EPROS-Schlafstudie
zwischen Sensation und Dementi

Es hätte so schön sein können: Da orakelt ein von Politik und Betreibern anerkannter hochrangiger Wissenschaftler auf der Website einer Zeitung darüber, dass Handymasten sich tatsächlich negativ aufs Wohlbefinden auswirken könnten. Bei der Nachfrage aber, ob das, was da im Internet zu lesen sei, auch so gesagt wurde, verblasst die vermeintliche Sensation zusehends. Dem aufmerksamen Leser wird freilich nicht entgehen, dass es andererseits auch kein eindeutiges Dementi für die Zeitungsmeldung gibt (21.01.05).

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. N. LeitgebProf. Norbert Leitgeb ist einer der meistbeschäftigten Elektrosmogforscher Europas. Leitgeb hat sich an der TU Graz (Österreich) auf die Untersuchung der Elektrosensitivität spezialisiert, er hat einen Sitz in der deutschen Strahlenschutzkommission, ist Vorsitzender des EU-Forschungszirkels COST 281 (untersucht gesundheitliche Folgewirkungen des Mobilfunks), wird bei der ICNIRP als beratendes Mitglied geführt und er gehört zum Fast-Response-Team der EU (EMF-NET). Kurzum: Wenn der Mann etwas sagt, hat es Gewicht. Und wenn er sagt, dass Handymasten für Schlafstörungen verantwortlich sein können, dann ist das eine kleine Sensation, denn derartiges wird von Leuten in seiner Position sonst durchweg als Hirngespinst der Mobilfunkkritiker verworfen. Am 17. Januar 2005 ist es dann aber anscheinend doch passiert. Ein Webseitenartikel der Grazer Woche zitiert Leitgeb mit den Worten:

"Wir haben feststellen können, dass jene Personen, die abends besonders elektrosensitiv waren, in der Nacht auch schlecht geschlafen haben. Das könnte also der Nachweis sein, dass Handymasten etc. sich tatsächlich negativ auf das Wohlbefinden vieler Menschen auswirken."

EPROS-Schlafstudie: Bis zu 9 000 € pro Schläfer

Abschirmbaldachin, wie er bei der EPROS-Schlafstudie zur Abschottung der Versuchspersonen vor elektromagnetischen Feldern verwendet wird  Foto: Institut für Krankenhaustechnik der TU GrazUm herauszufinden, ob und wie jemand auf elektromagnetische Felder reagiert, werden Versuchspersonen im allgemeinen mit allerlei Sensoren ausgestattet und dann im Doppelblindversuch einem mehr oder weniger starken Feld ausgesetzt. Doppelblindversuch heißt, weder der Versuchsleiter noch die Versuchsperson wissen, zu welchen Zeitpunkten das Feld wirkt und wann nicht. Doch viele Elektrosensitive fürchten und meiden derartige Versuche wegen der Feldeinwirkung (oft nahe an den Grenzwerten), die sie mit teilweise sehr heftigen Krankheitssymptomen assoziieren.

Die EPROS-Schlafstudie (Elektrosensibility Protected Sleep Study) der TU Graz geht daher andere Wege und verzichtet völlig auf zusätzliche Felder. Stattdessen werden die Versuchspersonen in ihrer gewohnten Umgebung während des Schlafs mit einem moskitonetzähnlichen Baldachin mal hochwirksam gegenüber allen Hochfrequenzfeldern abgeschirmt und mal – mit einer Attrappe – völlig wirkungslos. Die Sensorik am Körper soll melden, ob der Proband auf die wirksame Abschirmung anders reagiert als auf die Attrappe. In einer Pilotstudie mit elektrosensitiven Probanden hat der EPROS-Versuchsaufbau seine Aussagefähigkeit bewiesen: Die Elektrosensitiven reagierten auf den Feldentzug stärker als beschwerdenfreie Vergleichspersonen. Dieses Resultat soll jetzt in der Hauptstudie näher untersucht werden. Da je nach Entfernung zu Graz ein Proband Kosten zwischen 6 000 Euro und 9 000 Euro verursacht (Quelle), wird die Hauptstudie voraussichtlich an 20 bis 25 Probanden durchgeführt.

Das wollten wir von dem Wissenschaftler gerne selber hören und schickten ihm einen Fragenkatalog, in dem es um das aufsehenerregende Zitat geht aber auch um Einzelheiten zur EPROS-Schlafstudie, die den Stein ins Rollen brachte. Wie auf der EPROS-Website nachzulesen ist, wurde die Studie von der Forschungsgemeinschaft Funk (FGF) und den österreichischen Mobilfunkbetreibern finanziell gefördert, was das Zitat auch aus dem Blickwinkel der freien Forschung heraus bemerkenswert macht.

Fragen an Norbert Leitgeb

IZgMF: Ist das Zitat in der Grazer Woche zutreffend?

