Zweites Münchener Mobilfunk-Hearing
schaffte keinen Brückenschlag

Mit einem Jahr Verspätung fand am 17. November 2003 das 2. Münchener Mobilfunk-Hearing statt. Von Freund und Gegner mit Spannung erwartet, entließ die Veranstaltung nach 3 1/2 Stunden Dauer die Teilnehmer weitgehend ratlos. Und das, obschon das Hearing ausgerechnet im (Alten) Rathaus abgehalten wurde. Wenn Sie unseren griesgrämig verfaßten Hearing-Report lesen, machen Sie sich auf die gewagte These gefaßt, dass klassische Mobilfunk-Podiumsdiskussionen der Sache der Mobilfunkgegner mehr schaden als nutzen.

Joachim Lorenz: seit 1993 Referent für Gesundheit und Umwelt. Foto: Stadt MünchenAusrichter des 2. Münchener Mobilfunk-Hearings war das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) der bayerischen Landeshauptstadt. Da die Stadt sich mit erkennbaren PR-Aktivitäten zugunsten der Veranstaltung aber nicht allzu weit aus dem Fenster lehnte, übernahmen Mobilfunk-Bürgerinitiativen die Rolle des Trommlers. Abends um 18:00 Uhr lauschten so immerhin schätzungsweise 300 Zuhörer der Begrüßungsrede von RGU-Chef Joachim Lorenz (Foto). Gut 100 Stühle blieben leer. Von den 80 Münchener Stadträten fand nur eine Handvoll den Weg ins Alte Rathaus, darunter jedoch alle vier, die wenige Monate zuvor im Umweltschutzausschuss das Münchener Mobilfunk-Vorsorgemodell auf den Weg brachten.

Hoher Stellenwert des Hearings bei den Betreibern

Wieviele Bezirksräte zugegen waren weiß nur der Himmel – zu Wort meldeten sich jedenfalls nur Zwei. Insgesamt war die sichtbare Präsenz der Stadtvertreter auf dem 2. Mobilfunk-Hearing aus Sicht des IZgMF enttäuschend schwach. So stellten hauptsächlich besorgte Bürger das Publikum. Die Mobilfunkbetreiber waren mit einer überraschend starken Fraktion vertreten. Wie uns ein Mitarbeiter des RGU sagte, hatte Vodafone sogar aus der Düsseldorfer Firmenzentrale einige hochrangige Führungskräfte nach München in Marsch gesetzt. Dies mag der moralischen Unterstützung des Vodafon-Referenten gegolten haben, zeigt aber auch, dass die Betreiber dem Hearing einen unerwartet hohen Stellenwert einräumten. Welcher der Zuhörer welchem Lager angehörte, war übrigens leicht am Ende eines jeden Vortrags auszumachen: Je nach Gesinnung wurde applaudiert – oder es wurden die Hände in den Schoß gelegt. Nur Wenige waren auf diese Weise nicht einzuordnen. Diese starke Polarisierung, die keine Grauzone zulässt, der tiefe Graben zwischen den Lagern – wie er sich auch bei der IZgMF-Grenzwertumfrage sperrangelweit auftut – das 2. Münchener Mobilfunk-Hearing konnte nichts dagegen ausrichten.

Referenten des 2. Münchener Mobilfunk-Hearings

PRO Mobilfunk

 

KONTRA Mobilfunk

Dr. Volker Bökelmann
(Vodafone D2)

 

Prof. Dr. Klaus Buchner
(Bundesvorsitzender der ödp)

Dr. Gunar Krenzer
(Bayer. Landesamt für Umweltschutz)

 

Dipl-Ing. Hans Ulrich-Raithel
(Umweltinstitut München e.V.)

Dipl.-Biol. Andreas Wojtysiak
(Universität Witten/Herdecke)

 

Dr.-Ing. Martin Virnich
(Bundesverband Deutscher Baubiologen)

Kurzvorstellung der Referate

Wie es sich für ein ordentliches Hearing gehört, wurden die sechs Referenten vom RGU so ausgewählt, dass die Lager der Mobilfunkbefürworter und -kritiker genau gleich stark vertreten waren. Alle sechs Referenten erledigten ihren Job routiniert. Und weil uns das RGU zugesichert hat, dass die Referate umgehend auf der Website der Stadt München abzurufen seien, nennen wir hier nur einige Stichpunkte aus den einzelnen Referaten:

Dr. Krenzer sprach über international angelegte Studien (Interphone: Hirntumore, Perform-A: Krebs, Reflex: genetische Veränderungen), deren Ergebnisse entweder kürzlich vorgestellt wurden oder für 2004 erwartet werden.

