Diagnose-Adlkofer entwertet OLG-Gutachter nachträglich (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 04.04.2021, 20:07 (vor 1137 Tagen) @ KlaKla

Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen verurteilt Professor Alexander Lerchl zur Rücknahme seiner Fälschungsbehauptung gegenüber der REFLEX-Studie
Text des Urteils und Bericht von Prof. Adlkofer 28.01.2021

Anscheinend lesen Franz Adlkofer und/oder Diagnose-Funk hier mit und mussten mit Bestürzung zur Kenntnis nehmen, dass uns nicht entgangen ist, wie das Gericht unter Verweis auf den Gutachter die beiden "Reflex"-Studien als fehlerbehaftet brandmarkte.

Die beiden Verbündeten versuchen daher mit einem Nachtrag (Diagnose-Funk nennt diesen suggestiv Klarstellung) vom 23. Februar 2021, eingeschoben in den oben verlinkten Diagnose-Funk-Beitrag vom 28. Januar 2021, den Gutachter als inkompetent zu entwerten und die Testmethodik der "Reflex"-Studie als erprobten Stand der Wissenschaft darzustellen:

Klarstellung vom 23.02.2021

Das Gericht meinte allerdings beiläufig in einem "obiter dictum"[1], d.h. außerhalb der die eigentliche Entscheidung tragenden und rechtskräftig verbindlich gewordenen Gründe, dass „nach dem Ergebnis der Begutachtung des Sachverständigen die vom Beklagten (Prof. Lerchl) vorgebrachten inhaltlichen Bedenken gegen die …. Arbeiten sachlich richtig sind und diese …. vermutlich den Annahmen … über die statistische Unsicherheitsquantifikation nicht genügen.“ ….. Bei diesen „Einwendungen des Beklagten handelt es sich aus mathematischer Sicht (allerdings) lediglich um Plausibilitäten oder Indizien“, nicht aber um einen Nachweis.

Der hinzugezogene Gutachter für Statistik (!), dem das Gericht offenbar vollumfänglich folgte, konnte sich aus seiner mathematisch-statistischen Sicht allem Anschein nach die biomedizinisch zu deutenden und insoweit klaren Ergebnisse nicht erklären und vermutete deshalb einen sonstigen methodischen Mangel in der Auswertung, der die Studie ebenfalls "fehlerhaft" machen könne. Prof. Adlkofer entgegnete dazu in einem Interview mit diagnose:funk:

"Hätte das Hanseatische Oberlandesgericht, wie .. gefordert, einen Sachverständigen mit biowissenschaftlichem Hintergrund oder gar Kenntnissen über das bei der Datengewinnung benutzte Testsystem mit dem Gutachten beauftragt, wären Fragen über die Richtigkeit der Ergebnisse überhaupt nicht aufgekommen ... Die von Prof. Lerchl kritisierten Auffälligkeiten sind bei dem seit mehr als 20 Jahren international eingeführten biologischen Testverfahren, das von Elisabeth Kratochvil benutzt wurde, schlichtweg systemimmanent.... Zur Klärung der Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse richtig oder falsch sind, kann das vom Hanseatischen Oberlandesgericht veranlasste Sachverständigengutachten (folglich) keine Aussage machen.." [...]

Über die semantischen Tricks dieser "Klarstellung" habe ich mich an dieser Stelle ausgelassen und auf die allesamt gescheiterten originalgetreuen "Reflex"-Replikationen habe ich bereits mehrfach hingewiesen. Hier und jetzt geht es nur noch um das "seit mehr als 20 Jahren international eingeführten biologischen Testverfahren".

