"Phonegate-Skandal": Michèle patzte im EU-Parlament (Technik)

H. Lamarr @, München, Samstag, 20.06.2020, 23:38 (vor 1616 Tagen) @ H. Lamarr

Die erschreckend hohen SAR-Werte bei 0 Millimeter Messdistanz bedürfen der Erklärung. Denn es stellt sich die Frage, wieso die ANFR überhaupt diese Werte nennt, ist doch die gegenwärtig gültige Messdistanz zum Körper (nicht zum Ohr!) in Europa auf 5 Millimeter festgesetzt. Die Erklärung ist simpel: Da auf Erden auch Smartphones der Gravitation unterliegen, müssen sie irgendwie festgehalten werden. Üblicherweise hält man ein Smartphone dazu in der Hand, ohne 5 Millimeter Abstand zum Gehäuse einzuhalten, sondern man packt zu und hält es mit 0 Millimeter Abstand. Dies dürfte unstreitig sein. Doch für diese Gebrauchssituation gilt ein anderer Grenzwert, als der allseits bekannte Grenzwerte für Kopf und Rumpf von maximal 2 W/kg. Bei Direktkontakt mit den Gliedmaßen sind maximal 4 W/kg zulässig (aber 20 W/kg bei beruflicher Nutzung!).

Obwohl sich die EU-Abgeordnete Michèle Rivasi seit vielen Jahren mit dem "Risiko Mobilfunk" beschäftigt, leistete sie sich, angestiftet von Marc Arazi, im Zuge ihrer Phonegate-Mission im Europaparlament in einer Pressemitteilung einen kleinen Patzer. Am 29. Oktober 2019 ließ sie, immer auf Alarm gebürstet, die Presse wissen:

[...] In my written question at the beginning of October, I reminded the Commission that when 95 mobile phones were tested in France in 2015, the Specific Absorption Rate (SAR) of 85 of them (89% of phones) was above the limit value (2 W/kg) when the phones were tested in contact with the body. [...]

Den für die gängige 0-mm-Gebrauchssituation (siehe zitiertes Textfragment) gültigen Grenzwert von 4 W/kg ließ die Französin elegant unter den Tisch fallen.

Gedankenexperiment: Wenn verstörte Mobilfunkgegner eine Verdichtung der Mobilfunknetze nicht weiter behindern, erreichen wir im Jahr 20xx eine ausreichend hohe Senderdichte, um die maximale Sendeleistung von Smartphones noch stärker als bisher begrenzen zu können. Dann könnte auch die 5-mm-Messvorschrift zur 0-mm-Messvorschrift werden, ohne dass dies erhebliche Nachteile für eine gute Verbindung zwischen Smartphone und Basisstation hätte. Mädels könnten dann ihr Smartphone endlich unbesorgt im BH aufbewahren, ohne sich über ein Brustkrebsrisiko Gedanken machen zu müssen. Das ginge schon jetzt, wüsste man nur, wo genau die Antenne in einem Smartphone versteckt ist.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
MdEP, Rivasi


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