Sieben Fragen, sieben Zumutungen (Elektrosensibilität)

AnKa, Samstag, 13.09.2008, 18:21 (vor 5915 Tagen) @ Siegfried Zwerenz

Anfrage an Prof. Alexander Lerchl

Einmal abgesehen davon, dass der im Video vorgeführte Versuch mich an meinen Physikunterricht erinnert hat, also warme nostalgische Gefühle zu erwecken in der Lage ist, stellt der Beitrag des Herrn Zwerenz hier doch wirklich einmal ein schönes Dokument zur Denkweise der Mobilfunk-Fundamentalkritikerfraktion dar.

Die Abhandlung zu den „Hot Spots“ (wieder so ein Schlagwort, das sich prima zum Angsterzeugen eignet, nachdem „Blut-Hirn-Schranke“ seine publizistische Halbwertszeit überschritten hat) ist noch einigermaßen nachvollziehbar, außer vielleicht an der Stelle, wo Wellenausbreitung im Raum und im Gewebe ein bisschen zu schlicht gestrickt nebeneinander gestellt werden.

Als ich schließlich bei den SIEBEN FRAGEN angekommen war, und schliesslich bei dieser....

„Wären für Sie Kopfschmerzen, Unwohlsein und Unkonzentriertheit ein Grund diesen Beschwerden auf den Grund zu gehen oder spielen für Sie solche Beschwerden keine Rolle?“

....wurde es mir dann doch zu bunt.

Wie nebenbei enthält nämlich diese Frage eine recht unverblümte persönliche Unterstellung. Die inquisitorische Absicht in der Fragestellung ist bereits in der Semantik angelegt: Die angebotene „oder“-Verknüpfung lässt dem Angesprochenen nämlich nur scheinbar eine Wahl.

So wie in diesem Beispiel fragen Menschen, die Zwang und Druck ausüben wollen.

Der gleiche Stil lässt sich in den SIEBEN FRAGEN des Herrn Zwerenz wieder und wieder entdecken. Ein in seinem Wesen totalitäres Denkmuster, stets darauf bedacht, dem Gegenüber Wunschaussagen abzuzwingen, statt mit ihm zu diskutieren, ist tief in diese Art von mobilfunkkritischer Wolle eingefärbt.

Man lasse sich das Folgende einmal auf der Zunge zergehen, besser noch: man versuche einmal, sich in die Haut des Angesprochenen hineinzuversetzen:

„Wäre dies Ihrer Meinung nach von der Menschheit zu akzeptieren“

„Im Falle des Nachweises von Schlafstörungen, würden Sie dann Ihre Argumentation ändern und eine Schädlichkeit von Hochfrequenzfeldern anerkennen?“

„Wäre dies Ihrer Meinung nach den Menschen (z.B. auch Schülern an den Schulen durch WLAN) zuzumuten“

„Im Falle des Nachweises von Kopfschmerzen, Unwohlsein und Unkonzentriertheit, würden Sie dann Ihre Argumentation ändern und eine Schädlichkeit von Hochfrequenzfeldern anerkennen?“

Dies sind Fragen, die dem Angesprochenen keine Wahl zugestehen.

Diese Fragen stellen in der Wirkung, die von ihnen ausgehen soll, verklemmt und hinterlistig vorgetragene Anklagen dar: Jede von „Nein“ abweichende Antwort, also etwa eine solche, die kraft ihres Inhalts den Nachdenklichen erkennen lassen würde, müsste den Angesprochenen zwangsläufig als Feind nicht weniger als der gesamten „Menschheit“ bloßstellen. Darunter tut es der Herr Zwerenz nicht:

„Wie viel Prozent der Bevölkerung muss davon betroffen sein dass es Ihrer Meinung nach eine Reduzierung der Grenzwerte nach sich ziehen müsste.“

Diese Frage halte ich für besonders perfide. Nicht ernsthaft kann der Fragesteller erwarten, dass ihm Prof. Lerchl oder sonst irgendwer die vorgeblich gewünschte Prozentzahl nennt. Jede andere Antwort aber könnte der Fragende als Ausweichen brandmarken. Diese Frage ist also eine, auf die keine Antwort gewünscht wird. Ihr Zweck besteht darin, den Befragten anzuklagen und ihn verstummen zu lassen.

"Wenn sie zu den oben gestellten Fragen nicht antworten wollen, dann begründen Sie bitte warum."

Fundamentalisten-Denken drückt sich dadurch aus, dass die vorgeblich sachliche Erörterung in Verknüpfung mit Zumutungen an den Gegenüber daherkommt, die jener nicht akzeptieren kann, sofern er dem eigenen Recht auf Freiheit seiner Gedanken auch nur irgend einen Wert beimisst.

Ich jedenfalls, wäre ich angesprochen, wüsste, wie ich meine Weigerung, diese intellektuellen Zumutungen zu beantworten, begründen würde.

(Aber immerhin, der Film mit den Frequenzauslöschungen ist richtig nett. Ich hatte eine nette, ältere Physiklehrerin. Das war eine resolute Frau mit einem philosophischen Blick auf das Fach, das sie lehrte. Sie lehrte auch Mathematik. Es fühlt sich irgendwie angenehm an, dass ausgerechnet die mir einfiel, als ich mir Herrn Zwerenz’ Filmchen angesehen habe.)

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"Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere." (Groucho Marx)


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