Causa "Reflex": Warum Lerchl die "Fälschungsthese" favorisierte (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 21.02.2021, 20:00 (vor 1121 Tagen) @ H. Lamarr

Lieber Dariusz!

Die Causa "Reflex" fand ab 2008 in Österreich und Deutschland statt. Deshalb liegen die meisten Informationen dazu nicht in englischer Sprache vor, und wenn doch, dann sind es einseitige Informationen, die häufig auf Adlkofer zurückgehen.

Vexierbilder sind eine schöne Analogie für das, was beim Betrachten der Causa passiert. Die einen sehen dies, die anderen das, obwohl alle dasselbe Bild betrachten. Hier drei Beispiele.

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Bilder: oben links; oben rechts; unten

Wer eine nackte Frau sieht, erliegt einer Täuschung. Das Bild zeigt die Wohnung der Hübschen von gegenüber, die ihre Wäsche zum Trocknen vor ihrem Fenster aufgehängt hat. Doch das Bild zeigt bei genauerer Betrachtung keine Person, sondern nur eine weiße Wand im Hintergrund. Und wer meint, in dem anderen Bild Albert Einstein zu erkennen, der soll das Bild am Monitor größer darstellen, aufstehen und sich vom Monitor entfernen. Je nach Sehkraft wird sich nach einigen Metern Einstein in Marilyn Monroe verwandeln. Schließlich zeigt das dritte Bild für die einen zuerst eine junge Frau, für andere eine alte Frau. Mit der Causa "Reflex" verhält es sich ähnlich, je nach Informationsstand und Bias (Voreingenommenheit) fällt das Urteil dazu unterschiedlich aus. Dies dürfte weitgehend unstrittig sein.

Da Louis Slesin in seiner jüngsten Kritik an Lerchl offenbar von Adlkofer und dessen Helfershelfer Diagnose-Funk gebrieft wurde, möchte ich hier aus der Masse der Gegenargumente nur herausgreifen, warum Lerchl sich (aus meiner Sicht) darin verrannt hat, bei "Reflex" sei Datenfälschung mit im Spiel gewesen.

1) Als Kopf der deutschen Tabakforschung im Dienst der Tabakindustrie war Adlkofer maßgebend daran beteiligt, dass die Diskussion um die Risiken des Passivrauchens in Deutschland länger offen blieb als in anderen westlichen Industrieländern. Dies gelang mit dem gezielten Wecken von Zweifeln an belastenden Studien und mit Ablenkungsforschung, die andere Gesundheitsrisiken ins Bewußtsein der Öffentlichkeit brachten (Beleg). Ein Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen scheiterte 1998 und wurde erst 2007 verabschiedet. Diese Verzögerung dürfte tausenden Menschen in Deutschland das Leben gekostet haben.

2) Adlkofer hatte es mit "Reflex" eilig. Noch bevor der "Reflex"-Abschlussbericht 2004 veröffentlicht wurde, trug Adlkofer auf der 25. BEMS-Jahrestagung vom 22. bis 27. Juni 2003, Hawaii, die alarmierenden Ergebnisse vor. Daran gibt es nichts auszusetzen. Doch Adlkofer reiste mit einem Kamerateam des deutschen Fernsehns an (ARD). Die Sendung wurde am 7. August 2003 im Nachtprogramm der ARD unter dem Titel "Bei Anruf Smog?" ausgestrahlt. Danach reiste Adlkofer durch Deutschland und hielt meist vor Laien viele Vorträge über die alarmierenden Ergebnisse von "Reflex", obwohl weder der Abschlussbericht noch eine wissenschaftliche Veröffentlichung über die in Berlin/Wien gefundenen DNA-Schäden unter HF-Einwirkung vorlagen. Bekanntlich bestand "Reflex" aus weit mehr Teilstudien, als die beiden aus Berlin/Wien. Doch wenn Adlkofer vortrug, dann ging es stets nur um die spektakulären Ergebnisse aus Berlin und Wien.

