Intermittierende Strahlung
ist biologisch wirksamer als Dauerstrahlung

In der Reflex-Studie stecken einige Überraschungen, die auf die Erwartungshaltung von Mobilfunkbefürwortern und Mobilfunkkritikern keine Rücksicht nehmen. Selbst bislang Unumstrittenes gerät plötzlich in die Diskussion. So galt es bislang i. a. als Stand des Wissens, dass Dauerbestrahlung schädlicher ist als die intermittierende (zeitweilig aussetzende) Strahlung. Krebsrote Urlauber am Abend ihres ersten Strandtages bezeugen immer wieder neu die Richtigkeit dieser These. Doch was für die Sonne als Strahlungsquelle stimmen mag, gilt nicht für den Mobilfunk. Hier verhält es sich genau anders herum: Dauerstrahlung ist biologisch weniger schädlich als intermittierende Strahlung. Diese Erkenntnis aus der Reflex-Studie lässt alle älteren Forschungsarbeiten, deren Aussagen auf Dauerexposition beruhen, in einem neuen Licht erscheinen.

Prof. Franz Adlkofer, Sprecher und Organisator des Reflex-ForschungsverbundsDie Reflex-Studie hat keinen nennenswerten Unterschiede in Bezug auf Zellschäden bei gepulster und ungepulster Strahlung gefunden. Jedoch hat die Reflex-Gruppe in Wien einen deutlichen Anstieg der DNA-Strangbruchrate bei intermittierender Exposition aufgezeigt. Intermittierende Exposition bedeutet, dass Strahlung nicht ständig einwirkt, sondern zeitweilig aussetzt, wobei für die Intervalle Zeitspannen von einigen Minuten gelten. Anders ist es bei gepulster Strahlung: Zwar setzt auch diese zeitweilig aus, jedoch sind die Intervalle erheblich kürzer, beim Mobilfunk (Handy) bewegen sie sich im Bereich von nur wenigen Millisekunden. Die gepulste Strahlung beim Mobilfunk ist ein Resultat der Übertragungstechnik und systembedingt bei Handys unabwendbar. Intermittierende Strahlung ist davon völlig unabhängig. Von ihr spricht man, wenn Strahlung – egal ob gepulst oder ungepulst – während einer gewissen Zeitspanne vorhanden ist (Ein), sie anschließend während einer Pausenphase fehlt (Aus), und dieses Wechselspiel in einer Abfolge wiederholt wird.

5 Minuten ein, 10 Minuten aus: das wirksamste Expositionsmuster

In Wien ging die Reflex-Gruppe um Prof. Rüdiger unter anderem der Frage nach, inwieweit die beobachtete DNA-Schädigung an Zellkulturen (Fibroblasten) davon abhängt, ob die Strahlung unterbrochen (intermittierend) oder ununterbrochen auf die Zellkulturen einwirkt. Die Wissenschaftler setzten dazu die Zellkulturen zuerst über 24 Stunden hinweg einer intermittierenden Strahlung aus (Ein: 5 Minuten, Aus: 10 Minuten). Anschließend wiederholten sie das Experiment mit kontinuierlich einwirkender Strahlung. In beiden Fällen wurde nach vier, acht und 24 Stunden untersucht, welches Ausmaß die DNA-Schädigung angenommen hat. Als Maß für die Schädigung wurde der Schweiffaktor herangezogen, der sich aus dem so genannten Kometenschweiftest ergibt. Der prozentuale Kometenschweiffaktor beziffert das abgesprengten DNA-Material eines Zellkerns bezogen auf den unversehrten Zellkern. Je größer der Kometenschweiffaktor ist, desto stärker ist die DNA-Schädigung.

Der alkalische Kometenscheiftest gibt mit dem Schweiffaktor Auskunft darüber, in welchem Ausmaß es in Zellen zu Einzel- und Doppel-DNA-Strangbrüchen gekommen istDas bemerkenswerte Ergebnis der beiden Experimente zeigt die nebenstehende Abbildung, die für eine Strahlungsintensität von 1 W/kg gilt. Bei kontinuierlicher Strahlungseinwirkung (links) nehmen die DNA-Schäden im Verlauf der ersten acht Stunden deutlich zu, danach aber führt die längere Einwirkungsdauer nicht mehr zu einem nennenswerten Anstieg der DNA-Schäden, der Kometenschweiffaktor verharrt bei rd. 6 %.

Ganz anders verhält es sich, wenn auf die Zellkulturen intermittierende Strahlung mit der Intervalldauer 5 Minuten ein und 10 Minuten aus einwirkt. Ist bis zur achten Stunde noch kaum ein Unterschied zur kontinuierlichen Exposition zu erkennen, nehmen danach die DNA-Schäden weiter zu. Nach 24 Stunden ist der Kometenschweiffaktor auf rd. 8 % angewachsen. Und das, obwohl sich in dieser Zeitspanne die Ein-Phasen der intermittierenden Strahlung auf nur acht Stunden aufaddieren!

