War-Gaming für den Profit: Knurren gegen die "Mobilfunk-Mafia" (Allgemein)
H. Lamarr , München, Sonntag, 01.12.2019, 22:58 (vor 1852 Tagen)
Von Pseudowissenschaftlern ist bekannt, diese zitieren sich gerne gegenseitig, um die Zirkulation ihrer Publikationen bei Laien in Gang zu bringen. Organisierte Mobilfunkgegner praktizieren seit kurzem eine Variante dieses Spielchens: Der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk beauftragte den Gesinnungsfreund Klaus Scheidsteger, einen Kurzfilm über angebliche Machenschaften der Mobilfunkindustrie anzufertigen. Was dabei herausgekommen ist, jeder kann es sich leicht denken.
Das aus meiner Sicht größte Problem des Filmemachers Scheidsteger ist schnell gesagt: Er saugt in der Anti-Mobilfunk-Szene kolportierte Gerüchte oder schwach belegte Vermutungen auf wie ein trockener Schwamm, mischt die Stimmen überzeugter Mobilfunkgegner hinzu und serviert diesen Cocktail so, als bestünde der aus mühsam recherchierten harten Fakten. Doch machen Sie sich so vorgespannt selbst ein Bild von der Qualität der jüngsten Scheidsteger-Schöpfung:
Wie üblich schnippelte Scheidsteger für seine jüngste Auftragsarbeit zusammen, was bei Drei nicht auf den Bäumen war. Übrig blieben im wesentlichen wieder einmal dieselben Personen, die schon aus älteren Anti-Mobilfunk-Kriegsfilmen des Filmemachers bekannt sind: Michael Kundi, Wilhelm Mosgöller, Franz Adlkofer, Hugo Rüdiger, Mike Repacholi der unvermeidliche George Carlo sowie Tina Goebel. Das ist die personelle Stammmannschaft Scheidstegers. Neu hineingeschnitten wurden diesmal Investigate Europe, Mark Hertsgaard, Martin L.Pall, Henry Lai, Ron Melnik und Fiorella Belpoggi. Von Repacholi abgesehen fährt Scheidsteger in 26 Minuten nicht weniger als zwölf Verschworene gegen die "Mobilfunk-Mafia" auf. Der Kurzfilm bietet damit wie von Scheidsteger gewohnt eine extrem einseitige Sicht auf die Mobilfunkdebatte und der Zuschauer muss wohl oder übel glauben, was ihm vorgesetzt wird. Dass Scheidsteger noch immer auf George Carlo baut, obwohl gegen diesen US-Lobbyisten im www mühelos mehrere stabile und glaubwürdige Beweisketten zu finden sind, ist mir unverständlich. Möglicherweise spekuliert Scheidsteger darauf, seine in weiten Teilen älter Kundschaft würde vor den englischsprachigen Quellen kapitulieren, so diese Zielgruppe überhaupt auf die Idee kommen, im Internet nach Carlo zu suchen.
Neues erfahren die Stammleser dieses Forums nicht. Das ist nachvollziehbar, denn der Kurzfilm ist nicht an gut informierte Personen adressiert, sondern an bequeme Volllaien, die angebotene Information/Desinformation passiv konsumieren und wenig Neigung zum Hinterfragen zeigen.
Der Aufhänger des aktuellen Streifens ist ein "War-Game-Memorandum" der Agentur Burson-Marsteller an Motorola, das Scheidsteger bereits in "Thank You for Calling" verwurstet hat. Dieses Memo ist im www nicht zu finden. Auch Scheidsteger bietet sein Exemplar nicht zum Download an, so dass sich kein Betrachter von der Authentizität des Papiers und seines Inhalts selbst überzeugen kann. Der angebliche Beleg für das Memo in einer alten Ausgabe von Microwave News ist keiner, denn dabei handelt es sich um ein anderes Memo von Burson-Marsteller, was am Datum einfach zu erkennen ist.
Ziel des oder der Memos soll es gewesen sein, die beiden US-Wissenschaftler Henry Lai und Narendra P. Singh gezielt unglaubwürdig zu machen. Auch Lai behauptet dies. Motorola hingegen widerspricht. Das US-Unternehmen machte 2008 geltend, es habe nicht versucht, die Forschungsergebnisse der beiden zu unterdrücken, vielmehr wollte es die seinerzeit neuen Ergebnisse (DNA-Einzelstrangbrüche unter schwacher EMF-Einwirkung) von einer unabhängigen Replikation bestätigt sehen. Dies klingt nicht nach einer Ausrede, denn es ist gängiger wissenschaftlicher Standard, dass alarmierende Studien erst dann für voll genommen werden, wenn ihre Wiederholung durch mindestens eine andere Arbeitsgruppe gelingt. Im Fall von Lai/Singh muss die Replikation gescheitert sein, denn noch heute sehen internationale wie nationale Expertengremien keine ausreichende Evidenz für genotoxische Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder unterhalb der Grenzwerte.
Lai/Singh befeldeten 1995 in ihrem Labor Ratten mit Leistungsflussdichten von 10 W/m² und 20 W/m² was zu einer mittleren Ganzkörper-SAR von 0,6 W/kg und 1,2 W/kg führte. Diese Werte überschreiten die heute zulässige Ganzkörper-SAR von 0,08 W/kg um das 7- bis 15-fache. Damit kann auch diese Studie nicht gegen die Immission durch Sendemasten ins Feld geführt werden, sondern allein gegen körpernah betriebene Endgerät wie Smartphones. Scheidsteger verzichtet großzügig auf diese Differenzierung, ihm kommt es in seinem Film allein darauf an, Misstrauen gegenüber einer angeblich intriganten Mobilfunkindustrie zu säen. Dabei klingen die von ihm verlesenen Auszüge aus dem "War-Game-Memo", wenn man sie unaufgeregt wertet, gar nicht so dramatisch, wie er es gerne hätte. Gut möglich, dass er das Memo mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten künstlich dramatisieren möchte, und er es deshalb wohlweislich nicht heraus gibt.
Auch das Jonglieren mit der Angst vor DNA-Strangbrüchen lässt sich relativieren, denn jeder von uns erleidet täglich im Mittel in jeder Körperzelle deren 50'000 Einzelstrangbrüche. Die Zellen sind darauf eingerichtet und wissen damit umzugehen. Damit will ich das noch immer nicht restlos ausgeschlossene Krebsrisiko durch den Gebrauch von Mobiltelefonen nicht verharmlosen, sondern darauf hinweisen, dass DNA-Strangbrüche eben nicht automatisch Krebs bedeuten. Auch diese Differenzierung sucht man in Scheidstegers Streifen zum Thema Mobilfunk vergeblich.
Von 11. September 2019 bis heute ist Scheidstegers Kurzfilm auf YouTube 9'521-mal gestartet worden, 136 finden das Werk gut, sechs finden es schlecht. Die 25 Kommentare auf YouTube geben Auskunft, wie hell die Kerzen sind, die sich dort verewigt haben.
Auf Links zu Quellen habe ich diesmal absichtlich verzichtet, denn diese zu setzen ist eine mühsame Angelegenheit und Scheidsteger belegt seine Behauptungen aus dem Off ja ebenso wenig mit Quellen.
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Faktencheck: Was ist dran, an "War-Gaming für den Profit"?
H. Lamarr , München, Dienstag, 03.12.2019, 19:50 (vor 1850 Tagen) @ H. Lamarr
Das aus meiner Sicht größte Problem des Filmemachers Scheidsteger ist schnell gesagt: Er saugt in der Anti-Mobilfunk-Szene kolportierte Gerüchte oder schwach belegte Vermutungen auf wie ein trockener Schwamm, mischt die Stimmen überzeugter Mobilfunkgegner hinzu und serviert diesen Cocktail so, als bestünde der aus mühsam recherchierten harten Fakten. Doch machen Sie sich so vorgespannt selbst ein Bild von der Qualität der jüngsten Scheidsteger-Schöpfung:
Die Desinformation bei Klaus Scheidstegers Anti-Mobilfunk-Filmen ist so dicht, dass es schwierig ist, für einen Faktencheck einen Anfang und ein Ende zu finden. Wollte man alles zerpflücken, ergäbe dies ein Buch, – das kaum einer lesen würde. Ich habe deshalb eine Passage aus seinem jüngsten Werk herausgepickt, die aus meiner Sicht gut geeignet ist, exemplarisch die Desinformation durch den Filmemacher heraus zu arbeiten.