Dr. Bökelmann referierte darüber, dass sich Forschungsergebnisse zunächst einer ausgiebigen wissenschaftlichen Bewertung unterziehen müssen bevor sie zu Grenzwerten kristallisierten, deren Einhaltung dann die Reg TP kontrolliere. Als Beispiel für den Nutzen des GSM-Mobilfunks führte er 500 000 Notrufe bei den Nummern 110/112 an, die allein von Vodafone monatlich vermittelt würden.

Andreas Wojtysiak erklärte Prinzipien der Mobilfunkforschung und leitete aus der Widersprüchlichkeit der Forschungsergebnisse die These ab, dass beobachtete Effekte sich deshalb nicht reproduzieren ließen, weil die Effekte nur sehr schwach ausgeprägt seien. Starke Effekte könne man auch mit nicht 100-prozentig identischen Versuchsaufbauten reproduzieren.

Auch Prof. Buchner stellte grundsätzliche Überlegungen zur Widersprüchlichkeit von Forschungsresultaten in den Mittelpunkt seiner Rede. Tierversuche unterlägen derart vielen Einflussfaktoren, dass darauf basierende Studien grundsätzlich schwierig zu wiederholen seien. Er plädierte deshalb für Versuche mit Zellkulturen. Gleich zu Beginn machte der ödp-Vorsitzende deutlich, dass er nicht als Vertreter der TU München spreche. Die Universität – dort arbeitet Buchner als Mathematiker – hatte diese Klarstellung verlangt.

Um Unterschiede der GSM/UMTS-Mobilfunksignale ging es im Referat von Dr. Virnich. Er verblüffte mit dem messtechnischen Nachweis, dass auch das derzeit eingeführte UMTS-FDD (Frequenzmultiplex) keineswegs so ungepulst ist, wie es bislang immer geheißen hat. Virnich schränkte allerdings ein, dass sich diese Beobachtung noch ändern könne, sobald die von ihm gemessenen UMTS-Basisstationen vom Testbetrieb in den Verkehrsbetrieb übergehen.

Als letzter Redner stellte Hans Ulrich-Raithel die niederländische “TNO”-Studie vor, die kürzlich auch in Fachkreisen viel Aufsehen erregte. Der Mann vom Umweltinstitut sagte auch warum: Im Gegensatz zu vergleichbaren Studien hätte die TNO-Studie bei Elektrosensiblen signifikante Reaktionen nicht etwa bei extrem hoher Strahlungsbelastung gezeigt, sondern schon bei einem 1000-stel des derzeit zulässigen Grenzwerts.

Kein Referent musste bei der Diskussion Boden preisgeben

Im Wappensaal des Alten Münchener Rathauses, hier am Turm erkennbar, trafen Mobilfunkbefürworter und -kritiker zum 2. Hearing aufeinander.  Bezeichnend: Über Ort, Zeitpunkt und Verlauf des 1. Hearings konnten wir im Internet keinerlei Aufzeichnungen finden.Spätestens nach dem letzten Referat hatte jeder Zuhörer die Referenten auf die beiden Schubladen mit der Aufschrift “Gut” und “Böse” verteilt. Moderiert von Dr. Patrick Illinger (Wissenschaftsressort Süddeutsche Zeitung) begann nun mit Verspätung die zeitlich ohnehin zu knapp bemessene Diskussion zwischen Referenten und Publikum. Um es vorweg zu nehmen: Keiner der Referenten geriet dabei ins Wanken. Niemand musste sich unter dem Druck bohrender Fragen von der in den Referaten erkennbar gewordenen Position wegbewegen. Insofern hält das 2. Münchener Mobilfunk-Hearing keinen Vergleich mit den berühmten Hearings stand, denen sich in den USA die Bosse der Zigarettenindustrie aussetzen mussten. Dort war es freilich auch umgekehrt: Die sorgsam vorbereiteten knallharten Fragen zuckten vom Podium wie Blitze auf die reichlich hilflos wirkenden Tabakmogule nieder. Auch im Wappensaal zu München gab es seitens der Mobilfunkgegner zwar einige flammende Reden, Wirkungstreffer bei den erfahrenen Referenten der Gegenseite erzielten diese jedoch nicht. Für ein so heftig umstrittenes Thema war der Umgangston im Saal erstaunlich höflich. Vielleicht hätte es der Stimmung gut getan, wären die Referenten der beiden Lager im Wappensaal auf ein kleines Turnier eingegangen, mit dem Ziel, den Gegner mit treffenden Argumenten publikumswirksam aus dem Sattel zu heben. Die Kompetenz dazu wäre da gewesen. Die stillschweigende Übereinkunft es nicht zu tun aber wohl auch.

