5G-Tea-Party: 180 Wissenschaftler und Ärzte warnen – wirklich? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 10.04.2019, 14:52 (vor 2072 Tagen) @ H. Lamarr

Was derzeit gegen 5G in den Medien und auf Petitionsplattformen abläuft, erinnert stark an die Tricks, mit denen die Tea-Party-Bewegung in den USA ins Bewußtsein der Bevölkerung manipuliert wurde. Die Bewegung richtete sich gegen Präsident Barak Obama, wer die Strippen zog ist inzwischen weitgehend bekannt. Auch die Tabakindustrie war anfangs mit dabei. Wer hinter der 5G-Tea-Party steckt oder ob hier überhaupt Marionettenspieler am Werk sind, ist derzeit unklar.

Dreh- und Angelpunkt der 5G-Tea-Party ist der "Wissenschaftler-Appell", mit dem Lennart Hardell und Rainer Nyberg im September 2017 von der EU-Kommission eines Baustopp für 5G-Netze forderten, bis "unabhängige Wissenschaftler" die Unbedenklichkeit der 5G-Technik festgestellt hätten. Mit einem Brief an Hardell und Nyberg lehnte Arūnas Vinciunas, Kabinettschef des EU-Gesundheitskommissars Vytenis Andriukaitis diese Forderung am 29.11.2017 als überzogen ab. Ende 2017 schien der Appell wirkungslos verpufft zu sein, ein Irrtum, wie sich später herausstellen sollte.

Bis Herbst 2018 blieb der Appell in der Versenkung verschwunden. Wiederbelebt wurde er erst wieder, als ab Ende 2018 zuerst in den USA und Asien, später auch in Europa die Vorbereitungen zum Aufbau von 5G-Netzen begannen. Urplötzlich war der "Wissenschaftler-Appell" der zentrale Aufhänger für viele Protest-Petitionen und politische Anfragen in Parlamenten. Ob Hardell und Nyberg dies von Anfang an geplant hatten ist nicht bekannt. Tatsache ist, die Wiederbelebung war kein Zufall, die internationale organisierte Anti-Mobilfunk-Szene ist maßgeblich daran beteiligt, den Appell gezielt in die Öffentlichkeit zu tragen und zum Mittelpunkt der 5G-Tea-Party zu machen. Auch ein im September 2018 von dem US-Amerikaner Arthur Firstenberg initiierter weiterer Appell dient diesem Zweck. Das Mantra, mit dem beide Appelle vermarktet werden ist kurz und immerzu gleich: Soundsoviele Wissenschaftler (und Ärzte) warnen eindringlich vor der Einführung von 5G.

Die erhoffte Wirkung liegt auf der Hand:

Wissenschaftler und Ärzte gelten in weiten Teilen der Bevölkerung als Autoritäten, wenn diese vor 5G warnen, muss die Warnung ernst genommen werden.

Autoritäten vorzuschieben ist ein bekannter rhetorischer Trick. Der Philosoph A. Schopenhauer (1788 – 1860) hat diesen in seiner "Technik des Diskutierens" als Kunstgriff 30 beschrieben: "Statt der Gründe brauche man Autoritäten nach Maßgabe der Kenntnisse des Gegners. Man hat also leichtes Spiel, wenn man eine Autorität für sich hat, die der Gegner respektiert." Fachkompetente Leute lassen sich von diesem Trick kaum übertölpeln, denn sie respektieren keine oder nur wenige Autoritäten. Bei fachlichen Laien hingegen funktioniert der Trick gut, je ungebildeter diese sind, desto stärker akzeptieren sie beliebige und selbst minderwertige Autoritäten. Populisten spielen die Geige des Kunstgriffs 30 in aller Welt gerne, er entbindet sie davon, belastbar zu argumentieren und Behauptungen nachvollziehbar zu begründen.

Wären nun die Wissenschaftler und Ärzte des Appells tatsächlich Wissensträger, die die befürchteten gesundheitlichen Risiken der 5G-Technik verantwortungsvoll, frei von persönlichen Interessen und fachkompetent beurteilt hätten, wäre Schopenhauers Kunstgriff 30 nicht verwerflich, sondern ein komfortables Mittel zur verkürzten Argumentation. Auf Nachfrage könnte die Qualifikation der Autoritäten ja jederzeit belegt werden. Doch bei den Appellen gegen 5G fragt niemand nach, Petenten, Medien, Politiker und aufgeregte Bürger bedienen sich des Mantras genau so autoritätsgläubig, wie es Schopenhauer prophezeit hat. Der Trick funktioniert bestens. Aus gutem Grund, denn eine Beurteilung der Unterzeichner beider Appelle ist Außenstehenden nur mit sehr hohem Aufwand möglich. Leichter hat es, wer die Wortführer der Anti-Mobilfunk-Szene kennt.