Meine Musterpassage dauert nur 3¼ Minuten, sie beginnt Minute 7:01 und endet Minute 10:15. Es geht in dieser Passage um das Interview, das Scheidsteger mutmaßlich 2004 mit Mike Repacholi in Genf führte. Der ehemals bei der WHO für elektromagnetische Felder zuständige Repacholi war eine herausragende Hassfigur der internationalen Anti-Mobilfunk-Szene, bis er Mitte 2006 die Altersgrenze erreichte und von der WHO verabschiedet wurde. Seit nunmehr 13 Jahren schwingt der Australier im EMF-Zirkus nicht mehr die Peitsche. Scheidsteger aber hat an dem Mann einen Narren gefressen und anscheinend noch immer genug altes Filmmaterial über ihn im Keller, dass er Mobilfunkgegners Lieblingsfeind noch bis mindestens 2025 weiter verwursten kann. Das Bildmaterial der Musterpassage verwendete Scheidsteger bereits vor Jahren in "Thank You for Calling".
Nun aber zur Sache. Elementare Voraussetzung, um Klaus Scheidsteger der Nagelprobe zu unterziehen, ist das folgende Transkript der Musterpassage.
[min 7:01]
[Scheidsteger aus dem Off] Wer im Thema Mobilfunk und mögliche Gesundheitsrisiken recherchiert kommt nicht an der Weltgesundheitsorganisation WHO vorbei. Die mächtige Behörde der Vereinten Nationen umfasst 194 Länder und hat bei allen relevanten Gesundheitsfragen die Hände im Spiel. Die Diskussion, ob die Handystrahlung eventuell schädlich für unsere Gesundheit sein konnte, durfte die WHO wohl nicht ignorieren, schließlich verfolgt sie eine edle Vision: Gesundheit ist ein fundamentales Menschenrecht, jeder hat das Recht auf den bestmöglichen Gesundheitszustand.
Der Australier Dr. Mike Repacholi galt quasi als Kronzeuge der Mobilfunkkritiker, weil er in seiner 1995 veröffentlichten Studie bei Mäusen, die der Handystrahlung ausgesetzt wurden, eine vermehrte Krebsentwicklung gesehen hatte. Nun saß der Mann bei der WHO und stellte seine Studie infrage, betrieb quasi War-Gaming an sich selbst.
[Beginn O-Ton Repacholi, übersetzt von Scheidsteger] "In meiner Studie ging es um Mäuse, die für Lymphome [Tumoren des Lymphgewebes; Anm. Postingautor] veranlagt waren. Und wir entdeckten einen stetiges Wachstum an Lymphomen durch die Funkwellensignale. Wir beschäftigten uns sechs Monate damit, heraus zu bekommen, was wir falsch gemacht haben. Weil wir uns das einfach nicht erklären konnten. Und das können wir bis heute nicht!" [Ende O-Ton Repacholi]
[Scheidsteger] Er findet ein Problem, kann sich bis heute keinen Reim darauf machen wo das Problem wohl herkommt und deshalb gibt es kein Problem. Der dazugehörige Sprachgebrauch wurde vereinheitlicht und weltweit verordnet.
[Repacholi] "Wir haben keinerlei Hinweise, dass Handys nicht sicher sind."
[Scheidsteger] Unter der Flagge der WHO segelte der Australier von 1997 bis 2006 um die ganze Welt und verbreitete die frohe Botschaft: no problem. Dr. Mike Repacholi fühlte sich sehr sicher, er war schließlich die offizielle Mobilfunkstimme der WHO. Aber – er machte Fehler. Das liebe Geld!
[Repacholi] "Die Gelder, die von der Industrie kommen, müssen in einen separaten Topf bevor sie der WHO übergeben werden".
[Scheidsteger] Und so kam es, dass der gute Mann schließlich aufflog als von der Industrie bezahlter Fürsprecher und Verharmloser. Er ging daraufhin in den WHO-Ruhestand und arbeitet seither hinter den Kulissen als Industrieberater.
[Scheidsteger zeigt an dieser Stelle wortlos einen englischen Text, siehe Screenshot]
Während seiner Zeit als Projektleiter in Genf hat er ganze Arbeit geleistet. Die Wachstumsbranche Mobilfunk eroberte die Welt in einem rasanten Tempo. Hatte es noch zwölf Jahre gebraucht, bis die erste Milliarde Handyanschlüsse weltweit erreicht werden konnte, brauchte die zweite nur noch drei Jahre, die dritte Milliarde zwei Jahre und so weiter. Heute gibt es in der westlichen Welt mehr Handyverträge als Einwohner. Mission accomplished.
[min 10:15]
Da kleine Appetithäppchen bei Sachtexten besser ankommen als opulente 7-Gänge-Menüs, habe ich vor, mit einigen weiteren Postings in diesem Strang Scheidsteger Stück für Stück zu widerlegen, dann selbstverständlich mit nachvollziehbaren Quellenangaben. Das dauert ein bisschen, ich bitte daher um Geduld.
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Faktencheck 01: Falsches Datum für Repacholi-Studie
H. Lamarr , München, Dienstag, 03.12.2019, 21:55 (vor 1850 Tagen) @ H. Lamarr
Der Australier Dr. Mike Repacholi galt quasi als Kronzeuge der Mobilfunkkritiker, weil er in seiner 1995 veröffentlichten Studie bei Mäusen, die der Handystrahlung ausgesetzt wurden, eine vermehrte Krebsentwicklung gesehen hatte.
Fangen wir zum Aufwärmen mit einer kleinen Fingerübung an. Repacholis Mäusestudie wurde nicht wie Scheidsteger behauptet 1995 veröffentlicht, sondern 1997 in der Fachzeitschrift "Radiation Research" (Beleg).
Schlimm ist dieser kleine Fehler nicht. Seine Existenz weist aber auf mangelnde Sorgfalt und fehlende Qualitätskontrolle bei der Produktion des Videos hin. Ein Blick ins EMF-Portal hätte genügt, um zu sehen, 1995 hat der sonst so produktive Mike überhaupt keine Studie publiziert. Diese Qualitätskontrolle hätte keine 30 Sekunden gedauert. Die falsche Datumsangabe erschwert Laien unnötig die Suche nach der Mäusestudie.
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Faktencheck 02: Wo blieben 1997 die korrupten Schlapphüte?
H. Lamarr , München, Mittwoch, 04.12.2019, 00:27 (vor 1850 Tagen) @ H. Lamarr
Der Australier Dr. Mike Repacholi galt quasi als Kronzeuge der Mobilfunkkritiker, weil er in seiner 1995 veröffentlichten Studie bei Mäusen, die der Handystrahlung ausgesetzt wurden, eine vermehrte Krebsentwicklung gesehen hatte.
Scheidsteger versucht mit seinem Video den Eindruck zu erwecken, die Mobilfunkindustrie schrecke vor keiner Schandtat zurück, nur um ihren Profit zu sichern.
Das EMF-Portal aber macht ihm einen Strich durch die Rechnung:
Auszug aus EMF-Portal:
Studie gefördert durch
– National Health and Medical Research Council (NHMRC), Australia
– Telstra Research Laboratories (TRL), Australia
Der NHMRC ist Australiens wichtigster staatlicher Finanzierungstopf für medizinische Forschung. Er untersteht der Aufsicht durch den Gesundheitsminister und sollte deshalb auch hypersensiblen Mobilfunkkritikern als unverdächtig gelten.
Die Telstra Corporation ist hingegen ein international operierendes Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Melbourne, Australien. Mit seinem Mobilfunknetz deckt das Unternehmen eine Fläche von 2,4 Millionen Quadratkilometer ab.
Da haben wir's!
Folgen wir Scheidstegers gradliniger Logik, müsste Repacholis Mäusestudie nun für die Öffentlichkeit inexistent sein und ein trauriges Schattendasein in einer abgesperrten Schublade fristen, anstatt seit 1997 über 600-mal in wissenschaftlichen Journalen zitiert worden zu sein. Dafür hätten Schlapphüte im Auftrag von Telstra sorgen müssen! Denn Repacholis Mäusestudie war seinerzeit eine Alarmstudie ersten Ranges, deren Publikation unter allen Umständen von "der Industrie" hätte verhindert werden müssen.
Doch es ist offensichtlich: Nichts dergleichen geschah.
Dies ist für jedermann sichtbar ein Fakt. Aber möglicherweise hat es Telstra erfolglos versucht! Ja, kann sein – oder auch nicht, solche substanzlosen Vermutungen entziehen sich üblicherweise solange jeder Beachtung, bis jemand glaubwürdiges Belastungsmaterial beibringt. Bis dahin gilt nach geltendem Recht die Unschuldsvermutung. Vielleicht kann das mal jemand Herrn Scheidsteger nahe bringen.
Scheidstegers populistische These von der durch und durch korrupten und auch mächtigen Mobilfunkbranche ist ihm augenscheinlich doch zu glatt geraten, als dass sie pauschal stimmen könnte. Schlichte Gemüter werden sich von diesem Einwand nicht abhalten lassen sie dennoch zu glauben. Wir wollen uns hier aber nicht an Glaubensfragen abarbeiten, sondern um nachprüfbare Fakten kümmern.
