"ZentralorganBayern" tendenziös (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 26.12.2018, 15:57 (vor 1988 Tagen) @ H. Lamarr

In der geringen Rezeption, die die Doku von Journalist Klaus Scheidsteger bisher in Deutschland erhielt, wird mitunter auch bemängelt, dass er Experten wie Dr. Panagopoulos in seinem Film zu Wort kommen lässt, obgleich doch die beklagte Mobilfunkindustrie diesen vor dem Superior Court for the District of Columbia als “dilettantisch” zerlegt hätte, weil er “seine Versuchstiere (Fruchtfliegen)…einfach mit einem handelsüblichen Handy” befeldet hätte. Wir sind nun keine Wissenschaftler, nicht einmal besonders profunde Technikexperten, aber wir sehen einen Film stets in einer sehr kritischen Herangehensweise, versuchen – gerade wenn politische oder gesellschaftlich-soziale Fragen direkt oder auch nur indirekt eine Rolle spielen – uns mit den thematischen Hintergründen mehr als via Wiki-Einträgen ein wenig schlau zu machen [...].

ZOB betreibt in der oben zitierten Textpassage subtile Meinungsmache ganz im Sinne von Scheidsteger. Also eigentlich genau das, was das ZOB vorgibt, mit "unabhängigem" Journalismus zu bekämpfen. Man muss freilich schon genau hinschauen, um das vage Gefühl der Meinungsmache konkretisieren zu können. Der Stein des Anstoßes steckt im ersten Satz:

In der geringen Rezeption, die die Doku von Journalist Klaus Scheidsteger bisher in Deutschland erhielt, wird mitunter auch bemängelt, dass er Experten wie Dr. Panagopoulos in seinem Film zu Wort kommen lässt, obgleich doch die beklagte Mobilfunkindustrie diesen vor dem Superior Court for the District of Columbia als “dilettantisch” zerlegt hätte, weil er “seine Versuchstiere (Fruchtfliegen)…einfach mit einem handelsüblichen Handy” befeldet hätte.

ZOB behauptet kurz gesagt, Scheidsteger-Experte Panagopoulos sei vor Gericht von der beklagten Mobilfunkindustrie wegen einer "dilettantischen" Studie zerlegt worden. Man beachte die Anführungszeichen, mit denen ZOB den Dilettantismus von Panagopoulos anzweifelt.

Die Darstellung des ZOB ist manipulativ, denn es ist trivial, dass die Anwälte der Streitparteien versuchen, die Zeugen der jeweils anderen Seite zu "zerlegen". Das ist Gerichtsalltag und kaum der Rede wert. ZOB spielt etwas nach vorne, um, wie wir gleich sehen werden, das wirklich Relevante zu verdecken.

Im US-Rechtssystem sind die Richter während einer Verhandlung passiv. Es ist Aufgabe der Streitparteien, alle belastenden und entlastenden Argumente aufzufahren. Erst wenn dies geschehen ist greift der Richter ein, er schaut sich die Argumentationen an, wertet und gewichtet sie und kommt nach einer Abwägung zu einer Entscheidung.

Im Fall Panagopoulos ging es vor dem Superior Court primär nicht um sein "Fruchtfliegenexperiment", sondern darum, ob der Grieche als Experte gelten darf oder nicht. Ist er einer, wertet dies seine Auftritte im Scheidsteger-Film auf, ist er keiner, sind seine Auftritte wertlos. Den Anwälten der Beklagten (bei ZOB fälschlich "die Mobilfunkindustrie") gelang es nun, unter anderem mit Verweis auf das "Fruchtfliegenexperiment" das Vertrauen in die fachliche Qualifikation Panagopoulos' erfolgreich zu erschüttern. Die Entscheidung, den Griechen nachhause zu schicken traf dann nicht "die Mobilfunkindustrie", sondern allein Richter Weisberg. Für Scheidstegers Film bedeutet diese Entscheidung rückwirkend den Totalausfall eines seiner Belastungszeugen. ZOB versucht, diesen Totalausfall herunter zu spielen, indem der Eindruck erweckt wird, Panagopoulos ansonsten weiße Weste sei von der Mobilfunkindustrie wegen eines nur angeblich dilettantischen Experiments mit einem kleinen Fleck beschmutzt worden.

Mir ist klar, dass ich in den Text des ZOB möglicherweise zu viel hinein interpretiere und das "Zentralorgan" überschätze. Doch wer so auffällig viel Wert auf "unabhängigen" Journalismus legt wie das ZOB, der sollte eben Klartext schreiben, statt mit Herumeiern Kaffeesatzleserei zu provozieren. Dass es überhaupt zu der kurzen Textanalyse kam, liegt an der aus meiner Sicht unqualifizierten verstohlenen Aufwertung des vermeintlichen Aufklärungsfilms "Thank You for Calling" durch das ZOB.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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