Klaus Buchner sieht Vögel auf Winterschlafflug, Bienen auf Koks (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 17.04.2019, 14:55 (vor 2048 Tagen) @ H. Lamarr

Was passiert, wenn jemand, der Physik studierte, dann aber 33 Jahre lang bis zu seinem Ruhestand an der TU-München Mathematik unterrichtet hat, sich über den Orientierungssinn von Bienen und Vögel unter Einwirkung von Mobilfunkfeldern äußert? Sehen und staunen Sie selbst! Das IZgMF hat einen erfahrenen Vogelforscher gebeten, die Behauptungen Buchners zu kommentieren, zu lesen ist seine Entgegnung im Anschluss an den folgenden Interviewauszug.

Moderator [Minute 35:24]: Was passiert bei den Bienen, wenn die in diese Bestrahlung kommen?

Buchner: Das lässt sich ganz einfach erklären, ist übrigens nicht nur bei den Bienen, sondern zum Beispiel bei den Vögeln. Die haben Zellen, die Eisen enthalten, und dieses Eisen richtet sich – oder versucht sich nach dem Erdmagnetfeld auszurichten und macht dann einen leichten Druck auf die Nervenzellen. So orientieren sich die Vögel zum Beispiel beim Winterschlafflug und wenn sie zurückkommen. Die Bienen haben Ähnliches, auch die orientieren sich am Erdmagnetfeld, jetzt wenn Mobilfunkstrahlung dazu kommt fangen diese Zellen an zu vibrieren und die Tiere verlieren völlig die Orientierung. Die finden nicht mehr heim, die fliegen weg, kommen in ein Strahlungsfeld verlieren die Orientierung und verenden weil sie nicht mehr heim finden. Jetzt gibt ja diese bekannten Experimente die man leicht selber machen kann. Man legt ein Handy angeschaltet in einen Bienenstock. Die Tiere spielen verrückt da drin. Also wenn man das im Film sieht, das ist wie wenn die alle irgendwo Rauschgift genommen hätten. Die können sich nicht mehr orientieren. Bei Menschen haben wir auch diese Zellen aber es ist zumindest nicht bekannt, dass das ähnliche Wirkung hätte.

Der Beginn von Buchners Antwort ist unabsichtlich vielsagend. Denn bei Populisten ist typischerweise immer alles "einfach", auch wenn es tatsächlich alles andere als einfach ist.

Vogelexperte Schmaljohann über die Orientierung von Zugvögeln

Ich bat Privatdozent Dr. Heiko Schmaljohann vom Institut für Vogelforschung, Wilhelmshaven, den besagten Ausschnitt des Videos fürs IZgMF kurz zu kommentieren. Schmaljohann erforscht gegenwärtig in einem internationalen Gemeinschaftsprojekt auf Helgoland die Orientierung frei fliegender Zugvögel unter Einfluss von Elektrosmog. Der Wissenschaftler sagt, ihm sei keine wissenschaftliche Studie bekannt, die zeigen würde, Vögel könnten sich unter Mobilfunkeinwirkung im Freiland nicht orientieren. Zwar gäbe es eine Studie, die zeige, Singvögel, die unter Käfigbedingungen Elektrosmog ausgesetzt wurden, seien orientierungslos geworden, da sie das Magnetfeld nicht mehr wahrnehmen konnten. Doch ob dies auch bei frei fliegenden Vögel so ist, wisse man noch nicht. Denn Zugvögel benutzten unterschiedliche Kompasssysteme (Sonne, Sterne, Magnetfeld, polarisiertes Licht), um sich zu orientieren; für die Navigation auch eine Art gespeicherte Landkarte. Fehlt die Information eines der Kompasssysteme, werden die anderen für die Orientierung/Navigation genutzt. Zur Zeit gehe man davon aus, dass Elektrosmog möglicherweise nur bis ca. 80 MHz einen negativen Einfluss auf den Radikalpaarmechanismus zur Wahrnehmung des Erdmagnetfelds hat. Die künftige Erforschung dieses Mechanismus' werde hoffentlich Klarheit darüber schaffen.

Soweit die Ausführungen des Sachverständigen, die die Ausführungen des Mathematikers in keiner Weise stützen. Zumal Mobilfunk ab 700 MHz und mehr stattfindet, also rund eine Zehnerpotenzen über der gegenwärtig von Vogelexperten angenommen Elektrosmog-Wirkgrenze von 80 MHz liegt.

Das Märchen von den Bienen, die unter EMF-Einwirkung wie auf Koks sind

Was die angeblich "bekannten Experimente" mit einem Mobiltelefon in einem Bienstock angeht, die man "leicht selber machen" könne, und die bei Bienen zu einem Verhalten führen würden, als wären die Insekten auf Koks, kann ich aus eigener Kraft entgegnen. Buchner bezieht sich dabei auf die dilettantisch durchgeführten Experimente des Schweizer Mobilfunkgegners Daniel Favre. Wie die Replikation des Favre-Experiments durch das IZgMF gezeigt hat, ist der Versuch, wenn man diesen ordentlich machen möchte, alles andere als "leicht selber zu machen". Was es dazu zu sagen gibt ist <hier> nachzulesen. Anzumerken ist, dass das technisch weitaus professioneller als das Original durchgeführte Wiederholungsexperiment des IZgMF die Behauptung Favres nicht bestätigen konnte, Bienen würden unter Funkeinwirkung in das sogenannte "Worker Piping" verfallen. Wie alle Populisten lässt Buchner diese für ihn unerfreuliche Erkenntnis unter den Tisch fallen, er selektiert streng allein das, was seine schräge These stützt, Mobilfunk sei schädlich für Mensch, Flora und Fauna. Mich würde es nicht wundern, würde Buchner künftig auch noch matte Autolacke dem Mobilfunk andichten.

In wenigen Wochen will Buchner als Spitzenkandidat der ÖDP erneut ins Europaparlament gewählt werden und er wird dieses Ziel aller Voraussicht nach auch erreichen. Für die ÖDP ist dies wichtig, für die Bevölkerung nicht. Auf meine Stimme aber wird er verzichten müssen, unbelehrbare Populisten gehören aus meiner Sicht aufs Abstellgleis – und nicht in die Parlamente.

Hintergrund
Klaus Buchners Einkünfte: 44'385 Euro pro Monat (brutto)
Lehrgang Populismus: Buchner über 25'000 Strahlenflüchtlinge
"Atomphysiker" Buchner spricht über "Mobilfunkbelastung"

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
ödp, Europaparlament, Buchner, Erdmagnetfeld, Wahlkampf, Magnetsinn, Populist, Fachkompetenz, Renommee, Wiederholung, Zugvögel, Sinnesorgan, Ornithologe


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