Die große Thomas-Fluri-Kritik an der Metas-5G-Messempfehlung (Technik)

H. Lamarr @, München, Samstag, 06.01.2024, 22:11 (vor 350 Tagen)

Überzeugte Mobilfunkgegner leiden häufig unter einer kapitalen Selbstüberschätzung ihrer Fähigkeiten. Gepaart mit Selbstgewissheit entsteht daraus zuweilen eine querulativer Mensch, der gerne Mitarbeiter von Ämtern und Behörden terrorisiert. Mit dem Ex-Elektriker Hans-U. Jakob und dem selbstständigen Elektroingenieur Thomas Fluri haben zwei derart veranlagte Don Quijotes in ihrem Kampf gegen 5G zusammengefunden. Das konnte nicht gut gehen.

Gigaherz-Präsident Jakob muss ich nicht vorstellen, er ist hier gut bekannt. Thomas Fluri (73) studierte an der ETH Zürich Elektrotechnik (Fachrichtung unbekannt) und betreibt seit 1983 in Derendingen, Schweiz, ein Ingenieurbüro. Anfangs als Kommanditgesellschaft, seit 2005 als Einzelkämpfer. Die Dienstleistungen, die Fluri anbietet, kann man auf seiner Firmenwebsite erahnen. Die Verbindungslinie zwischen dem Elektroingenieur und dem Ex-Elektriker sind nicht ihre Berufe, sondern etwas ganz anders: Fluri und seine Ehefrau sind davon überzeugt "elektrosensibel" zu sein. Das macht sie zu Jakobs Anhängern. Die beiden wollen um 2018 herum entdeckt haben, auf Funkwellen von W-Lan und Bluetooth zu reagieren. Probleme hätten sie im Supermarkt an der Kasse, in öffentlichen Spitälern oder im Zug, überall dort, wo die Strahlung besonders hoch sei. «Die Symptome, die wir spüren, sind Schlaflosigkeit, Energielosigkeit, Bluthochdruck, Herzprobleme oder Krämpfe», erzählten sie 2020 dem SRF.

Fachtechnische Beurteilung eines "elektrosensiblen" Elektroingenieurs

Für Gigaherz-Jakob, dem 5G ein ewiges Rätsel bleiben wird, ist der Elektroingenieur eine hochwillkommene Verstärkung in seinem Kampf gegen 5G. Denn Anfang 2021 glaubte Fluri, sich mit dem staatlichen Schweizer Metrologischen Institut Metas anlegen zu müssen. Dieses hatte im Jahr zuvor eine Empfehlung zur Messung von Immissionen an 5G-Basisstationen im Frequenzbereich bis 6 GHz veröffentlicht, die dem Elektroingenieur gar nicht gefiel. Er setzte sich noch im Dezember 2020 an seinen Schreibtisch und verfasste flugs eine geharnischte Kritik an der Messempfehlung. Unter dem unleserlichen Titel "Fachtechnische Beurteilung: Irreführende, technisch nicht umsetzbare minimale ERP Leistungsangaben zu aktiven, adaptiven massiv MIMO 5G Makro-Antennen in den StDb1, Online Monitoring, QS2 und adaptive Antennen" kann man sich einen 16-seitigen Zwischenstand seiner Kritik hier ansehen. Die (unveröffentlichte) Endfassung sollte später 33 Seiten umfassen.

Wirres Zeug ist für Jakob hoch-technisch

Was der Empfänger Metas von dem Papier gehalten hat, ist nicht überliefert. Gigaherz-Jakob aber war völlig aus dem Häuschen, als er im Februar 2021 seinen Lesern "Die grosse Thomas Fluri-Kritik zu den unbrauchbaren Mess- und Berechnungsmethoden für 5G NR-Basisstationen von METAS" vorstellte, freilich ohne das Dokument selbst preiszugeben. Jakobs Begeisterung ist damit für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Doch sollte die Endfassung ähnlich wirr und unverständlich sein wie der Zwischenstand, darf gemutmaßt werden: Der Ex-Elektriker kapitulierte vor Fluris Papier, suchte die Schuld dafür bei sich, statt beim Autor, und hielt deshalb die Kritik – ihrer Unverständlichkeit wegen, irrtümlich für eine "hoch-technische, mathematische und physikalische Abrechnung" des Herrn Ingenieurs. Er hätte sie vielleicht besser für einen verfrühten Aprilscherz halten sollen ...

