Zwei Studien - aber Null Treffer (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 08.01.2009, 23:44 (vor 5620 Tagen) @ Sparco

Habe ich hier im Forum immer wieder zum besten gegeben. Bringen Sie mir eine einzige belastbare Studie, die Gefahren bei üblichen Sendemastenintensitäten belegt (oder auch nur konkret in Aussicht stellt), und ich ändere meinen Standpunkt. Auf die Plätze, fertig, los!

A. http://www.emf-portal.de/viewer.php?aid=16387
B. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16962663?dopt=AbstractPlus

Edel von Ihnen, Sparco, dass Sie caro beistehen möchten. Und edel von Ihnen, dass Sie es mit diesen beiden Studien tun ;-).

Also, ich habe um die genannten beiden Studien ein wenig herumgeschnorchelt und erkenne weder A. noch B. als Belastungszeugen an. Allein aus eigener Kraft hätte ich dies jedoch nicht geschafft, die kritischen Anmerkungen von "Elmar" zur Studie B. waren mir sehr willkommen.


Studie A. http://www.emf-portal.de/viewer.php?aid=16387

Mit Leistungsflussdichten von 5,2 µW/m² bis 2,1 mW/m² liegt die Studie gut im realen Pegelniveau von GSM-Basisstationen. Das Ergebnis ist jedoch unspektakulär: Die Autoren gehen davon aus, dass eine kurzfristige Exposition mit Signalen aus GSM-Basisstationen einen Einfluss auf das Wohlbefinden hat, indem die psychologische Erregung sinkt. Geradezu eine Heilwirkung signalisiert diese Textpassage: Die Testpersonen, die einer hohen oder mittleren Exposition ausgesetzt waren, waren signifikant gelassener als die Testpersonen, die einer geringen Exposition ausgesetzt waren. Und selbst bei dieser Studie blieben die ES auf der Strecke: Die Prävalenz für die selbsteingeschätzte elektromagnetische Hypersensibilität war niedrig.

Fazit: Der gefundene athermische Effekt hat eher positive denn negative Folgen für die Betroffenen, eine Gefahr stellt er in keiner Weise dar.


Studie B. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16962663?dopt=AbstractPlus

Laut caro handelt es sich hier um eine "sehr gut gemachte Studie" und Dr. med. Frentzel-Beyme verstieg sich hier sogar zu der Bewertung: "Das Ergebnis lässt keinen Zweifel mehr zu, dass frühere einschlägige Beobachtungen aus Spanien, Österreich, Frankreich, Schweden und Deutschland nicht zufällig waren oder nur den hypochondrischen Bewohnern von Industrieländern zugeschrieben werden können."

Mit Leistungsflussdichten von 1 mW/m² bis 67 mW/m² liegt diese Studie über dem üblichen Niveau von Mobilfunk-Basisstationen. Der Wert von 1 mW/m² ist hier sogar als Sonderfall zu sehen, denn dieser betrifft allein die Wohnung im obersten Stockwerk des Hauses, auf dessen Dach die Mobilfunk-Antenne steht [Mobilfunkgegner sorgen sich in 99,9 % aller Fälle in Nachbarhäusern zum Antennenstandort]. Die höheren Werte gab es im 10 Meter entfernt stehenden Nachbarhaus.

Die Dokumentationsstelle Elmar beschreibt die Mängel dieser Studie so: "Das Hauptproblem der Studie ist die Expositionsabschätzung: Messungen der Leistungsflussdichte liegen nur für das Gebäude mit der Mobilfunkantenne vor, nicht für das gegenüberliegende Haus oder das Kontrollgebäude [Anm. spatenpauli: Angesichts der Messwerte leuchtet mir diese Aussage überhaupt nicht ein]. Die Messwerte stammen aus dem Jahr 2000 [Anm. spatenpauli: Die Befragung der Hausbewohner fand 2003 statt] und zeigen schon in der ersten Wohnung unter dem Dach eine sehr geringe Belastung (0.0001 mW/cm²). Der Expositionsstatus aller drei Teilnehmergruppen ist also völlig unklar. Ebenfalls nicht bekannt ist, seit wann die Probanden in den jeweiligen Häusern lebten resp. arbeiteten, und ob die berichteten Beschwerden erst nach diesem Zeitpunkt aufgetreten sind. Die Resultate der Hirnleistungstests wurden offensichtlich mittels t-Tests verglichen, es erfolgte aber keine Korrektur für multiple Testung. Insgesamt lassen sich aus diesen Daten keine Schlussfolgerungen bezüglich Effekten der Mobilfunkexposition ableiten."

Hinzu kommt, dass die Verblindung unklar ist, d. h. ob die Befragten wußten, dass es um eine Mobilfunk-Antenne ging. Ein weiterer, diesmal offensichtlicher Mangel der Studie ist die nicht erfolgte Suche nach möglichen anderen Noxen (Confounder = Störfaktoren), die zu den geschilderten Beschwerden hätten führen können.

Und auch bei dieser Studie ist es so, dass beim Test kognitiver Funktionen die Befeldeten in drei von fünf Tests besser abschnitten als die Kontrollgruppe.

Fazit: Wegen ihrer methodischen Mängel, mehr noch aber wegen der (angeblich) exorbitant hohen Leistungsflussdichte im Nachbarhaus zur Antenne (20 mW/m² bis 67 mW/m²) erfüllt die Studie nicht die Forderungen nach "Belastbarkeit" und "üblichen Sendemastenintensitäten".

Tut mir leid, Sparco, zwei Studien - aber Null Treffer.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Leistungsflussdichte, Studie, Betroffene, Effekt, Confounder, Belastung, Frentzel-Beyme, Basisstation, Messwert


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