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Faktencheck 03: Schnee von 2006 oder älter
H. Lamarr , München, Donnerstag, 05.12.2019, 15:50 (vor 1848 Tagen) @ H. Lamarr
[Repacholi] "Wir haben keinerlei Hinweise, dass Handys nicht sicher sind."
Filmemacher Scheidsteger serviert diesen Ausspruch Repacholis im September 2019 ohne eine Datumsangabe mitzuliefern, wann der EMF-Koordinator der WHO den bedeutungsvollen Satz gesprochen hat. Dieses Datum aber wäre wichtig, denn die Wissenschaft der Bioelektromagnetik bringt im Wochentakt neue Studien hervor, die sich auf den kumulativen Wissensstand über das Risiko Mobilfunk auswirken. Scheidsteger lässt nicht nur das Datum weg, er lässt seine Zuschauer durch Weglassung auch in dem Irrglauben, Repacholi sei noch heute bei der WHO tätig. Allein die Vergangenheitsform der Kommentare aus dem Off ist ein grammatikalisch notwendiger aber nur sehr vager Hinweis darauf, dass sich die gezeigten Szenen nicht in der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit abspielten.
Doch warum drückt sich Scheidsteger krampfhaft um die zeitliche Einordnung herum?
Er lässt es weg, weil das, was Repacholi sagt, vor mindestens 13 Jahren von ihm gesagt wurde, also steinalt ist! Mutmaßlich präsentiert der Filmemacher ungeniert sogar eine 15 Jahre alte Aussage Repacholis. Wie seriös das ist kann jeder selbst beurteilen.
Die Beweisführung ist ziemlich simpel, denn das Interview, das Scheidsteger mit Repacholi führte, fand in dessen WHO-Büro statt. Ergo muss das Interview vor dem 30. Juni 2006 stattgefunden haben, denn an diesem Tag, es ist Repacholis Geburtstag, vollendete der EMF-Koordinator sein 62. Lebensjahr und hatte gemäß der Ruhestandsregelung der WHO seinen letzten Arbeitstag in Genf. Damit sind die 13 Jahre zweifelsfrei belegt.
Die 15 Jahre lassen sich nur weich belegen. Ich meine jedoch, die Repacholi-Szene ist auch in der ungekürzten Fassung von Scheidstegers EMF-Erstlingswerk "Der Handykrieg" enthalten und ich bin nicht der einzige, der dies meint. Diesen Film übergab Scheidsteger Ende 2005 an zwei TV-Sendeanstalten, eine in Frankreich, eine in Deutschland, beide mussten zugreifen, denn sie haben laut Scheidsteger den Film finanziert. Der deutsche Co-Finanzier war von dem Werk allerdings wenig begeistert. Um seinen Film hierzulande doch noch unters Volk zu bringen, verscherbelten diesen die beiden Geschäftspartner Scheidsteger und Bürgerwelle Deutschland ab Dezember 2006 für 15 Euro (zuzüglich Versand) auf DVD an Mobilfunkgegner. Etwa 2011 war der Markt abgegrast und eine gekürzte Fassung wurde mehrfach auf YouTUbe eingestellt. Rechnen wir nun für die Postproduktion des Films noch ein Jahr zu 2005 hinzu, dürften die letzten Szenen 2004 abgedreht worden sein, womit wir bei den 15 Jahren wären – die allerdings nur spekulativ sind.
Kuriosität am Rande: Klaus Scheidsteger bringt George Carlo in "Der Handykrieg" in Zusammenhang mit einem pseudowissenschaftlichen Produkt ("EMX"-Chip), das gegen "Handystrahlen" helfen sollte. Davon distanzierte sich Carlo, noch bevor der Film in Deutschland ausgestrahlt wurde. Auch dieser Vorfall zeigt, wie präzise die Recherchen des Filmemachers sind und dass er das Endprodukt seinen Akteuren nicht zur Freigabe vorlegt.
Ob Scheidsteger nun 13 oder 15 Jahre altes Material so verwurstet, als wäre dieses taufrisch, spielt letztlich keine Rolle, es ist so oder so hoffnungslos veraltet und damit grundsätzlich eine grobe Irreführung der Zuschauer.
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Faktencheck 03: Berichtigung
H. Lamarr , München, Dienstag, 17.12.2019, 01:41 (vor 1837 Tagen) @ H. Lamarr
Scheidsteger lässt nicht nur das Datum weg, er lässt seine Zuschauer durch Weglassung auch in dem Irrglauben, Repacholi sei noch heute bei der WHO tätig.
Meine obige Behauptung, Scheidsteger lasse seine Zuschauer in dem Irrglauben, Repacholi sei noch heute bei der WHO tätig, trifft nicht zu, ich ziehe sie deshalb teilweise zurück. Denn etwas später räumt der Filmemacher ein:
[...] Er [Repacholi] ging daraufhin in den WHO-Ruhestand [...]
Nur teilweise ist mein Rückzieher, weil Scheidsteger offen lässt, wann Repacholi in den Ruhestand ging. Da seine Zuschauer nicht wissen können, dass dies schon Mitte 2006 der Fall war, steht beliebigen Fehleinschätzungen durch die Zuschauer, z.B. 2017 oder 2018, Tür und Tor offen.
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Faktencheck 04: ohne Reim, kein Problem
H. Lamarr , München, Samstag, 07.12.2019, 21:32 (vor 1846 Tagen) @ H. Lamarr
[Beginn O-Ton Repacholi, übersetzt von Scheidsteger] "In meiner Studie ging es um Mäuse, die für Lymphome [Tumoren des Lymphgewebes; Anm. Postingautor] veranlagt waren. Und wir entdeckten einen stetiges Wachstum an Lymphomen durch die Funkwellensignale. Wir beschäftigten uns sechs Monate damit, heraus zu bekommen, was wir falsch gemacht haben. Weil wir uns das einfach nicht erklären konnten. Und das können wir bis heute nicht!" [Ende O-Ton Repacholi]
[Scheidsteger] Er findet ein Problem, kann sich bis heute keinen Reim darauf machen wo das Problem wohl herkommt und deshalb gibt es kein Problem. Der dazugehörige Sprachgebrauch wurde vereinheitlicht und weltweit verordnet.
Soso, Mike Repacholi kann sich also bis heute keinen Reim darauf machen wo das Problem wohl herkommt, verkündet Klaus Scheidsteger im September 2019. Hat er bislang in seinem Video klärende Zeitangaben sorgsam vermieden, patzt er an dieser Stelle. Denn heute ist bei ihm nicht etwa im Hier und Jetzt, sondern liegt mindestens 13 Jahre zurück. So alt ist nämlich sein Interview mit Repacholi. Dies wurde ihm in Faktencheck 03 nachgewiesen. Wer noch Zweifel an dieser Irreführung der Zuschauer hatte, jetzt kann er sie einpacken.
Doch warum konnte sich Repacholi von 1997 bis spätestens 2006 nicht erklären, warum seine Mäuse unter relativ schwacher EMF-Befeldung, die aber noch immer merklich über den heute gültigen Grenzwerten lag, signifikant häufiger Krebs bekamen als die unbefeldete Kontrollgruppe? Wollte Repacholi, angeblicher Scherge der Industrie vielleicht gar nichts finden und suchte deshalb in der Sahara nach Eisbären?
Machen Sie sich selbst ein Bild
Wenn ein wissenschaftliches Experiment ein unerwartetes Ergebnis liefert ist es Aufgabe jeder seriösen Forschergruppe, die Versuchsdurchführung auf jeden nur denkbaren Fehler hin zu prüfen, um das unerwartete Ergebnis erklären zu können. Unerwartet ist im Fall von Repacholis Mäusestudie die höhere Krebshäufigkeit, für die es bis 2006 und darüber hinaus bis heute kein wissenschaftlich allgemein anerkanntes Erklärungsmodell gibt. Denn im Gegensatz zu ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlung) sind elektromagnetische Felder um Größenordnungen zu energieschwach, um die DNA in Körperzellen schädigen zu können. Die Ratlosigkeit von Repacholi ist daher noch heute gut nachvollziehbar, erst recht rückwirkend aufs Jahr 2006. Das ist das eine.
Das andere ist, dass Repacholi mit den Zweifeln an seiner eigenen Studie prominente Gesellschaft hat. Etwa die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK), die, nach Diskussion der Studienresultate mit Repacholi, in ihrer 148. Sitzung am 25. September 1997 keine Gültigkeit der Studie für Menschen sah (Beleg), weil ...
► ... die Experimente bewusst an transgenen Versuchstieren durchgeführt wurden, die durch Genmanipulation eine extrem hohe Instabilität gegenüber verschiedenen Mutagenen aufweisen. Weder bei nicht-transgenen Mäusen noch beim Menschen ist eine solche Reaktion zu erwarten.