Beklemmende Stille nach dem Sturm

Auf die große Fluri-Kritik und Jakobs dilettantischen Beitrag folgten keinerlei sichtbare Reaktionen von Metas oder einer anderen Behörde. Wahrscheinlich aus dem hier angedeuteten Grund. Die beklemmende Stille hält bis heute an, weder Fluri noch Jakob gingen in den vergangenen drei Jahren noch einmal auf die "große Kritik" an der Metas-Messempfehlung ein: Keine Erneuerung der Vorwürfe, kein Beipflichten oder Kritik von fachlicher Seite, kein veröffentlichter Schlagabtausch zwischen Metas und Fluri, nur gähnende Leere. Blutige Laien in der Schweiz greifen allerdings nach jedem Strohhalm, um ihre irrationalen Ängste gegenüber 5G-Funkmasten irgendwie mit Argumenten zu stützen. Sie verwursten Fluris Einwände gutgläubig und unverdrossen in ihren Einsprachen gegen geplante 5G-Standorte (Beispiel). Das Gift, das Fluri mit Jakobs Hilfe in Umlauf brachte, es berauscht wohl noch geraume Zeit mobilfunkkritische Eidgenossen und gaukelt ihnen Erfolgsaussichten vor, die ihnen spätestens vor Gericht teuer zu stehen kommen.

Ausgewiesene Profis bauen auf Metas-Messempfehlung

Für echte Profis auf dem Gebiet der 5G-Funktechnik ist die Metas-Messempfehlung nicht unbrauchbar, sondern mustergültig. Sie schrieben 2022 in einem Bericht fürs BfS (Auszug):

Auch die Schweizer Empfehlung beschäftigt sich intensiv und teilweise sehr detailliert mit der messtechnischen Bestimmung der Immissionen bei 5G-Basisstationen. Vertieft behandelt werden hierbei:

• Verfahren zur Bestimmung der maximal möglichen Immission durch Messung eines Referenzsignals und anschließender Hochrechnung (frequenzselektiv, codeselektiv) und

• Strategien zur Ermittlung des vom Aspektwinkel abhängigen Korrekturfaktors ("Antennenkorrekturfaktor") für Anlagen, bei denen der SSB und der PDSCH nicht mit gleicher
Leistung (bzw. ERP) und über unterschiedliche Antennendiagramme abgestrahlt werden (Beamforming).

Besonders herauszuheben ist hierbei, dass in dieser Empfehlung besonders viel Augenmerk auf die Bestimmung des "Antennenkorrekturfaktors" gelegt wird und diesbezüglich im Dokument interessante neue Ideen zu finden sind, die in dieser detaillierten Art und Weise bisher noch nirgendwo thematisiert wurden.

Weitgehend aufbauend auf der Metas-Messempfehlung haben Kopacz, Bornkessel und Wuschek ein verfeinertes Messverfahren entwickelt und im Detail erläutert, mit dem bei 5G-Anlagen mit und ohne Beamforming die maximal am Messort mögliche Immission durch Messung eines Referenzsignals mit anschließender Extrapolation ermittelt werden kann, ohne dass dazu ein spezieller Eingriff in die Basisstation durch den Betreiber oder Systemtechniklieferanten erfolgen muss. Bei der Validierung des Verfahrens ergaben sich bei Verwendung von winkelabhängigen Extrapolationsfaktoren gute Übereinstimmungen zwischen den extrapolierten Messergebnissen und den direkt gemessenen Resultaten bei erzwungener Maximalabstrahlung in die Richtung zum Immissionsort. Insbesondere wurden keine übermäßigen Unterbewertungen bei den hochgerechneten Messergebnissen im Vergleich zu den bei erzwungener Maximalimmission gefundenen Werten festgestellt.

Was nun, Herr Jakob & Herr Fluri?

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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