Sind Mobilfunk-Podiumsdiskussionen womöglich kontraproduktiv?

Damit wir uns richtig verstehen: Unsere kritische Bewertung des Hearings zielt weder auf die Referenten noch auf die Zuhörer. Wir glauben nur zu gerne, dass alle Beteiligten die Sache in ihrem Sinne voranbringen möchten. Wir haben jedoch erhebliche Zweifel, ob die klassische Podiumsdiskussion dazu noch einen Beitrag leisten kann, der den meist hohen Aufwand für solche Nicht weit entfernt vom Alten Rathaus ist auf einem Haus ein Mobilfunk-Sendemastenensemble montiert, das auf beachtliche 17 m Sicherheitsabstand kommt. Im Winter können sich dort die Tauben des Marienplatzes immer wieder mal aufwärmen gehenVeranstaltungen rechtfertigt. Das Thema Mobilfunk ist wie kaum ein anderes facettenreich und strapaziert allein schon deshalb jeden, der es als Laie wagt, sich damit zu beschäftigen. Beinahe über Nacht müssen aus unbescholtenen Bürgern interdisziplinäre Parawissenschaftler werden, die sich mit Mobilfunksignalen, Antennendiagrammen, Handys und Humanmedizin ebenso gut auskennen wie mit der statistischen Signifikanz empirischer Erhebungen, mit epidemiologischen Fallstudien und mit höchstrichterlichen Urteilsbegründungen. Das kriegt keiner gebacken. Bei Podiumsdiskussionen sitzen dann aber mit schlafwandlerischer Sicherheit Experten, die einen genau am linken Bein erwischen, manche haben sogar zwei davon. Dann heißt es andächtig zuhören, staunen – und irgendwann abschalten. Auf jeden Fall heißt es Mund halten, um nicht mit unqualifizierten Bemerkungen vor versammelter Mannschaft aufzufallen. Die Wenigen, die sich davon nicht beirren lassen und ihr Glück in emotionell geprägter Argumentation suchen, sind für “kopfgesteuerte” Referenten eine willkommene weil leichte Beute. Bleiben von 100 Teilnehmern im Publikum also vielleicht drei, vier übrig, die es mit dem Podium aufnehmen können. Das mag tatsächlich einige male zu publikumswirksamen Diskussionen führen. Doch weil der Kreis der Referenten relativ klein ist, treffen im Laufe der Zeit dieselben Kontrahenten stets wieder aufeinander und die Referenten können sich darauf einstellen. Kurz gesagt: Viele Zuhörer von Mobilfunk-Podiumsdiskussionen gehen ziemlich ratlos wieder Nachhause, weil sie auf den Veranstaltungen der Lösung ihre Probleme nicht nennenswert näher kommen. Wem das 2-mal hintereinander passiert, der schmeißt genervt das Handtuch und tritt bei Folgeveranstaltungen erst gar nicht mehr an. Die These mag gewagt sein, aber einiges deutet darauf hin, dass sie nicht ganz falsch ist: Mit jeder in guter Absicht organisierten Mobilfunk-Podiumsdiskussion verliert die Bewegung der Mobilfunkgegner auf längere Sicht an Substanz!

Mehr Mehrwert mit zeitgemäßen Informationsveranstaltungen

Wir haben das Internet, eMail, Newsletter, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk & Fernsehen. Kein Mobilfunkgegner muss deshalb unter Informationsmangel leiden. Wozu also brauchen wir dann noch Podiumsdiskussionen wie zu Bismarcks Zeiten? Und können wir angesichts der alternativen Informationsquellen nicht einfach auf den geballten Sachverstand guter Referenten verzichten? Nein, können wir nicht! Aber die Experten könnten aus Sicht des IZgMF auf Veranstaltungen – ohne Podium – viel wirkungsvoller eingesetzt werden. Wir denken da an eine lockere Tisch- und Sitzverteilung und an zwanglose Gruppengespräche, bei denen Veranstaltungsteilnehmer ihre Fragen loswerden können, die ihnen z. B. seit dem Lesen eines Newsletters oder der Errichtung eines Sendemasten auf den Nägeln brennen. Intensive Vier-Augen-Gespräche sollten dabei ebenso möglich sein wie Spontandiskussionen, an denen es sich ohne den großen Gruppendruck von Podiumsdiskussionen doch merklich leichter teilnehmen lässt. Perfektionisten könnten sogar noch für einen Imbiss und Getränke sorgen. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Wirkungsgrad einer solchen Veranstaltung schon deshalb weit höher ist als der von klassischen Podiumsdiskussionen, weil die Teilnehmer auch untereinander besser ins Gespräch kommen, und nicht eilends den Saal verlassen, sobald der letzte Redner fertig ist. Also: Das Ganze muss mehr Event-Charakter haben. Und wenn schon Hearing, dann bitte in Form eines Happenings (21.11.03-ll).