► ... das Experiment einige von den Autoren aus versuchstechnischen Gründen in kauf genommene Probleme bei der Dosimetrie hat.
► ... Felder der im Experiment verwendeten Frequenz 900 MHz nur wenige Zentimeter in Körpergewebe eindringen. Bei einer Maus bedeutet dies eine Beeinflussung des gesamten Körpers, beim Menschen lediglich einen kleinen Bereich, z.B. des Kopfes.
► ... mehrere Publikationen vorliegen, die bei ähnlicher Exposition keine Effekte zeigen.
Im Zweifel replizieren
In der Wissenschaft gehören widersprüchliche Studienergebnisse zum Alltag und wenn der Gegenstand widersprüchlicher Studien Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben kann, fängt die Wissenschaft nicht an zu reimen, sondern versucht mit der Wiederholung alarmierender Studien zu klären, ob ein Alarm gerechtfertigt ist. Dies ist der Fall, wenn voneinander unabhängige Arbeitsgruppen die Ergebnisse alarmierender Studien mit unverändert gleichem (oder einem verbesserten) Studiendesign bestätigen können. Je häufiger so eine Replikation gelingt, desto wahrscheinlicher ist es, dass der beobachtete Effekt tatsächlich real und nicht etwa einem Fehler im Studiendesign oder der Versuchsdurchführung geschuldet ist. Dieses Vorgehen ist sinnvoll und plausibel, fanatische Mobilfunkgegner sind die einzigen, die daran Anstoß nehmen und die Forderung nach Replikationen als Intrige oder Schikane "der Industrie" sehen. Ziel: Alarmstudien die Wirkung rauben.
Repacholis Mäusestudie wurde zweimal repliziert, zuerst 2002 von der Arbeitsgruppe Utteridge und 2007 noch einmal von der Arbeitsgruppe Oberto. Beide Arbeitsgruppen konnten die alarmierenden Ergebnisse Repacholis nicht bestätigen.
Die Zweifel, die der Australier im Interview mit Scheidsteger an seiner eigenen Studie einräumt, sind daher für jeden verständigen Menschen voll gerechtfertigt. Sie sind kein Grund, sich abwertend darüber zu äußern. Im Gegenteil: Aus meiner Sicht zeigen sie vielmehr die Ernsthaftigkeit, mit der Repacholi seine Arbeit als Wissenschaftler begriffen hat. Statt mit seiner weltweit Aufsehen erregenden Studie zu kokettieren und sich vielerorts mit den Studienergebnissen zu brüsten, mahnte der damalige EMF-Koordinator der WHO zur vorsichtigen Interpretation. Dies unterscheidet ihn gravierend von Franz Adlkofer, der keine Gelegenheit ausließ, mit seinem "Reflex"-Projekt in die Öffentlichkeit zu drängen und Alarm zu schlagen, anfangs verhalten, später zunehmend lauter. Auf Adlkofer werde ich in einem späteren Faktencheck des Scheidsteger-Elaborats noch einmal zurück kommen.
Sowohl Repacholis Mäusestudie als auch die beiden Replikationsstudien lösten etliche Kommentare von Wissenschaftlern in Fachjournalen aus. Wer wann kommentierte ist in den oben verlinkten Einträgen der Studien im EMF-Portal zu sehen (z.B. Lin J., Goldstein L. S., Kundi M., Lerchl A.). Leider sind für Zaungäste die ausnahmslos englischen Kommentare nicht gratis einsehbar, davon ausgenommen ist (aus technischem Grund) nur der Kommentar von Kundi. Der als Mobilfunkkritiker bekannte Österreicher hat Repacholis alarmierende Studie nicht kommentiert, die Entwarnung von Utteridge hingegen kommentiert er kritisch. Franz Adlkofer berief nach Gründung seiner Forschungsstiftung "Pandora" (sammelt u.a. Spenden für gezielt mobilfunkkritische Forschung) Michael Kundi in deren Stiftungsrat.
Dr. Repacholi mit Dr. No verwechselt
Wenn Zaungast Scheidsteger 2019 im nebulösen Passiv behauptet, der "dazugehörige Sprachgebrauch wurde vereinheitlicht und weltweit verordnet" (von wem?, fűr wen?), so ist anzunehmen, dass er als Täter den WHO-Mann Repacholi meint und als Opfer meinungsbildende Teile der Weltbevölkerung (z.B. Wissenschaftler, Ärzte, Politiker).
Dem Trachten von Dr. No nach der Weltherrschaft kam James Bond in die Quere, zur WHO stellt sich die Eitelkeit der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft quer, die sich ganz gewiss nicht etwas "verordnen" lässt. Womit ich sagen will: Scheidstegers formuliert nicht mehr und nicht weniger als eine kleine Verschwörungstheorie, für die er nicht den Funken eines Belegs bringt. Mutmaßlich hat der Filmemacher nicht auf dem Schirm, dass Wissenschaft ein kumulativer Prozess ist. Eine einzelne Alarmstudie erregt in einer von widersprüchlichen Ergebnissen dominierten Studienlandschaft keinen Wissenschaftler, Laien hingegen schon. Erst wenn sich durch gelungene/misslungene Replikationsstudien und innovative neue Studien ein mehrheitlich gefestigtes Bild der Studienlage herausgeschält hat, spricht die Wissenschaft mit einer Stimme. In der Realität spricht sie selbstredend nie mit einer Stimme, ein paar Abweichler finden sich immer – so ist das nun mal in Prozessen, die nach Grundregeln der Demokratie funktionieren.
Gäbe es den von Scheidsteger verordneten Sprachgebrauch tatsächlich, das Internet würde nicht seit eh und je schier überquellen an Alarmmeldungen über die angebliche Schädlichkeit elektromagnetischer Felder. Höchstens 1 Prozent dieser Meldungen, so meine Schätzung, sind fachlich fundiert, der Rest sind mehr oder weniger unqualifizierte Quellen, deren Bandbreite von Sonderlingen über Geschäftemacher, Filmemacher, Bürgerinitiativen und Anti-Mobilfunk-Vereine bis hin zu Pseudowissenschaftlern reicht. No problem? Doch, wer diese Spreu nicht vom Weizen trennen kann, hat ein erhebliches Orientierungsproblem und backt sein Brot nur zu leicht mit Spreu.
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Faktencheck 04: ohne Reim, kein Problem
H. Lamarr , München, Sonntag, 15.12.2019, 21:23 (vor 1838 Tagen) @ H. Lamarr
Sowohl Repacholis Mäusestudie als auch die beiden Replikationsstudien lösten etliche Kommentare von Wissenschaftlern in Fachjournalen aus. Wer wann kommentierte ist in den oben verlinkten Einträgen der Studien im EMF-Portal zu sehen (z.B. Lin J., Goldstein L. S., Kundi M., Lerchl A.). Leider sind für Zaungäste die ausnahmslos englischen Kommentare nicht gratis einsehbar, davon ausgenommen ist (aus technischem Grund) nur der Kommentar von Kundi.
Ersatzweise zur Leserbriefdiskussion folgend ein Auszug aus dem Übersichtsartikel "Mobile phones and health: A literature overview", den Christian P. Karger, Deutsches Krebsforschungszentrum, 2005 in dem Fachjournal "Zeitschrift für Medizinische Physik", 15(2005) 73–85, veröffentlichte. In dem Auszug geht es um Widersprüche in Utteridges Replikationsversuch:
[...] Recently, the experiment of Repacholi et al. [79] was replicated by Utteridge et al. [97], indicating that long term microwave radiation does not increase lymphoma incidence. The experiment included 1600 mice and in contrast to the initial study, the animals were fixed during exposure and 4 different dose levels between 0.25 and 4 W/kg were used. Two groups of sham-treated animals were used, one with fixed and one with free moving animals. The experiment was performed for the initial transgenic strain as well as for the wild-type of the same strain. Great effort was spent on precise SAR measurements and in contrast to the initial study, all animals were necropsied. The publication was controversially discussed [35,36,63,66,67,98,99]. Since some exposure conditions were not exactly the same as in the initial study, the comparability of both studies was questioned [63,66,67]. The most important objection, however, was that the lymphoma incidence for the sham-treated transgenic mice in Utteridge et al. was significantly higher than that in Repacholi et al. (74 % vs. 28 %) [35,67]. In his reply [98], Utteridge solved this discrepancy by reprinting the survival curves as a function of age instead of the initially used days of exposure (which excluded weekends and publicholidays). After that, the incident rates agreed with those of Repacholi et al. In additional communications [36,99], some more details have been clarified. Finally, two recently published studies with similar experimental design also showed no significant effect [1,64]. In conclusion, the weight of evidence does not prove that microwave radiation adversely affects tumor promotion or progression [23]. [...]