Um es kurz zu machen: So gut wie alle der momentan 30 deutschsprachigen Unterzeichner des Appells von Hardell/Nyberg kennen sich untereinander, sie sind Teilnehmer der organisierten Anti-Mobilfunk-Szene in den D-A-CH-Ländern. Anzunehmen, dass es sich bei anderen Unterzeichnern ähnlich verhält. Die folgende Liste bringt von den vielen Einwänden, die gegen die meisten Unterzeichner (hier im Forum) zu finden sind, nur jeweils einen als Beispiel. Was sich grundsätzlich gegen Ärzte als Autoritäten in Sachen Mobilfunk vorbringen lässt, bitte <hier> nachschlagen.

Österreich
Gerd Oberfeld, Arzt, fand Krebshäufung um einen Sender, der nicht existierte.

Deutschland
Franz Adlkofer, Arzt, Ex-Tabaklobbyist, auf dessen Wiener Mobilfunkstudie (Reflex) ein Fälschungsverdacht lastet.
Christine Aschermann, Nervenärztin im Ruhestand, glaubt an Hautverbrennung durch Handys.
Mario Babilon, medienerprobter "elektrosensibler" Informatiker.
Wolf Bergmann, Homöopath, handelte sich schon eine Abmahnung ein.
Rainer Frentzel-Beyme, Epidemiologe, 2003 unsanft emeritiert, auf altem Kenntnisstand.
Helmut Breunig, "elektrosensibler" Forstwirt, hält auch Bäume für "elektrosensibel".
Klaus Buchner, Mathematiker, einer der schlimmsten Anti-Mobilfunk-Populisten Deutschlands.
Horst Eger, Arzt, Vater der berühmt-berüchtigten Naila-Studie.
Karl Hecht, Arzt, 95 Jahre, hatte zuletzt Kompetenzdefizite.
Peter Hensinger, ein gelernter Drucker, der sich als Elektrosmog-Experte versucht.
Markus Kern, Arzt, hat "elektrosensible" Ehefrau, die bei Religionssekte gegen 5G poltert.
Florian M. König, ein Pseudowissenschaftler.
Andrea Leute, Ärztin, unbekannt
Martin Lion, Arzt, unbekannt
Peter Ludwig, Literatur- und Kulturwissenschaftler.
Willi Mast, Arzt, kandidiert für Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands.
Joachim Mutter, geschäftstüchtiger Umweltmediziner, der sich zu Geistheiler verirrte.
Gertraud Teuchert-Noodt, emeritierte Neurobiologin, sitzt im Vorstand eines Anti-Mobilfunk-Vereins.
Peter Ohnsorge, Arzt, Mitautor einer fragwürdigen "EMF-Leitlinie".
Karl Richter, emeritierter Literaturprofessor, Gründer eines Anti-Mobilfunk-Vereins.
Claus Scheingraber, Zahnarzt, fiel auf "Eier-Hoax" herein.
Cornelia Waldmann-Selsam, Ärztin, glaubt an "elektrosensible" Bäume.
Werner Thiede, Pfarrer, schreibt sich dennoch über Elektrosmog die Finger wund.
Helmut Wagner, Arzt, unbekannt
Harald Walach, Psychologe, umstrittener Esoteriker aus "Hogwarts an der Oder".
Ulrich Warnke, emeritierter Wissenschaftler, geschäftstüchtig.
Isabel Wilke, Biologin im Ruhestand, Redakteurin des Kampfblättchens "Elektrosmog-Report".
Roland Wolff, Physiker, bedrängt Elon Musk mit Brandbrief, die Finger von 5G zu lassen.
Ortwin Zais, Arzt, Vereinsfunktionär, will Umweltmedizin salonfähig machen.

Schweiz
Bislang zeigt der Appell keine Unterzeichner aus der Schweiz.

weiter zu Teil II ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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