Faktencheck 03: Schnee von 2006 oder älter (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 05.12.2019, 15:50 (vor 1816 Tagen) @ H. Lamarr

[Repacholi] "Wir haben keinerlei Hinweise, dass Handys nicht sicher sind."

Filmemacher Scheidsteger serviert diesen Ausspruch Repacholis im September 2019 ohne eine Datumsangabe mitzuliefern, wann der EMF-Koordinator der WHO den bedeutungsvollen Satz gesprochen hat. Dieses Datum aber wäre wichtig, denn die Wissenschaft der Bioelektromagnetik bringt im Wochentakt neue Studien hervor, die sich auf den kumulativen Wissensstand über das Risiko Mobilfunk auswirken. Scheidsteger lässt nicht nur das Datum weg, er lässt seine Zuschauer durch Weglassung auch in dem Irrglauben, Repacholi sei noch heute bei der WHO tätig. Allein die Vergangenheitsform der Kommentare aus dem Off ist ein grammatikalisch notwendiger aber nur sehr vager Hinweis darauf, dass sich die gezeigten Szenen nicht in der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit abspielten.

Doch warum drückt sich Scheidsteger krampfhaft um die zeitliche Einordnung herum?

Er lässt es weg, weil das, was Repacholi sagt, vor mindestens 13 Jahren von ihm gesagt wurde, also steinalt ist! Mutmaßlich präsentiert der Filmemacher ungeniert sogar eine 15 Jahre alte Aussage Repacholis. Wie seriös das ist kann jeder selbst beurteilen.

Die Beweisführung ist ziemlich simpel, denn das Interview, das Scheidsteger mit Repacholi führte, fand in dessen WHO-Büro statt. Ergo muss das Interview vor dem 30. Juni 2006 stattgefunden haben, denn an diesem Tag, es ist Repacholis Geburtstag, vollendete der EMF-Koordinator sein 62. Lebensjahr und hatte gemäß der Ruhestandsregelung der WHO seinen letzten Arbeitstag in Genf. Damit sind die 13 Jahre zweifelsfrei belegt.

Die 15 Jahre lassen sich nur weich belegen. Ich meine jedoch, die Repacholi-Szene ist auch in der ungekürzten Fassung von Scheidstegers EMF-Erstlingswerk "Der Handykrieg" enthalten und ich bin nicht der einzige, der dies meint. Diesen Film übergab Scheidsteger Ende 2005 an zwei TV-Sendeanstalten, eine in Frankreich, eine in Deutschland, beide mussten zugreifen, denn sie haben laut Scheidsteger den Film finanziert. Der deutsche Co-Finanzier war von dem Werk allerdings wenig begeistert. Um seinen Film hierzulande doch noch unters Volk zu bringen, verscherbelten diesen die beiden Geschäftspartner Scheidsteger und Bürgerwelle Deutschland ab Dezember 2006 für 15 Euro (zuzüglich Versand) auf DVD an Mobilfunkgegner. Etwa 2011 war der Markt abgegrast und eine gekürzte Fassung wurde mehrfach auf YouTUbe eingestellt. Rechnen wir nun für die Postproduktion des Films noch ein Jahr zu 2005 hinzu, dürften die letzten Szenen 2004 abgedreht worden sein, womit wir bei den 15 Jahren wären – die allerdings nur spekulativ sind.

Kuriosität am Rande: Klaus Scheidsteger bringt George Carlo in "Der Handykrieg" in Zusammenhang mit einem pseudowissenschaftlichen Produkt ("EMX"-Chip), das gegen "Handystrahlen" helfen sollte. Davon distanzierte sich Carlo, noch bevor der Film in Deutschland ausgestrahlt wurde. Auch dieser Vorfall zeigt, wie präzise die Recherchen des Filmemachers sind und dass er das Endprodukt seinen Akteuren nicht zur Freigabe vorlegt.

Ob Scheidsteger nun 13 oder 15 Jahre altes Material so verwurstet, als wäre dieses taufrisch, spielt letztlich keine Rolle, es ist so oder so hoffnungslos veraltet und damit grundsätzlich eine grobe Irreführung der Zuschauer.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Unterstellung, Repacholi, Täuschung, Qualitätsmängel, Irreführung, Trick, Scheidsteger, Faktencheck, Produzent, Handy-Chip


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