Vorsorgliche Entwertung der WHO-Monographie (EHC) (Forschung)
Wie Leszczynski zu ICNIRP steht ist hinlänglich bekannt. Dass ICNIRP ihn dennoch an dem Workshop hat teilnehmen lassen, zeigt eine gewisse Größe im Umgang mit Meinungsgegnern.
Am Rande der Festveranstaltung zum 25-Jährigen Bestehen des BfS hatte ich Gelegenheit, dem ICNIRP-Vorsitzenden ein paar Fragen zu stellen.
Unter anderem auf Wollongong und Dariusz Leszczynski angesprochen sagte Rüdiger Matthes, der ICNIRP-Workshop in Australien sei für jedermann offen gewesen, auch für den finnischen Wissenschaftler. Grundsätzlich hätte sogar ich teilnehmen können. Diese Offenheit gelte prinzipiell für alle öffentlich angekündigte ICNIRP-Workshops. Die Besucher säßen dabei im Auditorium und hätten auch Gelegenheit, Fragen zu stellen. Leszczynski hätte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und auch Antworten auf seine Fragen bekommen. Der ICNIRP-Kritiker müsse es mit sich selbst ausmachen, dass er die Namen der WHO-Arbeitsgruppe abfotografiert und auf seinem Blog preisgegeben habe. Große Verärgerung darüber war Matthes nicht anzumerken, eher Enttäuschung darüber, dass das Gastrecht ohne Rücksprache gebrochen wurde.
Beschwerde aus Helsinki
Heute beschwerte sich Dariusz mit einer geharnischten Mail über mein Posting vom Donnerstag. Ich hätte nur Stuss geschrieben. Das Arbeitstreffen sei für jedermann offen gewesen und jeder konnte verfolgen, was dort passierte. Es wäre ein öffentliches Arbeitstreffen gewesen mit Informationen für die Öffentlichkeit. Deshalb habe er kein Geheimnis ausgeplaudert. Dann folgten noch ein paar Freundlichkeiten, die nichts zur Sache tun und die ich deshalb nicht wiedergeben möchte.
Wenn Dariusz sich zu Unrecht angegriffen sieht, gehen mit ihm die Pferde schnell durch. Dabei mahnte er mich erst vor wenigen Monaten: hold your horses. Sein Vokabular zeigt inzwischen Parallelen zu den Kanonaden eines Alfred Tittmann oder Hans-Ulrich Jakob. Das wird den beiden wahrscheinlich schmeicheln, für Dariusz muss es aufschreckend sein, mit solchen Vergleichen bedacht zu werden.
Ob es nun in Ordnung ist, dass Dariusz die Namen der WHO-Arbeitsgruppe bereits am 20. November der Mobilfunkgegnerschaft auftischte, darüber lässt sich gut streiten. Fakt ist, mir ist keine andere Quelle in Anti-Mobilfunk-Kreisen bekannt geworden, so dass Dariusz' Veröffentlichung exklusiv ist. Aus meiner Sicht hätte er die Gastgeber fragen sollen, ob er die Namen öffentlich preisgeben dürfe. Inzwischen setzte abrupt die normative Kraft des Faktischen der Streiterei ein Ende, da ICNIRP die Präsentation mit den Namen ohnehin veröffentlicht hat.
Fass aufmachen wegen Nichts
Wie abgedreht die Diskussionen um die WHO-Monographie schon jetzt sind, noch bevor die finale Version überhaupt erschienen ist, zeigt sich an diesem Kommentar Leszczynskis, der ebenfalls auf dem Workshop in Wollongong beruht und in der Anti-Mobilfunk-Szene herum gereicht wird:
So, do not waste your time to write comments and submit them in the “sham-consultation” of the EHC by the WHO EMF Project. Our comments do not matter because the decision has been made already by ICNIRP – no health effects.
Auslöser dieser Entwertung der Monographie (EHC, Environmental Health Criteria) ist eine Folie aus der Präsentation von Rodney Croft gewesen, auf der zu lesen war:
WHO EHC (draft): No evidence of health effects
Hat Dariusz einen Augenpaul? Da steht doch unübersehbar, dass sich diese Wertung auf den Entwurf (draft) bezieht. Da dieser Mitte Oktober fertig gestellt war, ist dies als vorläufige Wertung zu sehen und mMn durchaus angemessen, denn was am Schluss von vielleicht 1000 Seiten WHO-Monographie in den Köpfen der Menschen hängen bleibt ist eben die Wertung: (No) evidence of health effects. Ob sich diese vorläufige Wertung am Schluss wiederfinden wird, weiß gegenwärtig niemand, auch Leszczyniski nicht. Und ob es dabei bleibt, dass die Monographie nur Studien bis 2012 berücksichtigt, oder auch jüngere Studien wie die von Hardell einfließen werden, auch darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, Dariusz ist längst nicht der einzige, dem das nicht schmeckt, auch Reviewer sind davon wenig begeistert.
Steilvorlage für Anti-Mobilfunk-Szene
Für mich ist der Kommentar des Finnen eine Steilvorlage für die Anti-Mobilfunk-Szene in aller Welt: Sollte auch die Schlussfassung der Monographie die Wertung "no evidence" haben, können Mobilfunkgegner ganz entspannt Leszczynskis Verschwörungstheorie vom abgekarteten Spiel aufgreifen und die Monographie öffentlich verbrennen. "Zweifel säen, das ist unser Geschäft", mit dieser Entwertungsstrategie war die Tabakindustrie viele Jahre lang sehr erfolgreich gewesen, die Bevölkerung zu verunsichern. Jeder kann diese Strategie nutzen, auch invers. Meiner Beobachtung zufolge nutzen sie organisierte Mobilfunkgegner seit mindestens 15 Jahren, um Zweifel an entwarnenden Forschungsergebnissen zu wecken. Die Täter sind diesmal nicht wie beim Tabak die Industrie (Mobilfunkindustrie), sondern die Nutznießerbranchen, die ihr Geld mit der Angst vor Elektrosmog machen, und, auch dafür gibt es Hinweise, die Tabakindustrie, die von den Risiken des Rauchens ablenken will.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
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