Werner Thiede: Mobilfunk und Weltanschauung (Allgemein)

Lilith, Donnerstag, 03.01.2013, 08:08 (vor 4341 Tagen) @ H. Lamarr

Im Herbst 2010 publiziert Pfarrer Werner Thiede einen mobilfunkkritischen Artikel in der Zeitschrift UMG.

Das Thema lässt ihn nicht mehr los. In der Dezember-Ausgabe 2012 des Materialdienstes der "Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen" schrieb Werner Thiede den "Blickpunkt"-Artikel (nicht Brennpunkt): Mobilfunk und implizite Weltanschauung - Geistige Affinitäten einer invasiven Technologie. Einen Appetizer für den 12-Seiter kann man sich <hier> ansehen: Geschmackssache und ganz bestimmt kein Leitfaden für überkandidelte Mobilfunkgegner.


Der kurze Text Thiedes demonstriert kulturpessimistische Weltsicht. Dem Autoren ist technischer Fortschritt offenbar unheimlich. Folgerichtig vermag er hinter der populären Verbreitung der Handys vorwiegend Schädliches zu erkennen.

Dass es sich bei Mobilfunk gemäss seines neuesten Buchtitels um einen "Mythos" handelt, darf man anzweifeln. Mythen sind Erzählungen. Sie haben i.a. einen spirituellen Hintergrund. Es braucht jedenfalls jemanden, der sie erzählt - sonst sind sie nicht in der Welt.

Gar zu gerne will Thiede aus einer technischen Revolution, besser: einer Revolution der Kommunikationsmittel, ein quasi-religiöses Thema und damit eben (s)einen "Mythos" machen(*). Den aber erzählt nur er selbst und bereitet sich so das Thema selbst auf, bugsiert es sich zurecht - um sich anschließend darüber hermachen zu können mit seinem angestammten Werkzeug: Als Theologe reflektiert er dann das Thema "Mobilfunk" nicht mehr bloß als eine Auseinandersetzung mit einem kulturellen Phänomen oder mit einer Technik, sondern als eine über einen fehlgeleiteten Glauben.

Thiedes Auseinandersetzung mit einem angeblichen, von ihm erfundenen "Mythos Mobilfunk" steht damit auf einer irrationalen Basis. Das mag gut genug sein für schwelgerische Debatten in fundamentalistischen Zirkeln (ist also wie geschaffen als Stoff für die Mobilfunkgegnergemeinde), wird aber in den gesellschaftlichen Diskursen nur Randnotiz bleiben.

Die Alternative zu einer verdruckst theologisch geprägten Auseinandersetzung mit dem angeblichen "Mythos" Mobilfunk ist eine offene kulturkritische Herangehensweise. Es ist aber zweifelhaft, ob man das Thema überhaupt auf "Mobilfunk" wird eingrenzen können. Die Revolution der Kommunikationsmittel, die vielschichtigen gesellschaftlichen Wirkungen der Vernetzung sind sehr real. Man kann sie analysieren. Man kann Studien betreiben. Man kann Menschen befragen. Man kann spannende Szenarien für die Zukunft entwerfen.

Von Thiedes erfundenem "Mythos" bleibt dann auf die Dauer nicht mehr viel übrig als eine Fußnote. Denn natürlich lässt sich in vieler Hinsicht eine gute, segensreiche Wirkung der Einführung der neuen Techniken beschreiben und beweisen. Das aber scheint Thiedes Sache nicht zu sein. Als protestantischem Theologen scheint es ihm darum zu gehen, den "gottlosen" Charakter der neuen Techniken herauszustellen. Inwieweit er dieses Motiv in seinem Werk "Mythos Mobilfunk" offen eingesteht, ist dort zu untersuchen.

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(*) In einer Fussnote zitiert Thiede dort zustimmend:

"Schon vor Jahrzehnten erkannte Klemens Brockmöller, man habe 'die Funktion der Technik für den modernen Menschen als Ersatz für die alte Magie erklärt, mit der man in primitiver Natur-Religiosität sich die Natur dienstbar zu machen versuchte, so daß also Technik als Religionsersatz dient'"
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"Wer die Dummbatzen gegen sich hat, verdient Vertrauen." (frei nach J.-P. Sartre)

Tags:
Brennpunkt, Kolportage, Fundamentalist


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