Adlkofer spricht vom "Comet Assay", der allerdings keineswegs so außer Frage steht wie er uns weismachen will. Der Schweizer Wissenschaftler Primo Schär hält den Comet Assay als Detektor EMF-induzierter DNA-Strangbrüche sogar für ungeeignet. Im Rahmen des Seawind-Projekts stellte er 2012 fest:

[...] Die erste Versuchsreihe konzentrierte sich auf die Replikation von zuvor berichteten Beobachtungen mit dem alkalischen Comet-Assay, die auf eine Induktion von DNA-Schäden durch mobilfunkspezifische UMTS- und GSM-Signalmodulationen in primären humanen Fibroblasten und immortalisierten humanen Trophoblastenzellen (HTR-8/SVneo-Zellen) hinwiesen. Trotz erheblicher Anstrengungen, die Sensitivität unserer Assays zu optimieren, konnten diese Effekte in den beiden SEAWIND-Partnerlabors jedoch nicht bestätigt werden. Auch die anschließende systematische Prüfung möglicher Effekte der WiFi-, RFID- und CW-Expositionssignale in den Comet-Assays erbrachte keine Hinweise auf eine Induktion von DNA-Schäden.[...]

Dies bedeutet nichts anders, als dass auch der "Reflex"-Replikationsversuch von Primo Schär gescheitert ist. Dass Diagnose-Funk dennoch seit 2007 behauptet "Der Wiener Laborversuch wurde übrigens vom Basler Forscher Primo Schär wiederholt – und erneut beschädigte die Handy-Strahlung das Erbgut", ist nur eine der vielen Falschmeldungen des Vereins, die auf einer hier dokumentierten peinlichen Verwechslung beruht.

Schär ließ es jedoch nicht bei dem Fehlversuch bewenden. Er forschte nach, warum sein Versuch zu ganz anderen Ergebnissen kam als "Reflex", und fand folgende Erklärung, die für sich spricht:

[...] Geringfügige Variationen der experimentellen Bedingungen, die auf Unterschiede in der technischen Infrastruktur zwischen den Laboren zurückzuführen sind, sind jedoch schwer zu eliminieren und haben möglicherweise zu widersprüchlichen Ergebnissen ähnlicher Experimente in der Vergangenheit beigetragen. Wir haben uns mit dem Problem der experimentellen Variation befasst und uns auf die Konsistenz der Ergebnisse konzentriert, die von verschiedenen Comet-Analyse-Pipelines erzeugt wurden. Dabei zeigte sich, nicht unerwartet, dass die in den beiden Partnerlaboratorien verwendeten Methoden leicht unterschiedliche Ergebnisse aus ansonsten identischen Experimenten oder sogar Datensätzen lieferten. So können sich kleine technische Probleme wie diese im mehrstufigen Protokoll des Comet-Assays summieren und in einer experimentellen Gesamtabweichung gipfeln, die, wenn der untersuchte Effekt gering ist, in einigen Analysen zu kleinen positiven und in anderen zu negativen Ergebnissen führen kann. Dies ist ein vernachlässigbares Problem, wenn die untersuchte Substanz eindeutig DNA-toxisch ist und homogen die meisten Zellen in einer Population mit einer konsistenten Dosis-Abhängigkeit beeinflusst. EMF-Exposition hat jedoch nie starke dosisabhängige Reaktionen hervorgerufen und die Daten, die positiven Effekten zugrunde liegen (z.B. ELF-EMF-exponierte menschliche Zellen), deuten darauf hin, dass nur eine Subpopulation von Zellen in einer Kultur betroffen sein könnte. Alles in allem deutet die inkonsistente Natur der EMF-Effekte im Comet-Assay stark darauf hin, dass diese Art der Exposition die chemische Struktur der DNA nicht schädigt. Sie kann jedoch bestimmte Aspekte der Zellphysiologie in einer Weise beeinflussen, die den Gleichgewichtszustand der natürlich auftretenden DNA-Strangbrüche in einigen Zellen verändert. [...]

(Übersetzt mit deepl.com)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Entwertung, Schär, Falschmeldung, Adlkofer, Diagnose:Funk, Kompetenzgefälle, Plurv, Genotoxizität


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