Faktencheck 05: "Handystrahlung" (Allgemein)
Der Australier Dr. Mike Repacholi galt quasi als Kronzeuge der Mobilfunkkritiker, weil er in seiner 1995 veröffentlichten Studie bei Mäusen, die der Handystrahlung ausgesetzt wurden, eine vermehrte Krebsentwicklung gesehen hatte.
Klaus Scheidsteger beschäftigt sich seit 2004 mit dem Risiko Mobilfunk, also seit nunmehr 15 Jahren. Da darf man mMn erwarten, dass er den Unterschied kennt zwischen einem Handy und einer Mobilfunk-Basisstation (Sendemast). Der Unterschied ist nicht banal, denn für die Funkimmission durch Handys und Basisstationen gelten unterschiedliche Grenzwerte. Handys befelden nur einen kleinen Teil eines Menschen, beim Telefonieren üblicherweise den Kopf, der zulässige Grenzwert (SAR) ist in diesem Fall mit 2 W/kg (Allgemeinbevölkerung) relativ hoch. Sendemasten befelden hingegen den gesamten Körper eines Menschen, der zulässige Ganzkörper-Grenzwert ist deshalb mit 0,08 W/kg (Allgemeinbevölkerung) erheblich kleiner (Faktor 25). Maßgebend für beide Grenzwerte ist, wie stark die Kerntemperatur eines Menschen unter der Funkeinwirkung zunimmt. Wer im Beruf elektromagnetischen Feldern ausgesetzt ist, für den gelten höhere Grenzwerte, da die Befeldung dann auf die Arbeitszeit begrenzt ist und empfindliche Personen (Kinder, Alte, Kranke) nicht am Berufsleben teilnehmen.
Wenn nun ein "Mobilfunk-Experte" wie Scheidsteger von Handystrahlung redet ist anzunehmen, dass er damit die Funkemission von Handys meint – nicht die von Sendemasten. Im Kontext des obigen Zitats ist dies jedoch falsch. Repacholi befeldete seine Mäuse nicht mit Handystrahlung (Teilköperbefeldung), sondern mit Sendemastenstrahlung (Ganzkörperbefeldung). Wie stark Repacholis Mäuse befeldet wurden weiß niemand genau, denn die Nager konnten sich während der Befeldung in ihren Käfigen frei bewegen und waren der Emissionsquelle mal näher, mal weiter von ihr entfernt. Genau bekannt ist nur: War eine Maus am weitesten von der Funkquelle entfernt, nahmen sie 0,008 W/kg elektrische Leistung auf (Faktor 10 unter Grenzwert), war sie am nähesten dran, waren es 4,2 W/kg (Faktor 52,5 über Grenzwert). Die Ungewissheit, wie viel Funkstrahlung eine Maus während des 18 Monate dauernden Experiments tatsächlich ausgesetzt war, ist eine der Schwächen von Repacholis Studie.
Zugegeben, Scheidstegers irreführende Wortwahl ist kein kapitaler Fehler. Seine Fehlleistung erinnert eher an einen unsauberen Trick, mit dem einige Mobilfunkgegner es gezielt vermeiden, sich nicht auf "Handystrahlung" oder "Sendemastenstrahlung" festlegen zu müssen, sondern nebulös von "Mobilfunkstrahlung" reden. Für Irreführer ist dies von Vorteil, um mit einer Studie Ängste gegenüber Sendemasten selbst dann schüren zu können, wenn die Studie starke Funkfelder einsetzte wie sie Handys verursachen, niemals aber Sendemasten. Bei dem Filmemacher liegt der Fall im konkreten Beispiel wahrscheinlich anders. Er dürfte auch im Jahr 15 seines Engagements gegen Mobilfunk noch immer von den technischen Feinheiten der Immissionsszenarien überfordert gewesen sein und wählte mit "Handystrahlung" einfach den nächstbesten Begriff, der ihm beim Vertonen seines Werks in den Sinn kam. Dass er den Begriff sachlich falsch gebraucht, auch seine Auftraggeber werden es wohl nicht bemerkt haben.
[Admin: Textpassage über berufliche Exposition präzisiert am 17.12.2019]
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