Wohnen neben einem Funkmasten - na und? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 02.07.2015, 00:33 (vor 3264 Tagen) @ WindLicht

Hallo,
ich bin neu hier und habe gleich eine Frage:
Könnte es sein, dass hier in dem Forum anfangs kritischer mit dem Thema Mobilfunk umgegangen wurde als es jetzt der Fall ist? Habe mal ältere Beiträge gelesen und es scheint, als sei man da noch ängstlicher mit dem Thema umgegangen-oder täusche ich mich?

Nein, Sie täuschen sich nicht. Wir (2 Erwachsene, 3 "Kinder") wohnen seit 2002 Auge in Auge mit drei Mobilfunk-Sendemasten (16, 90 und 300 Meter Abstand) in einer Münchener DG-Wohnung. Wir hatten anfangs große Angst. Unser eigentlicher Fehler aber war: Wir informierten uns bevorzugt auf Webseiten, die uns in unserer Angst bestätigten. Das tat uns gut, wir sahen uns als Opfer und wähnten uns als Teil einer großen Gemeinschaft von vermeintlich hilfsbereiten Mobilfunkgegnern, die es mit der vermeintlich gemeinen Mobilfunkindustrie aufnehmen konnte. Kurz gesagt: Wir waren "nützliche Idioten". Was danach passierte können Sie im Forum nachlesen, oder kürzer in unserer Selbstdarstellung.

Da ich neben einer MFAntenne wohne, mache ich mir schon so meine Gedanken und ich möchte hier wegziehen.

Wir waren damals aggressiver. Ein Plan war, den Mast vom Nachbardach zu flexen. Wir hätten ja nur auf dem Dachfirst 16 Meter rüberrtuschen müssen. Ein anderer Plan war, mit metallisierten Heliumballonen den Richtfunkempfang und damit den Betrieb des Masten zu stören. Ein dritter Plan sah den Einsatz eines Jammers vor (Störsender). Alles illegal. Wir haben Vodafon dann auf legale Weise einen Antennenkranz abgetrotzt. Ich erzähle Ihnen das so ausführlich, damit Sie sehen: Was Sie jetzt durchmachen, hatten wir 2002 erlebt. Wegziehen müssen Sie nur, wenn Ihr Bauch über den Verstand siegt und Sie einer Sachargumentation nicht mehr zugänglich sind. Wir wohnen inzwischen in Frieden mit unseren Masten. Sie sind nicht schön, krank aber haben sie uns und unsere Nachbarschaft nicht gemacht.

Wie ist der Stand der Dinge, was würdet ihr sagen zu dem Thema? Soll ich mich nicht verrückt machen?

Nicht verrückt machen lassen ist leichter gesagt als getan, wenn einem die Angst die Hand an die Gurgel legt. Wenn Sie ein eher rationaler Mensch sind, haben Sie gute Chancen. Denn dann müssen Ihnen Widersprüche auffallen: Z.B. wieso haben wir in München über 6000 Mobilfunkantennen aber keine einzige Anti-Mobilfunk-Bürgerinitiative mehr? Oder: Wie konnte es passieren, dass in Deutschland Sendemasten an ungefähr 80'000 Standorten eingerichtet wurde, es aber nur vereinzelt Protest gibt? Sind die anderen alle dumm oder was? Oder: Wieso werden Sendemasten bekämpft, nicht aber Handys? Oder: Warum gibt es unter etablierten Mobilfunkgegnern so viele selbsternannte Experten, die völlig fachfremd sind und über Dinge reden, die sie nicht verstehen?

Der Funkmasten ist direkt zu sehen, wenn ich aus dem Wohn- und Schlafzimmerfenster sehe.

Dies sagt noch nichts über die bei Ihnen zu erwartende Immission. Der Abstand zu einem Sendemast ist bei Abständen unter ca. 200 Meter kein einfacher Ratgeber nach der Formel: Je mehr, desto besser.

Höchstens ein paar Meter weit entfernt.

Genauer bitte! Mit Google Earth können Sie am PC Abstände (horizontal) sehr genau messen, vertikale Abstände (zur Unterkante der untersten Antenne am Mast) müssen Sie schätzen. Sind Sie auf gleicher Höhe mit den Antennen ist die Immission hoch, müssen Sie zu den Antennen nach oben schauen, kann die Immission bei Ihnen alle paar Meter Wohnung mal hoch und mal niedrig sein. Eine Messung schafft relativ schnell Klarheit, das Geld können Sie sich mMn jedoch sparen, denn auch die höchsten Werte werden weit unter Grenzwert sein. Wenn Sie aber zum Entängstigen unbedingt Messwerte brauchen, dann nur zu. Ein seriöser Messtechniker wird Ihnen Effektivwerte (RMS) nennen, andere werden versuchen, Ihnen mit Spitzenwerten (Peak) noch mehr Angst einzujagen, als Sie jetzt schon haben.

Ich habe 2 kleine Kinder hier und fühle mich so unwohl aufgrund des Gedankens, ständig "bestrahlt" zu werden.

Bedanken Sie sich bei den etablierten Mobilfunkgegnern und den Medien, dass Sie sich mit diesem Bauchgefühl herumschlagen müssen. Ihre Angst ist verständlich aber irrational. Seriöse Expertengremien prüfen weltweit regelmäßig, ob die Grenzwerte noch zeitgemäß sind. Bislang gaben die immer grünes Licht. Heißt für Sie: Keine Gefahr, wenn bei Ihnen 10 W/m² gemessen würden (Höchster Grenzwert). Nur, dieser Wert wird bei Ihnen nicht gemessen, sondern aller Voraussicht nach ein 100-, 1000- oder 10'000-mal niedrigerer Wert. Sie ängstigen sich trotzdem? Dann fragen Sie sich kritisch und ernsthaft: Warum eigentlich? Und dann prüfen Sie die Interessenlage derjenigen, die Ihnen diesen Floh ins Ohr gesetzt haben.

Ich nutze weder WLan noch schnurloses Tel. Handy nur im Notfall.

Das hört sich nicht gut an, denn es weckt bei mir spontan den Verdacht: Sie sind bereits von den Standardparolen der Anti-Mobilfunk-Szene infiziert und vermutlich eine überzeugte Mobilfunkgegnerin, die sich mit ihren gefühlten Ängsten auf der subjektiv sicheren Seite sieht und nicht wirklich daran interessiert ist, auf die Seite der Objektivität zu wechseln. Sollte meine dunkle Ahnung zutreffen, werden Sie sich hier im Forum schnell missverstanden sehen und Ihre Exkursion im Zorn abbrechen. Ich hoffe, ich täusche mich.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Interessenkonflikt, Angst, Objektivierung, Bauchgefühl, BNetzA, nützliche Idioten


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