Leitgeb: Leider ist dem Redakteur die Phantasie etwas durchgegangen, als er unsere durchaus interessanten Zwischenergebnis noch spektakulärer machen wollte. Tatsache ist, dass die Probanden, die bisher von uns untersucht werden konnten, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung elektrosensitiver waren. Da dies kein Kriterium für die Vornahme der Untersuchung war, ist dieser Befund nicht selbstverständlich. Es wird daher interessant sein, herauszufinden,

a) ob erhöhte Elektrosensitivität tatsächlich mit Schlafstörungen korreliert ist (wobei nicht jeder, der erhöht elektrosensitiv ist auch ein Schlafproblem haben muss).

b) wie dieser Zusammenhang zu deuten ist.

Da wir die Elektro-Empfindlichkeit im Niederfrequenzbereich messen, sind die Ergebnisse ja nicht ohne weitere Prüfung auf die Einwirkung hochfrequenter Felder zu übertragen. Wenn sich ein Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Elektrosensitivität absichern lässt, bedeutet dies bei seriöser Analyse noch nicht, dass sich damit die Kausalität zum Elektrosmog oder, noch mehr, die Kausalität zum Mobilfunk herstellen lässt. Die Elektroempfindlichkeit könnte über die enge Bedeutung hinaus auch mit dem allgemeinen Zustand des autonomen Nervensystems verbunden sein.

IZgMF: Mit welcher Feldstärke/Leistungsflussdichte und Frequenz wurden die Probanden während der Pilotstudie befeldet und gelten diese Werte auch für die jetzt anlaufende Hauptstudie?

Leitgeb: Das Besondere an unserem Studiendesign ist, dass es erstmals einen neuen innovativen probandenschonenden Ansatz realisiert. Wir befelden nicht zusätzlich, sondern untersuchen die Reaktion auf die Wegnahme des Elektrosmog durch Verwendung eines breitbandigen Schirmes. Die Studie untersucht daher hochfrequenten Elektrosmog umfassend und nicht mit Mobilfunk-Scheuklappen. Es ist jedoch ein Qualitätskriterium unserer Studie, dass wir kontinuierlich, breitbandig und frequenzselektiv die Feldverhältnisse am Schlafplatz aufzeichnen und über die Beiträge der unterschiedlichen Sender (Rundfunk, Fernsehen, andere Funkdienste, DECT und Mobilfunk), deren Stärke und deren zeitliche Schwankungen gut Bescheid wissen. Ohne weitere Detailauswertung wären daher direkte Rückschlüsse auf den Mobilfunk nicht seriös.

IZgMF: Wann werden voraussichtlich die Resultate der Hauptstudie vorliegen?

Leitgeb: Die Felduntersuchungen sind bis Ende dieses Jahres finanziert, nach der anschließenden Endauswertung sollten die Ergebnisse im Frühjahr 2006 vorliegen.

IZgMF: Haben Sie aufgrund der öffentlichen Aufrufe bereits genug Probanden für die Hauptstudie?

Zitat des Tages:

Was ist Forschung?

Wissenschaftliche Forschung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der nach Inhalt und Form ernsthafte und planmäßige Versuch zur Ermittlung der Wahrheit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Quelle: Verwaltungsgericht Mainz, Pressemitteilung 01/2005

Leitgeb
: Unser "schonender" Ansatz und der Umstand, dass wir vor Ort untersuchen können, hat großes Interesse gefunden, sodass sich zahlenmäßig ausreichend viele Probanden gemeldet haben. Wir bemühen uns jedoch, die Probanden nach der Schwere ihrer Probleme und der Stärke der subjektiven Überzeugung zu reihen, sodass auch in nächster Zeit schwere Fälle noch (unter Ausschluss weniger schwerer Fälle) einbezogen werden könnten. Die Studie ist derzeit auf Österreich beschränkt. Wir versuchen jedoch, die Möglichkeit zu erhalten, auch in Deutschland Untersuchungen bei Betroffenen durchzuführen und Hilfestellung zu geben. Eine definitive Entscheidung über die Finanzierung ist (leider) noch nicht gefallen.

IZgMF: Im FGF-Newsletter 1/2004 der Forschungsgemeinschaft Funk heißt es zur Pilotstudie, sie würden diese nur mit kooperativ handelnden Personen durchführen. Was meinten Sie damit?

Leitgeb: Im Rahmen unserer Studie werden die objektiven Schlafparameter aus EEG (Hirnströme), EOG (Augenbewegungen) und EKG (Herzschlag) mit dem subjektiven Befund verglichen. Dazu müssen die Probanden täglich am Abend und am Morgen einen validierten Fragebogen ausfüllen. Dazu ist eine entsprechende Kooperationsfähigkeit erforderlich. Aus diesem Grund müssen z. B. Kinder unter 10 bis12 Jahren ausgeschlossen werden.


Weiterführende Links

ORF-Beitrag über die EPROS-Schlafstudie

Hintergrundbeitrag über die Methode des Feldentzugs anstelle der Befeldung

Hintergrundbeitrag Fast-Response-Team

Ausdehnung der EPROS-Schlafstudie auf Deutschland

 

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