Die beiden Studien mit ähnlichem Design [1,64] waren:
[1] Anane, R., Dilou P.-E., Taxile, M., Geffard, M., Crespeau F.-L., Veyret, B.: Effects of GSM-900 microwaves on DMBA-induced mammary gland tumors in female Sprague-Dawley rats. Radiat. Res. 160(2003) 492–497
[64] La Regina, M., Moros, E. G., Pickard, W. F., Strambe, W. L., Baty, J., Poti Roti, J. L.: The effect of chronic exposure to 835.62 MHz FDMA or 847.74 MHz CDMA radiofrequency radiation on the incidence of spontaneous tumors in rats. Radiat. Res. 160(2003) 143–151
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Faktencheck 05: "Handystrahlung"
H. Lamarr , München, Donnerstag, 12.12.2019, 22:17 (vor 1841 Tagen) @ H. Lamarr
Der Australier Dr. Mike Repacholi galt quasi als Kronzeuge der Mobilfunkkritiker, weil er in seiner 1995 veröffentlichten Studie bei Mäusen, die der Handystrahlung ausgesetzt wurden, eine vermehrte Krebsentwicklung gesehen hatte.
Klaus Scheidsteger beschäftigt sich seit 2004 mit dem Risiko Mobilfunk, also seit nunmehr 15 Jahren. Da darf man mMn erwarten, dass er den Unterschied kennt zwischen einem Handy und einer Mobilfunk-Basisstation (Sendemast). Der Unterschied ist nicht banal, denn für die Funkimmission durch Handys und Basisstationen gelten unterschiedliche Grenzwerte. Handys befelden nur einen kleinen Teil eines Menschen, beim Telefonieren üblicherweise den Kopf, der zulässige Grenzwert (SAR) ist in diesem Fall mit 2 W/kg (Allgemeinbevölkerung) relativ hoch. Sendemasten befelden hingegen den gesamten Körper eines Menschen, der zulässige Ganzkörper-Grenzwert ist deshalb mit 0,08 W/kg (Allgemeinbevölkerung) erheblich kleiner (Faktor 25). Maßgebend für beide Grenzwerte ist, wie stark die Kerntemperatur eines Menschen unter der Funkeinwirkung zunimmt. Wer im Beruf elektromagnetischen Feldern ausgesetzt ist, für den gelten höhere Grenzwerte, da die Befeldung dann auf die Arbeitszeit begrenzt ist und empfindliche Personen (Kinder, Alte, Kranke) nicht am Berufsleben teilnehmen.
Wenn nun ein "Mobilfunk-Experte" wie Scheidsteger von Handystrahlung redet ist anzunehmen, dass er damit die Funkemission von Handys meint – nicht die von Sendemasten. Im Kontext des obigen Zitats ist dies jedoch falsch. Repacholi befeldete seine Mäuse nicht mit Handystrahlung (Teilköperbefeldung), sondern mit Sendemastenstrahlung (Ganzkörperbefeldung). Wie stark Repacholis Mäuse befeldet wurden weiß niemand genau, denn die Nager konnten sich während der Befeldung in ihren Käfigen frei bewegen und waren der Emissionsquelle mal näher, mal weiter von ihr entfernt. Genau bekannt ist nur: War eine Maus am weitesten von der Funkquelle entfernt, nahmen sie 0,008 W/kg elektrische Leistung auf (Faktor 10 unter Grenzwert), war sie am nähesten dran, waren es 4,2 W/kg (Faktor 52,5 über Grenzwert). Die Ungewissheit, wie viel Funkstrahlung eine Maus während des 18 Monate dauernden Experiments tatsächlich ausgesetzt war, ist eine der Schwächen von Repacholis Studie.
Zugegeben, Scheidstegers irreführende Wortwahl ist kein kapitaler Fehler. Seine Fehlleistung erinnert eher an einen unsauberen Trick, mit dem einige Mobilfunkgegner es gezielt vermeiden, sich nicht auf "Handystrahlung" oder "Sendemastenstrahlung" festlegen zu müssen, sondern nebulös von "Mobilfunkstrahlung" reden. Für Irreführer ist dies von Vorteil, um mit einer Studie Ängste gegenüber Sendemasten selbst dann schüren zu können, wenn die Studie starke Funkfelder einsetzte wie sie Handys verursachen, niemals aber Sendemasten. Bei dem Filmemacher liegt der Fall im konkreten Beispiel wahrscheinlich anders. Er dürfte auch im Jahr 15 seines Engagements gegen Mobilfunk noch immer von den technischen Feinheiten der Immissionsszenarien überfordert gewesen sein und wählte mit "Handystrahlung" einfach den nächstbesten Begriff, der ihm beim Vertonen seines Werks in den Sinn kam. Dass er den Begriff sachlich falsch gebraucht, auch seine Auftraggeber werden es wohl nicht bemerkt haben.
[Admin: Textpassage über berufliche Exposition präzisiert am 17.12.2019]
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Faktencheck 06: ICNIRP-Vorsitzender schlägt Alarm
H. Lamarr , München, Sonntag, 15.12.2019, 20:25 (vor 1838 Tagen) @ H. Lamarr
Der Australier Dr. Mike Repacholi galt quasi als Kronzeuge der Mobilfunkkritiker, weil er in seiner 1995 veröffentlichten Studie bei Mäusen, die der Handystrahlung ausgesetzt wurden, eine vermehrte Krebsentwicklung gesehen hatte. Nun saß der Mann bei der WHO und stellte seine Studie infrage, betrieb quasi War-Gaming an sich selbst.
Wenn "Radiation Research" Mike Repacholis Studie im Mai 1997 veröffentlichte (nicht 1995) und allein die Befeldung der Mäuse 18 Monate dauerte, muss Repacholi spätestens Ende 1995 mit dem experimentellen Teil seiner Studie begonnen haben. Zuvor muss die Idee der Studie zu einem ausdiskutierten Studiendesign gereift und die Finanzierung in trockene Tücher gebracht worden sein. Der Beginn der Studie dürfte daher gut und gerne bis Anfang 1995 oder sogar bis 1994 zurück reichen.
Warum ist das von Bedeutung?
Weil Mike Repacholi bis 1996 erster Vorsitzender der 1992 gegründeten ICNIRP war! Das muss man sich in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen: Der erste ICNIRP-Vorsitzende startet mitten während seiner Amtszeit eine Studie, die 1997 mit dem viel zitierten öffentlich hörbaren Knall endet, Mobilfunk führe bei Mäusen zu Krebs.
Glaubt man Scheidsteger und seinen Gesinnungsfreunden, kann das, was damals passierte, jedoch gar nicht passiert sein, denn in den Kreisen des Filmemachers gilt ICNIRP als Handlanger "der Industrie", dessen Aufgabe es ist, jegliche gesundheitlichen Risiken von Mobilfunkfeldern zu leugnen. Ausgenommen von dieser Pauschalverdächtigung, die zu keiner Zeit mit belastbaren Fakten belegt wurde, ist allein die unstreitig schädliche Wärmewirkung von EMF oberhalb der 1998 definierten ICNIRP-Grenzwerte. Welche bestechende Logik dem Umstand innewohnt, dass ausgerechnet der Vorsitzende eines angeblich im Dienst der Mobilfunkindustrie stehenden korrupten Vereins eine Alarmstudie zulasten des Mobilfunks publiziert (statt diese verschwinden zu lassen), das mag jeder für sich beurteilen.
Vater aller ICNIRP-Hasser war der 2003 verstorbene Neuseeländer Dr. Neil Cherry. Er verbiss sich ab 1999 als Erster in ICNIRPs Wade und brachte mehrere Papiere hervor, in denen er ICNIRP der Industrienähe und der Vertuschung von Gesundheitsrisiken beschuldigte. In Kreisen der Wissenschaft nahm niemand Notiz von den Anwürfen, auch ICNIRP schwieg dazu. Laienhafte Mobilfunkgegner in aller Welt aber griffen Cherrys Anschuldigungen begeistert auf und verbreiteten sie über ihre Netzwerke bis ins letzte Dorf. Seither hat das Genörgel von Mobilfunkgegnern an ICNIRP nicht mehr aufgehört, begnügt sich jedoch mit dem Kolportieren von Vermutungen, Verdächtigungen und unbelegten Tatsachenbehauptungen. Im März 2019 reihte sich das sogenannte Journalistennetzwerk "Investigate Europe" in die Front der Kolporteure ein, freilich ohne etwas zu berichten, was in der Anti-Mobilfunk-Szene nicht schon zuvor kursierte. Wer exklusiv Gerüchte in der Anti-Mobilfunk-Szene investigiert kann per se keine besseren Resultate hervorbringen.
