Mittelwertakzeptanz bei Bürgern (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 10.11.2007, 23:39 (vor 6035 Tagen) @ Doris

Wir (also unsere BI) messen immer Spitzenwert, egal bei was

Diese Diskussion um Spitzenwert- und Mittelwertmessung hat sich unmittelbar auf das ausgewirkt, was wir heute gemacht haben: Breitbandige Orientierungsmessungen in 23 Haushalten. Dazu sind wir heute den ganzen Tag auf Achse gewesen, mir qualmen die Socken und der Magen hängt in den Kniekehlen.

Warum ich die Aktion überhaupt hier im Forum erwähne: Wir haben ausnahmslos Mittelwerte gemessen und daraus auch keinen Hehl gemacht. Im Gegenteil, bei einigen Leuten haben wir gefragt, ob wir sie erschrecken dürften, und haben ihnen dann in der Nähe ihrer DECT-Basen mörderische Spitzenwerte über 100 mW/m² präsentiert. Dann die Umschaltung auf Mittelwert und die daraus resultierenden Messwerte im einstelligen Mikrowattbereich. Wir erklärten, dass bei der Spitzenwertmessung die lange Pausen zwischen den Impulsen der DECT-Basis schlicht und einfach nicht berücksichtigt werden und der Messwert daher zwar schön hoch, aber unzutreffend sei. Zur Visualisierung malten wir bei einigen den typischen DECT-Puls auf, um zu zeigen, dass das völlige Ignorieren der Signalpausen eine reichlich dubiose Angelegenheit ist und die Mittelwertmessung eben diese Signalpausen angemessen berücksichtigen würde. Die Akzeptanz dieser Erklärung war bei ausnahmslos allen 23 Haushalten 100 %. Ich finde dies ein bemerkenswertes Ergebnis: Nicht in einem einzigen Haushalt wurde die Mittelwertmessung irgendwie infrage gestellt, sondern nach der Erklärung als völlig logisch und richtig akzeptiert. Niemand fragte nach einer Spitzenwertmessung, obwohl sich mehrere schon im Internet auf mobilfunkkritischen Seiten informiert hatten.

Gallig wurde ich, als mir einer sagte, er hätte bei der Website "Der Mast muss weg" gelesen, UMTS-Strahlung von Sendemasten sei 10-mal gefährlicher als bei GSM-Sendemasten. Da merkte ich dann unangenehm deutlich, dass die verdrehte Darstellung bei "Der Mast muss weg" exakt meine Befürchtungen bestätigt: Die UMTS-Studie von Prof. A. wird kurzerhand und völlig ungerechtfertigt als Argument im Kampf gegen UMTS-Sendemasten verwendet, obwohl sie sich allein auf die Feldintensitäten von Handys bezieht. Die daraus resultierenden langen Diskussionen hätten wir uns ersparen können, wenn hier mit mehr Sachverstand informiert wird. So kostete uns allein diese eine Richtigstellung etwa 30 bis 45 Minuten. Dafür vielen Dank nach Stuttgart, Klasse gemacht :angry:!

Trotz der wenig spektakulärer Mittelwertmessung konnten wir dennoch Werte bis über 2 mW/m² messen. In einem Fall war der Schlafplatz eines Säuglings ausgerechnet in einem "Hotspot" von rd. 1 mW/m² gelegen. Da DECT und W-LAN als Quelle derart hoher Mittelwerte ausscheidet und der nächste GSM-Sender ein paar 100 m entfernt ist, suchten wir nach einer Erklärung. Wir fanden diese im nur wenige Kilometer entfernten Münchener Olympiaturm, der üppig mit Antennen aller Couleur bestückt ist. Immer dann, wenn in dem Turm zugewandeten Zimmern gemessen wurde, schnellten die Werte in Fensternähe stark hoch.

Von den 23 Haushalten standen die Bewohner von 21 Haushalten zwar interessiert aber mehr oder weniger leidenschaftslos der Errichtung eines Sendemasten in der Nachbarschaft gegenüber, bei zwei Haushalten war die Besorgnis deutlich höher ausgeprägt als bei allen anderen. Wir wurden ausnahmslos freundlich empfangen und haben bei der Aktion viele wirklich nette Zeitgenossen kennengelernt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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