder und Jugendliche Britischer Strahlenschutz warnt vor Kinderhandys Testballon: 3-Tasten-Handy für Kindergartenkinder |
Messen |
Handystrahlung innerhalb eines Linienbusses |