Die große Thomas-Fluri-Kritik in der Rechtsprechung (II) (Technik)
Im Februar 2023 war die große Thomas-Fluri-Kritik auch Gegenstand der Betrachtung in einem Urteil (1C_100/2021) des höchsten Schweizer Gerichts (Bundesgericht). Zwei Beschwerdeführer wollten u.a. mit der Fluri-Kritik den Nachweis erbringen, amtliche Abnahmemessungen an neuen Mobilfunkstandorten seien für adaptive 5G-Antennen untauglich.
Doppelt genäht hält besser. Mit Urteil vom 13. Oktober 2023 stellte das Bundesgericht in Bezug auf adaptive 5G-Antennen abermals fest: Die vom Metas in seinem technischen Bericht empfohlenen Messmethoden können als tauglich und die Hochrechnungen der gemessenen Signalisierungs- bzw. Synchronisierungssignale auf den maßgebenden Betriebszustand als zulässig betrachtet werden. Lesen Sie hier ungekürzt, wie das Gericht zu dieser Einschätzung kam und sich damit gegen die Auffassung von Thomas Fluri stellt.
[...] Der Beschwerdeführer macht des Weiteren geltend, es existiere keine taugliche Methode zur Messung der Strahlung von adaptiven Antennen. Insbesondere sei der technische Bericht "Messmethode für 5G-NR-Basisstationen im Frequenzbereich bis zu 6 GHz" des Eidgenössischen Instituts für Metrologie (METAS) vom 18. Februar 2020 (nachstehend: METAS, Messmethode 5G) keine geeignete Grundlage zur Vornahme von Abnahmemessungen.
Die Vorinstanz vertrat im angefochtenen Urteil die Auffassung, es könnten gestützt auf den erwähnten technischen Bericht des METAS und dem dazu ergangenen Nachtrag vom 15. Juni 2020 Abnahmemessungen durchgeführt werden. Dies sehe nun auch die vom BAFU herausgegebene Publikation "Adaptive Antennen, Nachtrag vom 23. Februar 2021 zur Vollzugsempfehlung zur Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) für Mobilfunk- und WLL-Basisstationen, BUWAL 2002", ausdrücklich vor.
Im technischen Bericht des METAS vom 18. Februar 2020 wird zur Vornahme von Abnahmemessungen primär die code-selektive und sekundär die spektrale bzw. frequenzselektive Messmethode vorgeschlagen (METAS, Messmethode 5G, Ziff. 1.4 S. 4 f.). Mit Nachtrag vom 15. Juni 2020 nahm das METAS bezüglich der frequenzselektiven Methode Anpassungen vor (Ziff. 1 S. 2). Das BAFU veröffentlichte am 30. Juni 2020 Erläuterungen zur Messmethode für adaptive Antennen (nachstehend: BAFU, Erläuterungen zur Messmethode). Darin wird zusammengefasst ausgeführt, im Versorgungsgebiet würden zum einen über Signalisierungskanäle Informationen betreffend die Identifizierung der Funkzelle und die Synchronisation mit den Endgeräten und zum anderen über Verkehrskanäle Nutzdaten zwischen der Basisstation und Endgeräten übertragen (BAFU, Erläuterungen zur Messmethode, S. 1 Ziff. 1; vgl. auch BAKOM, Testkonzession und Messung, S. 6 Ziff. 2.1.3). Da der für die Einhaltung der Anlagegrenzwerte massgebende Betriebszustand der maximalen Sendeleistung bei maximalem Gesprächs- und Datenverkehr in der Realität nur selten auftrete und es auch nicht ohne Weiteres möglich sei, diesen Zustand während der Messung gezielt herzustellen, würden Abnahmemessungen in der Regel beim realen Betrieb der Anlage durchgeführt. Dabei eigneten sich die Signalisierungskanäle aufgrund ihrer periodischen Abstrahlung und konstanten Leistung am besten für die Messung (BAFU, Erläuterungen zur Messmethode, S. 1 Ziff. 1). Für diese sei das von der Antenne zum Endgerät gesendete sekundäre Synchronisierungssignal (SSS) des Signalisierungskanals ausgewählt worden (BAFU, Erläuterungen zur Messmethode, S. 2 Ziff. 2.1). Das Messergebnis werde anschliessend auf den massgebenden Betriebszustand hochgerechnet (BAFU, Erläuterungen zur Messmethode, S. 1 Ziff. 1). Der Umrechnungsfaktor Ki (φi, θi) setze sich bei adaptiven Antennen aus verschiedenen Elementen zusammen, welche die dynamischen Aspekte der adaptiven Antennen wiedergäben (BAFU, Erläuterungen zur Messmethode, Ziff. 2.2.1 S. 3). Stehe kein Messgerät für die code-selektive Methode zur Verfügung, könne eine frequenzselektive Messung durchgeführt werden, welche die elektrische Feldstärke generell überschätze (BAFU, Erläuterungen zur Messmethode, S. 6 Ziff. 2.3.1; vgl. Urteil 1C_542/2021 vom 21. September 2023 E. 5.1).
