Havanna-Syndrom: Wahrnehmungsverzerrung einer Elektrosensiblen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 06.02.2022, 23:30 (vor 1023 Tagen) @ H. Lamarr

Zum Original-Artikel in der New York Times.

Solange das Havanna-Syndrom noch weitgehend rätselhaft war und stellenweise erwogen wurde, in böser Absicht gezielt eingesetzte Funkstrahlung könne die Ursache für die Symptome sein, war das Interesse von Eva W. aus O. in M. am Havanna-Syndrom groß. Mehrfach verlinkte sie in den vergangenen Jahren auf frische Medienberichte, zuletzt wies sie am 13. Januar 2022 auf das bislang jüngste Auftreten des Havanna-Syndroms in Genf hin. Die gesteigerte Wahrnehmung von Eva W. für diesbezügliche Vorfälle ist leicht zu erklären, denn sie leidet unter Elektrosmog-Phobie und in ihrer Denkwelt wäre es für sie ein Triumph, würde sich Funk als heimtückische Tatwaffe böser Mächte herausstellen.

Gemeinerweise versalzte der Auslandsgeheimdienst der USA Frau W. nur wenige Tage nach ihrem Posting die Suppe, indem die CIA bekannt gab, die überwiegende Mehrheit von rd. 1000 untersuchten Fällen mit Havannah-Syndrom hätten keine Hinweise auf ein Fremdverschulden ergeben, vielmehr habe sich der Nocebo-Effekt als Täter herausgestellt. Diese Nachricht beraubte Frau W. einer schönen Illusion und wurde deshalb von ihr möglicherweise unbewusst "übersehen". Jedenfalls verlinkte sie auf keine dieser Meldungen, die durch die Medien gingen. Schuld daran ist eine allgegenwärtige Wahrnehmungsverzerrung, der wir alle unterliegen: Was uns in unseren Vorstellungen und Vorurteilen bestätigt nehmen wir erheblich deutlicher wahr als etwas, das dagegen spricht. Doch wer sich dem widerstandslos hingibt, kann wegen Informationsmangel einen Sachverhalt nur noch subjektiv und nicht mehr objektiv beurteilen. In Echokammern und Filterblasen fällt dies nicht weiter auf, in der realen Welt stoßen Betroffene jedoch häufig auf Unverständnis und Ablehnung.

Trostpflaster für Eva W.: Nichts ist beständig, nur der Wandel. War der oben zitierte CIA-Bericht zu Beginn meines Postings bei mir noch Stand der Dinge, musste ich mich soeben von n-tv mit einer Meldung vom 3. Februar 2022 eines besseren belehren lassen. Gemäß CIA, heißt es dort, könnten manche Fälle des sogenannten Havanna-Syndroms bei amerikanischen Diplomaten gezielt durch eine Art elektromagnetischer Strahlung ausgelöst worden sein. Also doch!, wird Frau W. mutmaßlich erfreut denken, während ich mich frage, was genau die CIA wohl unter der kryptischen Formulierung "einer Art elektromagnetischer Strahlung" verstehen mag.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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