Fluris große Metas-5G-Kritik: kleiner Faktencheck (V) (Technik)

H. Lamarr @, München, Freitag, 19.01.2024, 21:47 (vor 338 Tagen) @ H. Lamarr

Zitat Fluri (Seite 24 von 33)

Die angeblichen Vorteile der erhöhten Datenübertragungskapazität von adaptiven massiv MIMO Antennen haben einen Preis!

Ein Blick auf die ERP Leistungsangaben genügt:
ERP Leistung einer typischen 200 Watt adaptiven massiv MIMO Antenne mit typischer
ERP Gain von 150, resultierende abgestrahlte Leistung 30‘000 Watt
Vergleich mit einer typischen passiven Antenne, Einspeiseleistungen von ca. 100Watt
typische ERP Gain 30, resultierende abgestrahlte Leistung: 3000 Watt.

Der Preis ist ein Faktor 10 Mehrbelastung durch Mikrowellenbefeldung!

Von Äpfeln & Birnen ...

Der Elektroingenieur lässt in der zitierten Textpassage gleich mehrere Fünfen gerade sein. So hat er ganz vergessen zu erwähnen, dass seine Leistungsangaben Maximalwerte sind, die, wenn überhaupt, in der Praxis nur selten erreicht werden. Mag sinngemäß schon sein, dass ein Sportwagen mit Tempo 250 km/h über eine deutsche Autobahn brettern kann und dies zuweilen auch der Fall ist, Fluri tut aber so, als würde der Wagen überall und ständig dieses Tempo haben, in Spielstraßen, in Städten, auf Landstraßen ...

Außerdem lässt Fluri die räumliche und zeitliche Variabilität der Immission durch eine Massive-Mimo-Antenne sträflich außer Acht und tut so, als ob "intelligente" adaptive Antennen ihre Funkfelder genauso ausstrahlen würden wie "dumme" herkömmliche Antennen. Doch damit ist er ohne wenn & aber auf dem Holzweg.

30'000 Watt auf Biegen & Brechen

Fluris Vergleichsrechnung hinkt noch anderweitig, doch darum geht es mir hier und jetzt nicht, sondern um Fluris Rechenkunst.

Wer Fluris Angaben oben nachrechnet, auch Grundschülern sollte dies schon möglich sein, wird schnell feststellen, seine Leistungsangaben sind rein rechnerisch gesehen korrekt.

So weit, so gut. Doch jetzt bitte in Fluris Kritik weiterblättern auf Seite 29 (von 33). Dort tauchen die mörderischen 30'000 Watt noch einmal auf, diesmal im Zusammenhang mit der "Compliance Distance", die nichts anderes ist als der Sicherheitsabstand, der zwischen einer Funkantenne und dem Daueraufenthaltsort einer Person gegeben sein muss. Da beruflich exponierte Personen stärker befeldet werden dürfen als Privatpersonen, sind auf Seite 29 zwei Sicherheitsabstände genannt: Ein kleiner für Arbeitnehmer und ein großer für Privatleute.

Fluri zeigt die Formel zur Berechnung der Sicherheitsabstände und nennt konkrete Zahlenwerte für die Größen in der Formel. So weit ist noch alles im grünen Bereich. Wie auf Seite 24 beziffert er die in die Antenne eingespeiste Sendeleistung mit 200 Watt. Den Antennengewinn (Gain) aber hebt er von Faktor 150 auf 250 an! Daraus resultiert eine Strahlungsleistung von 200 Watt x 250 = 50'000 Watt. Nicht so bei Fluri, er bleibt auf Seite 29 bei seinen 30'000 Watt und verschenkt damit 20'000 Watt, die sich bestens für noch mehr Panikmache geeignet hätten :-). Da er sich zu seinem Nachteil vertan hat ist der Fehler nicht tragisch, Schlamperei hat in einer "Fachtechnischen Beurteilung" jedoch grundsätzlich nichts zu suchen.

Wie der Elektroingenieur darauf gekommen ist, dass eine Massive-Mimo-Antenne vom Typ AIR 6488 B42 mit einem Antennengewinn von Faktor 250 aufwartet, ist mir ein Rätsel. Denn das Datenblatt dieser Antenne gibt dazu keine Auskunft und Fluri verrät nicht, von wem er sich seinen Wert besorgt hat.

Sendeleistung vs. Strahlungsleistung (ERP)

Zum Schluss dieser Folge sei mir noch der Hinweis erlaubt, dass die Zahlenspielerei von Mobilfunkgegnern mit riesigen ERP-Leistungswerten so oder so blanker Unsinn ist, der allein dem Zweck dient, Laien irrationale Ängste gegenüber Funkwellen zu injizieren. Fluri hat sich den Unsinn wahrscheinlich bei Gigaherz-Jakob abgeschaut, der seit etwa 15 Jahren jeglichen Versuch abgewehrt hat, ihm klar zu machen, dass Antennen passive Bauelemente sind, die eine eingespeiste Sendeleistung nicht verstärken können. Was aussieht wie eine Verstärkung ist nur das Ergebnis einer Verformung des Antennendiagramms infolge der konstruktiv bedingten Richtwirkung von Richtantennen. Wer behauptet, aus 200 Watt Speiseleistung mache eine Massive-Mimo-Antenne 30'000 Watt Sendeleistung, hat das nicht verstanden.

In Deutschland ist es einfach, dort heißt die am Fußpunkt einer Antenne (Richtantenne) eingespeiste Leistung "Sendeleistung". Die von einer Antenne infolge ihrer Richtwirkung (Antennengewinn) gebündelt abgestrahlte Leistung heißt "Strahlungsleistung" oder ERP (Effektive Radiated Power). In der Schweiz ist es aus mir nicht bekannten Gründen anders. Dort ist in Standortdatenblättern mit "ERP: Sendeleistung" nur von einer mMn irreführenden Kreuzung der beiden in Deutschland gebräuchlichen Begriffe die Rede (Beispiel). Ganz sicher bin ich mir nicht, vieles deutet aber darauf hin, dass der Schweizer Begriff mit der deutschen Strahlungsleistung identisch ist, der Wert also bereits den Antennengewinn berücksichtigt. Sollte dies zutreffen, darf die ERP-Sendeleistung natürlich nicht noch einmal mit dem Antennengewinn multipliziert werden!

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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