Hintergrund
Neil Cherry publizierte an der Wissenschaft vorbei
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Faktencheck 07: Bestechungsvorwürfe gegen Mike Repacholi
H. Lamarr , München, Sonntag, 16.06.2024, 18:25 (vor 193 Tagen) @ H. Lamarr
[Scheidsteger] Unter der Flagge der WHO segelte der Australier von 1997 bis 2006 um die ganze Welt und verbreitete die frohe Botschaft: no problem. Dr. Mike Repacholi fühlte sich sehr sicher, er war schließlich die offizielle Mobilfunkstimme der WHO. Aber – er machte Fehler. Das liebe Geld!
[Repacholi] "Die Gelder, die von der Industrie kommen, müssen in einen separaten Topf bevor sie der WHO übergeben werden".
[Scheidsteger] Und so kam es, dass der gute Mann schließlich aufflog als von der Industrie bezahlter Fürsprecher und Verharmloser. Er ging daraufhin in den WHO-Ruhestand und arbeitet seither hinter den Kulissen als Industrieberater.
Da Klaus Scheidsteger seine diffusen Bestechungsvorwürfe gegen Mike Repacholi auch in seinem jüngsten Märchenfilm von 2024 unverändert wiederholt ("Das digitale Dilemma", dort ab Minute 36:23), habe ich mich genötigt gesehen, der Geschichte ein für allemal auf den Grund zu gehen.
Quellen von Scheidstegers Bestechungsvorwürfen
Der Erste, der konkrete Bestechungsvorwürfe gegen Repacholi formulierte, war Louis Slesin, der Herausgeber von Microwave News, USA. In der Sammelausgabe Juni bis Dezember 2005 lässt Slesin seine Leser mit Datum 5. Juli 2005 wissen:
[...] Mike has repeatedly refused to disclose who is paying for his EMF project and all its conferences and workshops. We do know that WHO does not foot the bill. Mike has to raise his own budget and travel funds. We also know that he found a way to skirt the WHO rules that bar direct industry support — the mobile phone manufacturers have said that they provide him with $150,000 a year with additional money for meeting and travel expenses. [...]
Belege für seine Behauptungen bleibt Slesin seinerzeit jedoch schuldig. Wortführer der organisierten Anti-Mobilfunk-Szene focht dies nicht an. Sie forderten noch 2005 den damaligen Generalsekretär der WHO mit einem Offenen Brief ultimativ auf, die Bestechungsvorwürfe untersuchen zu lassen. Sollte der WHO-Spitzenfunktionär nicht spuren und innerhalb von zwei Wochen antworten, drohten die Unterzeichner des Briefes, sich an höhere Stellen zu wenden oder rechtliche Schritte einzuleiten. Auf eine Antwort der WHO warten die Absender des Briefes mutmaßlich noch heute und ihre leeren Drohungen sind nicht weniger folgenlos verhallt als ihre voreiligen Forderungen.
Erst im November 2006 präzisierte Louis Slesin seine Bestechungsvorwürfe. Allerdings griff er dazu auf die Recherche eines Journalisten zurück (David Leloup), der in einem belgischen Magazin behauptete, die GSM Association (GSMA, ein Interessenverband der Mobilfunkindustrie) habe kürzlich ihre jährlichen Zahlungen an das (von Repacholi geleitete) EMF-Projekt der WHO auf 150'000 Euro aufgestockt, zuvor seinen es 50'000 Euro gewesen. Hinzu kämen 150'000 Dollar, die das Mobile Manufacturers Forum (MMF) dem EMF-Projekt jedes Jahr zur Verfügung stellt. Slesin ergänzt: Mike Milligan vom MMF bestätigte dies gegenüber Microwave News im Jahr 2003. Weiter heißt es in dem Bericht: Früher gab Motorola Repacholi 50'000 Dollar pro Jahr, jetzt aber leiste das Unternehmen seine Zahlungen über das MMF.
Soweit der augenscheinlich belastende Sachverhalt, den Klaus Scheidsteger für bare Münze nimmt und in seinen Filmen ohne Quellenangaben verkürzt kolportiert. Auf die Idee, den Sachverhalt zu prüfen und mit Informationen der WHO abzugleichen, ist der Filmemacher offensichtlich nicht gekommen. So breitete sich die Geschichte vom korrupten Leiter des EMF-Projekts der WHO über die Jahre hinweg ungestört vor allem in den Echokammern der Anti-Mobilfunk-Szene aus, 2012 sollte sie z.B. anlässlich einer öffentlichen Anhörung in Canberra, Australien, Eindruck machen.
Das EMF-Projekt der WHO
Da das EMF-Projekt in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist, hier zunächst eine kurze Selbstdarstellung aus dem Jahr 2002:
Das internationale EMF-Projekt wurde von der WHO 1996 ins Leben gerufen und dessen Aktivitäten und Arbeitspläne festgelegt. Die WHO fungiert als Sekretariat, um das Projekt zu koordinieren, zu begleiten und durchzuführen. Die Arbeitsgruppen des Projekts setzen sich aus international anerkannten Experten zusammen, die ein breites Spektrum unterschiedlicher Meinungen zu dem zu beratenden Thema vertreten. WHO-Mitarbeiter können nicht Mitglied einer solchen Arbeitsgruppe sein, sind aber bei den Sitzungen anwesend, um die Konsensfindung über Schlussfolgerungen oder Empfehlungen zu unterstützen.
Wissenschaftliche Sitzungen des EMF-Projekts werden in der Regel gemeinsam mit Icnirp (der von der WHO anerkannten Organisation zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung) durchgeführt. Diese Treffen stehen allen Wissenschaftlern offen, die Mitgliedschaft in den Arbeitsgruppen ist jedoch auf unabhängige (nicht-industrielle) Wissenschaftler beschränkt. Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Arbeitsgruppen werden in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht, um zu gewährleisten, dass die Informationen einem möglichst breiten Publikum zugänglich sind. WHO-Mitarbeiter können ggf. als Autoren aufgeführt werden. Alle Veröffentlichungen des EMF-Projekts werden von dem internationalen beratenden Ausschuss des Projekts geprüft. Dieses Aufsichtsgremium setzt sich aus Vertretern zahlreicher nationaler Behörden und Vertretern von acht internationalen Agenturen und WHO-Kooperationszentren zusammen. Für alle Veröffentlichungen ist eine formelle Genehmigung durch die WHO-Führungsebene erforderlich. Nach Abschluss einer wissenschaftlichen Prüfung verwendet die WHO die Schlussfolgerungen und Empfehlungen in ihren Informationen für die nationalen Behörden und die Öffentlichkeit.
Finanzierung des EMF-Projekts
Jetzt wird es spannend, denn es geht darum, auf welche Weise sich das EMF-Projekt der WHO finanziert. Die folgenden Angaben sind keine Mutmaßungen oder Sekundärquellen entnommen, sondern sie wurden im Progress Report 2001 - 2002 des Projekts im Juli 2002 auf der Projektwebsite veröffentlicht. Bei der WHO ist dieser alte Jahresbericht leider nicht mehr abzurufen, wer Zweifel an meinen Angaben hat, mag das Internet Archiv bemühen oder die WHO direkt ansprechen. Mir liegt der fragliche Jahresbericht nur deshalb vor, weil ich vor vielen Jahren, als dies noch für jedermann möglich war, alle Jahresberichte des EMF-Projekts von 1996 bis 2014 gesichert habe.
Hier nun also die einst öffentliche Selbstauskunft des EMF-Projekts über seine Finanzierung in deutscher Übersetzung:
Im vergangenen Jahr wurden Fragen zu den Finanzierungsquellen des EMF-Projekts aufgeworfen. Nachstehend finden Sie eine Zusammenfassung der Finanzierungsquellen und -bedingungen. Es gelten sehr strenge Auflagen für die WHO, um Mittel für außerbudgetäre Projekte wie das EMF-Projekt zu erhalten.
Die WHO darf Mittel von der Industrie (vorzugsweise von Industrieverbänden) nur nach Prüfung und Genehmigung durch die Rechtsabteilung der WHO entgegennehmen. Zusätzlich prüft ein Sonderausschuss der WHO Finanzierungen durch die Industrie.
Im Jahr 1995 traf die WHO im Einklang mit dieser Politik eine Vereinbarung mit dem Royal Adelaide Hospital (RAH), Australien, um im Namen des EMF-Projekts Mittel zu sammeln. Ein Memorandum of Understanding erlaubte es dem RAH, Gelder von Regierungen, Berufsverbänden und der Industrie einzuwerben. Alle Gelder werden gesammelt, auf einem Konto zusammengefasst und regelmäßig an die WHO zur Finanzierung der Projektaktivitäten weitergeleitet. Alle Unternehmen, die das Projekt finanziell fördern, müssen eine von der Rechtsabteilung vorbereitete Vereinbarung unterzeichnen, die Folgendes vorsieht:
► Das Unternehmen darf seine Projektförderung nicht für kommerzielle Werbezwecke vermarkten.
► Vertreter des Unternehmens dürfen nicht an Arbeits- oder Projektgruppen teilnehmen, die Gesundheitsrisiken bewerten.