Meldungen 2003

Website durchsuchen

 

Aktionen zum Mitmachen

Europapetition (FRA)

Krankheitsgeschichten

Ärzteappell organisieren

UMTS-Moratorium (GER)

Downloads

Gratis-Umrechner für Leistungsflussdichte, Feldstärke und mehrUmrechner für die gängigsten Einheiten im Mobilfunk

Miniplakate fürs Auto

An dieser Position blockiert ein Programm zur Unterdrückung von Popup-Fenstern oder ein Werbeblocker die Darstellung von Google-Anzeigen.

Tipps & Tricks

DECT-Basisstationen mit Alufolie entschärfen

Handy klammheimlich auf Sendung? Selber testen mit Kofferradio!

Kinder

Spezielle Information für Kinder und Jugendliche

Britischer Strahlenschutz warnt vor Kinderhandys

Testballon: 3-Tasten-Handy für Kindergartenkinder

Kinderhandy: Diverse Medien werben fleißig für Mobilfunker

Profitsucht von T-Mobile macht vor Kindern nicht halt

Messen

Handystrahlung innerhalb eines Linienbusses

Das Wunder von NRW

Auch Funkmessprojekt Baden-Württemberg mit Verfahrensfehler

SAR-Messungen vor Ort

Funkmessprojekt Bayern

 

 

Zur Inhaltsübersicht Bitte klicken

 

Bürgerinitiativen

Liste der Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk: Gleich jetzt hier eintragen!

Mobilfunkgeschichten:
Bürgerinitiativen erzählen

Bürgerkrieg wegen E-Plus-Sendemast

München: Handyverbot in Bussen und Bahnen

Forum

Diskutieren & Informieren

Linkliste

Viele interessante Sites

Gerichtsurteile

LG Kempten erkennt nicht auf Mietminderung

OVG Hamburg stoppt Baustopp gegen T-Mobile

Nachbar muss Mast dulden

VG Neustadt lehnt Eilantrag gegen Mobilfunkmast ab

Bebauungspläne in Rheinland-Pfalz keine Hürde für Mobilfunker

BVGH: Vodafone unterliegt

Sendeverbot für illegal errichtete Station

Na sowas!

Rätselhaftes Rindersterben auf dem Stengel-Hof

Minister Huber kneift

WLAN schlimmer als DECT

Schnurlostelefone: Auch DECT-Zulassung läuft Ende 2008 aus

Blauer Handyengel in Not

Gefährlich: Dacharbeiten unter Sendemasten

Naila: Krebs um Sender

Schmiergeldverdacht gegen Mobilfunkkonzern Ericsson

Digitaler Behördenfunk

Messtechniker melden “Widerstandsnester”

Spendable Anna Swelund verschenkt wieder Handys

Vorsorge

Mobilfunk-Vorsorgemodelle auf dem Prüfstand

Vorsorgemodell München

Vorsorgemodell Salzburg

Vier Tipps für intelligenten Umgang mit Handys

Telefonieren in Bus, Auto, Bahn doppelt schädlich

PLC: Die W-LAN-Alternative

Günstiges CT1+ Schnurlostelefon bei Conrad

Gut zu wissen

Standortdatenbanken

Kein Versicherungsschutz für Mobilfunker

183 Fragen & Antworten
aus Sicht der Netzbetreiber

Mobilfunk-Telefonhotline des Bund Naturschutz in Bayern

Immobilien-Wertminderung

Handy: Mindestens 60 % der Sendeleistung bleibt im Kopf hängen

BMW erlässt für DECT strengen Vorsorgegrenzwert

Der Leuchtturmeffekt will erst noch erforscht werden

Getarnte Mobilfunkmasten

WLAN kontra PLC