Das BAFU erläuterte in seiner Vernehmlassung, dass sich seit Vorliegen der Berichte des METAS Messfirmen bei der Schweizerischen Akkreditierungsstelle (SAS) für die vorgesehene Messmethode akkreditieren lassen und entsprechend Abnahmemessungen an adaptiven Antennen vornehmen könnten. Wie frühere Messmethoden für 2G bis 4G berücksichtige die Messmethode für 5G und adaptive Antennen, dass die zu einem beliebigen Zeitpunkt gemessene Strahlung einer Antenne nicht aussagekräftig für die Einhaltung der Grenzwerte der NISV sei, da die Strahlung während des regulären Betriebs stark variiere, die Einhaltung der Grenzwerte aber auf den massgebenden Betriebszustand abstelle. Dieser basiere auf einem (realistischen) Maximalwert. Abnahmemessungen bei Mobilfunkantennen erfolgten deshalb in einem zweistufigen Verfahren: Effektiv gemessen würden die Synchronisationskanäle, da diese dauernd und mit konstanter Leistung abgestrahlt und so einen definierten Zustand ergeben würden. Das Resultat werde anschliessend auf die gemäss dem Standortdatenblatt bewilligte massgebende Gesamtstrahlung hochgerechnet. Bei der code-selektiven Messmethode für adaptive Antennen und 5G komme einzig neu hinzu, dass die Synchronisationssignale und die eigentlichen Nutzsignale (Verkehrskanäle) mit unterschiedlichen, aber bekannten Antennendiagrammen abgestrahlt werden könnten. Wenn das der Fall sei, müsse bei der Extrapolation auf den massgebenden Betriebszustand zusätzlich zu den früheren Methoden noch eine Umrechnung der Diagramme vorgenommen werden. Im technischen Bericht des METAS sei detailliert beschrieben, wie die Hochrechnung der gemessenen Signalisierungs- resp. Synchronisationssignale auf den massgebenden Betriebszustand zu erfolgen habe. Die Anforderungen an die Messunsicherheit seien vom METAS gleich streng festgelegt worden wie bei den Messmethoden für ältere Mobilfunktechnologien. Ebenfalls wie bei älteren Mobilfunktechnologien seien für die Hochrechnung teilweise Angaben der Betreiber notwendig, wobei deren Richtigkeit von der Vollzugsbehörde resp. der Messfirma stichprobeweise überprüft werden könne.
Das Bundesgericht hat in diversen jüngeren Urteilen die Beurteilung des BAFU geschützt und festgehalten, dass der vom METAS herausgegebene technische Bericht zur Messmethode für 5G-Basisstationen gemäss seiner Zielsetzung für Abnahmemessungen von adaptiven Antennen verwendet werden kann, bis das METAS und das BAFU eine offizielle Messempfehlung herausgeben (vgl. Urteile 1C_542/2021 vom 21. September 2023 E. 5.5; 1C_527/2021 vom 13. Juli 2023 E. 5.5; 1C_101/2021 E. 5; 1C_100/2021 vom 14. Februar 2023 E. 8.3 und 8.4). Auf diese Erwägungen kann verwiesen und die vom METAS in seinem technischen Bericht empfohlenen Messmethoden können insofern als tauglich und die Hochrechnungen der gemessenen Signalisierungs- bzw. Synchronisierungssignale auf den massgebenden Betriebszustand als zulässig betrachtet werden.
[...]
Dem Beschwerdeführer kam sein Abenteuer teuer zu stehen. Das Bundesgericht wies seine Beschwerde ab, auferlegte ihm die Gerichtskosten von 4000 CHF und brummte ihm zusätzlich 3000 CHF auf, die er für das bundesgerichtliche Verfahren an die Beschwerdegegnerin zu zahlen hat.
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