► Das Unternehmen darf seine Unterstützung für das Projekt in internen Berichten und in seinen Jahresberichten vermerken.
Alle Geldeingänge und Abrechnungen werden von der WHO und dem RAH streng geprüft. Das EMF-Projekt hat alle von der WHO gestellten Anforderungen erfüllt und wird dies auch bis zum Abschluss des Projekts tun.
Schlussfolgerungen
Schaut man sich nun die Bestechungsvorwürfe gegen Repacholi im Licht der Selbstauskunft seines EMF-Projekts an, bleibt von der vermeintlichen Bestechung faktisch nichts mehr übrig. Beim Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm (DMF) wirkte das BfS als Firewall zwischen der zu 50 Prozent geldgebenden Industrie und der ausführenden Wissenschaft. Beim EMF-Projekt der WHO hat (oder hatte) das Royal Adelaide Hospital diese Entkopplungsfunktion. Aus der Förderung durch die Industrie wurde hier wie dort kein Geheimnis gemacht. Und dass die Industrie sich ohne Möglichkeiten der Einflussnahme an der EMF-Risikoforschung beteiligt, halte ich gemäß Verursacherprinzip nur für Recht und billig, denn sie ist es, die mit massenhafter Anwendung der Funktechnik schließlich beträchtliche Gewinne erwirtschaft. Die vermeintlichen Enthüllungen des belgischen Magazins, dass sich "die Industrie" am EMF-Projekt beteiligt, sind nicht mehr als nur die Offenlegung eines ohnehin offenliegenden Geheimnisses. Auch Slesins Anschuldigungen von 2005 lassen sich plausibel damit erklären, dass er keine Kenntnis der öffentlichen Selbstauskunft des EMF-Projekts aus dem Jahr 2002 hatte.
Bleibt von der angeblichen Bestechung nur Slesins vage Behauptung (2005), Repacholi hätte sich "direct industry support" ergaunert. Was er genau damit meint bleibt offen, eine Interpretation könnte lauten: Repacholi hat sich die 150'000 Kröten am RAH vorbei mit einem schwarzen Koffer direkt vom MMF geholt. Doch dafür liefert Slesin nicht den Hauch eines Belegs. Im Gegenteil: 2006 schreibt er nichts mehr von "direct support" und Mike Milligan hat ihm 2003 lediglich bestätigt, das MMF habe das EMF-Projekt mit jährlich 150'000 Dollar finanziell unterstützt, nicht aber Mike Repacholi persönlich.
Fazit: Klaus Scheidsteger verbreitet mit seinen Anti-Mobilfunk-Filmen über Mike Repacholi ein Märchen, das sich nur organisierte Mobilfunkgegner an ihren Lagerfeuern erzählen. Sollte Repacholi sich wehren und den Filmemacher wegen fortgesetzter Rufschädigung verklagen, müsste nicht Repacholi seine Unschuld beweisen, sondern Scheidsteger Repacholis Schuld. Da sehe ich Scheidsteger am Boden zerstört, denn er macht den folgenschweren Fehler, anstelle eines Bestechungsverdachts die Bestechlichkeit Repacholis als Tatsache zu schildern. Über so einen Strick ist schon Lerchl gestolpert.
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Faktencheck 071: Über das Versagen der Trüffelschweine ...
H. Lamarr , München, Sonntag, 16.06.2024, 19:46 (vor 193 Tagen) @ H. Lamarr
Erst im November 2006 präzisierte Louis Slesin seine Bestechungsvorwürfe. Allerdings griff er dazu auf die Recherche eines Journalisten zurück (David Leloup), der in einem belgischen Magazin behauptete, die GSM Association (GSMA, ein Interessenverband der Mobilfunkindustrie) habe kürzlich ihre jährlichen Zahlungen an das (von Repacholi geleitete) EMF-Projekt der WHO auf 150'000 Euro aufgestockt, zuvor seinen es 50'000 Euro gewesen. Hinzu kämen 150'000 Dollar, die das Mobile Manufacturers Forum (MMF) dem EMF-Projekt jedes Jahr zur Verfügung stellt. Slesin ergänzt: Mike Milligan vom MMF bestätigte dies gegenüber Microwave News im Jahr 2003. Weiter heißt es in dem Bericht: Früher gab Motorola Repacholi 50'000 Dollar pro Jahr, jetzt aber leitete das Unternehmen seine Zahlungen über das MMF.
Repacholis EMF-Projekt bei der WHO erhielt gemäß dem Zitat finanzielle Zuwendungen durch GSMA, MMF und Motorola. Die kurze Liste benennt ausnahmslos Interessenvertreter und Unternehmen der Mobilfunkindustrie und bedient damit gängige Klischees.
Aber: Die wühlenden Trüffelschweine haben einen ganz besonders leckeren Trüffel übersehen:
Franz Adlkofer
Man möchte es nicht für möglich halten, doch es ist so: 1997 förderte die Tabak-Stiftung Verum mit Franz Adlkofer als Geschäftsführer das EMF-Projekt Repacholis mit 250'000 DM. Und 1998 floss noch einmal der gleiche Betrag. Nachzulesen seit 2018 hier – auch für Herrn Scheidsteger.
Die Original-Quelle fand sich, bevor sie gelöscht wurde, früh als PDF auf der Website der Stiftung Verum. Im Internet Archiv sollte sie für Zweifler noch aufzustöbern sein.
Jetzt kann sich jeder seinen Reim darauf machen, warum der strammen Anti-Mobilfunk-Szene und den ahnungslosen Betrachtern von Scheidsteger-Filmen die "böse Industrie" als Schmiermaxe für Repacholi auf dem Silbertablett serviert wird, nicht aber der großzügige Franz Adlkofer.
Microsofts KI reimte für meinen Geschmack etwas arg holprig ... :
Mike und Franz, ein starkes Team,
arbeiten am EMF-Projekt wie im Traum.
Franz schmiert und Mike nimmt's hin,
denn sie wissen, das bringt Gewinn.
Schmiermaxe Franz, so flink und fix,
macht das EMF-Projekt zum Hit.
Und Mike, der immer wird geschmiert,
hat das Projekt 1996 initiiert.
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Faktencheck 072: Finanzierung des EMF-Projekts seit 2005
H. Lamarr , München, Mittwoch, 19.06.2024, 14:57 (vor 190 Tagen) @ H. Lamarr
Jetzt wird es spannend, denn es geht darum, auf welche Weise sich das EMF-Projekt der WHO finanziert. Die folgenden Angaben sind keine Mutmaßungen oder Sekundärquellen entnommen, sondern sie wurden im Progress Report 2001 - 2002 des Projekts im Juli 2002 auf der Projektwebsite veröffentlicht. Bei der WHO ist dieser alte Jahresbericht leider nicht mehr abzurufen, wer Zweifel an meinen Angaben hat, mag das Internet Archiv bemühen oder die WHO direkt ansprechen. Mir liegt der fragliche Jahresbericht nur deshalb vor, weil ich vor vielen Jahren, als dies noch für jedermann möglich war, alle Jahresberichte des EMF-Projekts von 1996 bis 2014 gesichert habe.
Damit kein Missverständnis aufkommt, die oben beschriebene Finanzierung des EMF-Projekts auch mit Geld aus der Industrie gilt für das Jahr 2002 und davor. Doch im Zeitraum 2004 bis 2005 hat die WHO die Projektfinanzierung überdacht und auf staatliche und nicht-staatliche Finanzierung umgestellt. Von Industriefinanzierung über eine "Firewall" (Royal Adelaide Hospital) ist nicht mehr die Rede. Im damaligen Progress Report heißt es nun zur Finanzierung (aus dem Englischen übersetzt) erstmals:
Das Projekt wird ausschließlich durch außerbudgetäre Beiträge der teilnehmenden Länder und Agenturen finanziert. Die WHO stellt Sachleistungen in Form von Büroräumen und Dienstleistungen zur Verfügung und stellt sehr strenge Anforderungen an die Finanzierung durch nicht-staatliche Organisationen. Alle Beiträge und Abrechnungen werden von der WHO streng geprüft.
Einige Länder stellen Sachleistungen in Form von Personalstunden zur Verfügung. Dazu gehören Beiträge von Dr. Colin Roy von der australischen Behörde für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit, von Dr. Eric van Rongen vom Gesundheitsrat der Niederlande, von Dr. Tom McManus von der Regierung der Republik Irland, von Dr. Victor Cruz vom peruanischen Nationalen Institut für Forschung und Ausbildung in der Telekommunikation (INICTEL) und von anderen, die unentgeltlich Übersetzungen von Merkblättern und anderen Dokumenten zur Verfügung gestellt haben [...]. Darüber hinaus richten einige Länder Sitzungen aus oder stellen Drittmittel zur Verfügung, um die Kosten für Sitzungen zu decken. Einrichtungen wie die Europäische Kommission stellen über EMF-NET und COST 281 Mittel für die Teilnahme von Referenten an WHO-Tagungen bereit. Verschiedene staatliche oder staatlich finanzierte Einrichtungen wie das schwedische Strahlenschutzinstitut (SSI) und die Forschungsgemeinschaft Funk e.V. (FGF) tragen entweder direkt oder durch die Übernahme der Reisekosten von Referenten zu den Kosten der Tagungen bei. Die FGF unterstützt auch die Aktualisierung der Forschungsdatenbank.