3) Adlkofer ist aus gutem Grund Nichtraucher. Ein Mobiltelefon nutzt er hingegen in aller Offenheit, auch noch nach seinem "Reflex"-Projekt.

4) Sheila Johnston und Vijayalaxmi besuchten im Frühjahr 2004 auf Einladung den Wiener Projektleiter (Rüdiger) und den "Reflex"-Koordinator (Adlkofer) in Wien. Grund: Rüdiger hatte 2003 die später als Diem et al., 2005, bekannt gewordene HF-Studie einem wissenschaftlichen Journal angeboten, das die Arbeit jedoch ablehnte. Von den Besuchern wollte er Rat, wie sich das Paper verbessern ließe. In einem Report berichtete Johnston später über irritierende Vorgänge in dem Wiener Labor, deren Beschreibung hier den Rahmen sprengen würde. Der Report ist in deutscher Übersetzung im IZgMF-Forum zu lesen, wer das englische Original benötigt, möge sich an Lerchl wenden.

Was sagt uns 1) bis 4)? Meine Interpretation: Adlkofer, zu fraglichen Zeit Geschäftsführer einer von der Tabakindustrie gegründeten Stiftung (Verum), spielte das ihm vertraute Spiel der Ablenkungsforschung auf zwei Spielfeldern. Mit großem Druck presste er die alarmierenden Resultate der beiden HF-Studien so früh wie möglich in die Öffentlichkeit, um von den Risiken des Rauchens abzulenken. Mit merklich weniger Druck fütterte er die Wissenschaft.

Jetzt versetze dich einmal in Lerchls Lage, als dieser 2008 in den Daten der "Reflex"-Nachfolgestudie Adlkofers (Schwarz et al. 2008) seltsame statistische Muster entdeckt, die gegen die Validität der Daten sprechen. Die Datei mit den Daten erhielt er von einem aufmerksamen Studenten zugeschickt (Name ist mir bekannt), mit dem er zuvor nichts zu tun hatte und dessen Familie damals Mobilfunkgegner waren. Ist es denn da verwunderlich, dass Lerchl 1) bis 4) vor Augen nicht an technische Mängel der Studie oder Unvermögen der Arbeitgruppe Rüdiger (Wien) denkt, sondern an gezielte Fälschung der Daten, womit Adlkofer seinem langjährigen Arbeitgeber einen letzten Dienst erweisen will? Ich meine, dieser Gedanke liegt in Anbetracht der Umstände sehr nahe. Lerchl äußerte seinerzeit, er sei über die irritierenden Daten zufällig gestolpert, gezielt gesucht habe er sie nicht.

Soviel zu dem Detail, wie der "böse" Lerchl überhaupt auf die Idee gekommen ist, die "Reflex"-Nachfolgestudie sei nicht nur eine Studie mit erheblichen Mängeln, sondern beruhe auf gefälschten Daten. Dass Lerchl seinen Verdacht aus Sicht eines Revisionsgerichts nicht zweifelsfrei beweisen konnte, ist für ihn persönlich wahrscheinlich sehr enttäuschend. Der indiskutable Shitstorm gegen Lerchl, den du und Louis Slesin, vor allem aber Adlkofer und Diagnose-Funk nach dem Urteil entfacht haben, empfinde ich als unfair und als Beleg dafür, wie einfach es ist, Menschen mit einseitiger Information, also mit Desinformation in Nadelstreifen, in eine gewünschte Richtung zu bewegen. Wie dem auch sei, auch nach dem Urteil gilt weiterhin für "Reflex": Abwesenheit von Evidenz ist keine Evidenz für Abwesenheit.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Vijayalaxmi, Reflex, Instrumentalisierung, Einflussnahme, Verum, Rüdiger, Slesin, Gleichschaltungsmanipulation, Kampagne, Hawaii


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