Intensität und Dauer der Bestrahlung beschreiben nur zwei von drei Risikofaktoren

Prof. Franz Adlkofer, Organisator der Reflex-Studie, folgert daraus: “Es kommt offensichtlich nicht nur auf den SAR-Wert oder die Dauer der Exposition an, genau so wichtig scheint zu sein, ob intermittierend oder kontinuierlich exponiert wird." Eine Erklärung für dieses überraschende Resultat liefert die Hypothese, dass bei intermittierender Expositionen die zelleigenen Reparaturmechanismen nicht ausreichend aktiviert werden und es somit nur zu einer teilweisen Wiederherstellung des Anfangszustandes in der Zelle kommt. Bei Dauerexposition scheint eine wirkungsvolle Reparatur der DNA eher plausibel zu sein.

Aus eigener Erfahrung mit Sonnenbaden weiß jeder, dass der Daueraufenthalt unter praller Sonne schnell zu einem Sonnenbrand führen kann. Wer dagegen vorsichtig ist, und sich nur zeitweise unter seinem Sonnenschirm hervorwagt, hat gute Chancen, die erste Nacht am Urlaubsort im Liegen verbringen zu dürfen. Die simple Dosis-Wirkung-Beziehung lautet hier: Ununterbrochenes Sonnenbaden (ohne Sonnenschutz) ist das Schlimmste, was man seiner Haut antun kann. Aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet ist es absolut irritierend, dass die Reflex-Wissenschaftler nun der Mobilfunkstrahlung das glatte Gegenteil attestieren: Dauerexposition ist weniger schädlich als intermittierende Exposition. In der traditionellen, konservativ ausgerichteten Forschung wäre es nicht verwunderlich, wenn dort noch der Standpunkt vorherrscht, bei Hochfrequenzstrahlung sei die Dauerexpositionen wesentlich aggressiver als die intermittierende Exposition.

DNA-Schädigung unter Einwirkung eines 50-Hz-Magnetfeldes der Intensität 1000 µT bei unterschiedlichen Expositionsmustern

Exposition

Kometenschweif-
faktor [%]

Dauerexposition (24 h)

4.29

15’/15’ ein/aus

6.47*

5’/5’ ein/aus

6.98*

5'/10' ein/aus

7.47*

5'/15' ein/aus

6.68*

5'/20' ein/aus

5.90*

5'/25' ein/aus

4.27

1'/10' ein/aus

5.89*

3'/10' ein/aus

6.60*

10'/10' ein/aus

6.91*

15'/10' ein/aus

6.56*

25'/10' ein/aus

5.37*

*) Signifikanter Unterschied gegenüber Scheinexposition

In der Vergangenheit haben sich Politik und Mobilfunkindustrie gerne auf Studien berufen, die keine oder nur unwesentliche Effekte bei Dauerexpositionen nachwiesen. Die Reflex-Studie stützt nun die These, dass nicht die Dauerexposition, sondern die intermittierende Exposition es ist, die nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Sie liegt im übrigen viel näher als die Dauerexposition am tatsächlichen Nutzungsmuster von Handyanwendern. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang, dass intermittierende Exposition mit längeren Aus-Phasen (z. B. 55 min) zu noch aussagekräftigeren Ergebnissen hinsichtlich der DNA-Schäden führen könnte, da die Zellen-Reparaturmechanismen dann möglicherweise schwächer oder sogar gar nicht mehr angeregt werden können. Aus diesem Grund ist es sicherlich interessant zu beobachten, ob zukünftig die Forschung intermittierenden Expositionsmustern eine erhöhte Aufmerksamkeit schenken wird.

Anzumerken ist noch, dass das 5’/10’-Expositionsmuster, das bei der Exposition der Zellkulturen mit Hochfrequenzfeldern zum Einsatz kam, keineswegs zufällig zustandekam. Wie im Teil 2 des Reflex-Abschlussberichts nachzulesen ist, wurde nämlich auch untersucht, inwieweit niederfrequente Magnetfelder bei unterschiedlichen Expositionsmustern zu DNA-Schädigungen führen. Als Gradmesser wurde auch hierbei der Kometenschweiftest verwendet. Wie die Tabelle zeigt, experimentierten die Wissenschaftler mit Ein-Phasen zwischen einer Minute und 25 Minuten Dauer sowie mit Aus-Phasen zwischen fünf Minuten und 25 Minuten Dauer. Mit 7,47 % erreichte der Kometenschweiffaktor beim 5’/10’-Expositionsmuster seinen Höchstwert (02.05.05-P. Johanns/-ll).

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