Eine Zusammenfassung der erhaltenen und ausgegebenen Mittel findet sich in Tabelle 3. Es ist anzumerken, dass das Projekt darauf abzielt, etwa gleich viele Beiträge von nationalen Behörden und nicht-staatliche Organisationen zu erhalten. Dies wurde im Laufe der Jahre weitgehend erreicht, allerdings sind höhere staatliche Beiträge erforderlich, um dieses Gleichgewicht zu erhalten.
Zwar gibt es noch einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben, doch werden die meisten Mittel für die Gehälter des Personals ausgegeben, und die WHO verlangt, dass mindestens ein Jahr im Voraus Mittel zur Deckung der Gehälter zur Verfügung stehen. Aufgrund des großen Arbeitsvolumens wird mehr Personalzeit benötigt, um die Aktivitäten abzuschließen. Kürzlich wurde eine Personalstelle ausgeschrieben, die jedoch wegen des starken Rückgangs der erwarteten Beiträge gestrichen werden musste.
Ein großes Problem ist, dass die für das Projekt bereitgestellten Mittel im Laufe der Jahre zurückgegangen sind. Es wurde zwar eine kleine Mittelreserve gebildet, doch ist diese nun aufgebraucht. Eine konzertierte Finanzierungsaktion ist notwendig, um die bereits begonnenen Projektaktivitäten abzuschließen.
Aus verwaltungstechnischer Sicht. Das Budget der WHO wird halbjährlich festgelegt. Das Budget für das EMF-Projektprogramm wird in Kürze für den Zweijahreszeitraum 2006-2007 aufgestellt. Darüber hinaus gibt es eine neue WHO-Politik, die vorsieht, dass ein bestimmter Anteil der Aktivitäten/Mittel an die Regionalbüros übertragen wird. Das EMF-Projekt erwägt derzeit, einen Teil seiner Aktivitäten an das Europäische Regionalbüro zu verlagern, obwohl anerkannt wird, dass auch in anderen Regionen, insbesondere in Südamerika, ein großer Bedarf an lokalem Fachwissen und Aktivitäten besteht.
Kommentar: Das Haar in der Suppe ist die Erwähnung der deutschen FGF, weil diese von der Mobilfunkindustrie gegründet wurde. Ergo werden Berufszweifler einwenden, die Industrie habe über die Hintertür weiter Einfluss auf das EMF-Projekt gehabt. Geradlinig gedacht, kann man das so sehen. Differenziert betrachtet war die FGF, die sich zum Jahresende 2009 selbst auflöste, jedoch weitaus transparenter als die meisten Anti-Mobilfunk-Vereine.
Auffällig ist: Alle, welche die FGF als Lobbyverein der Mobilfunkindustrie stigmatisierten, hatten keinerlei Probleme, mit dem Ex-Tabaklobbyisten Franz Adlkofer einträchtig zusammenzuarbeiten. Adlkofer stand zu Lebzeiten unter dem Verdacht, seine beiden alarmierenden Mobilfunkstudien im Auftrag der Tabakindustrie angefertigt zu haben, um von den Risiken des Rauchens abzulenken. Die Doppelmoral ging sogar so weit, dass Mobilfunkgegner die dunkle Vergangenheit Adlkofers aktiv verschleierten, um die öffentliche Schockwahrnehmung seiner Studien nicht zu schmälern. Derartige taktische Täuschungsmanöver lassen sich der FGF nicht nachsagen, auch wenn ein BUND-Landesverband wegen angeblicher "Verharmlosung und Verschleierung der Risiken" 2004 demonstrativ aus der FGF ausgetreten ist. Dazu muss man wissen, dass der BUND-Landesverband RLP seinerzeit unter starkem Einfluss von "Baubiologen" stand, die ihrerseits ein vitales kommerzielles Interesse daran haben, dass in der Bevölkerung irrationale Furcht vor dem "Risiko Mobilfunk" infolge sachlicher Aufklärung nicht einschläft. Der demonstrative Austritt aus der FGF kann daher gut und gerne nur dem taktischen Zweck gedient haben, die Glaubwürdigkeit der FGF zu untergraben. Für diese Entwertungstaktik organisierter Mobilfunkgegner gibt es konkrete Beispiele, z.B. dieses hier oder jenes.
Und Vorsicht: Die heutige Website der FGF hat mit der echten FGF nichts zu tun! Wer sich von der echten FGF selbst ein Bild machen möchte, muss sich im Internet Archiv schlau machen.
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Faktencheck 072: Finanzierung des EMF-Projekts seit 2005
Schutti2, Mittwoch, 19.06.2024, 15:16 (vor 190 Tagen) @ H. Lamarr
Und Vorsicht: Die heutige Website der FGF hat mit der echten FGF nichts zu tun! Wer sich von der echten FGF selbst ein Bild machen möchte, muss sich im Internet Archiv schlau machen.
Wie krass ist das denn...
Gummibärchenverkauf unter dem Deckmantel einer Forschungsgemeinschaft.
Kein legitimer Erbe der alten FGF mehr da, der diesem Unfug einen Riegel vorschieben kann?
Über den Untergang des echten FGF-Webauftritts
H. Lamarr , München, Mittwoch, 19.06.2024, 15:50 (vor 190 Tagen) @ Schutti2
Und Vorsicht: Die heutige Website der FGF hat mit der echten FGF nichts zu tun! Wer sich von der echten FGF selbst ein Bild machen möchte, muss sich im Internet Archiv schlau machen.
Wie krass ist das denn...
Gummibärchenverkauf unter dem Deckmantel einer Forschungsgemeinschaft.
Kein legitimer Erbe der alten FGF mehr da, der diesem Unfug einen Riegel vorschieben kann?
Nein leider nicht. Ich hatte wegen des damals schon verwaisten Webauftritts der FGF um 2011 herum mit Gerd Friedrich telefoniert, weil die Seite gehackt worden war und plötzlich politische Botschaften zeigte, ich meine zum Palästinakonflikt. Friedrich sagte mir seinerzeit, da WIK den Internetauftritt der FGF nicht übernommen habe, halte jetzt er ihn privat auf eigene Kosten am Leben. Er signalisierte jedoch schon damals, dass er nicht vorhabe, dies wegen des damit verbundenen Pflegeaufwands unbefristet zu tun. Gemäß Internet-Archiv war die echte FGF-Website ab 2013 nur noch zeitweise erreichbar. 2021 muss die Domain fgf.de dann an den jetzigen neuen Eigentümer verkauft worden sein.
2015 habe ich mir eine Kopie der Website gezogen, zu diesem Zeitpunkt war der Inhalt allerdings schon nicht mehr vollständig erhalten. Die Kopie umfasst nur rd. 41 MByte und lässt sich mit jedem Browser betrachten. Blöd nur, dass immer dann, wenn in der Kopie ein nicht mehr intakter Link angeklickt wird, und davon gibt es viele, eine Weiterleitung zum heutigen FGF-Webauftritt stattfindet. Das nervt ... .
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War-Gaming für den Profit: Schreck am Morgen
H. Lamarr , München, Dienstag, 10.12.2019, 12:05 (vor 1843 Tagen) @ H. Lamarr
Der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk beauftragte den Gesinnungsfreund Klaus Scheidsteger, einen Kurzfilm über angebliche Machenschaften der Mobilfunkindustrie anzufertigen. Was dabei herausgekommen ist, jeder kann es sich leicht denken.
Als ich heute Morgen noch etwas verschlafen im Internet stöberte, fiel mir fast die Kaffeetasse aus der Hand: Hatten doch die seriösen Faktenchecker von Correctiv auf ihre Website einen unerträglich wohlwollenden Eintrag über Klaus Scheidstegers jüngsten War-Gaming-Streifen gepackt. Was für ein Schlag ins Kontor! Ist es der gut geölten Desinformationsmaschinerie des Vereins Diagnose-Funk doch tatsächlich gelungen, sogar das Personal von Correctiv einzuwickeln. Einen Moment lang dachte ich das wirklich. Erst beim zweiten Hinschauen fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren: Ich war auf eine mutmaßlich freudsche Verwechslung hereingefallen, statt zu Correctiv hat mich ein unkonzentrierter Klick in einer Google-Trefferliste zu Connectiv geführt, was ungefähr der Verwechslung von Himmel und Hölle gleichkommt .
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