Tricksen mit statistischen Analysen (Forschung)
Meiner Beobachtung nach sind organisierte Mobilfunkgegner Weltmeister im verdrehen von Fakten. Die einen machen dies geschickt, andere ungeschickt, besonderen Fleiß legt für mich in dieser Disziplin der Verein Diagnose-Funk an den Tag. Ein Eldorado für gelernte Faktenverdreher sind statistische Analysen. Mit denen lässt sich trefflich Verwirrung stiften ohne selbst zu lügen, denn der Fehler entsteht erst im Kopf des (unkundigen) Betrachters. Unten ein plakatives Beispiel, das ich in diesem Text gefunden habe, in den aktuell von Laien geführten pseudowissenschaftlichen Coronazahlendiskussionen ließen sich sicher noch etliche mehr finden:
Auch wenn die Ergebnisse einer statistischen Analyse korrekt berechnet wurden, können sie dennoch falsche Eindrücke erwecken. Als Beispiel sei das Mammographie-Screening erwähnt, dessen Nutzen sehr kontrovers beurteilt wird. Hier ein paar objektive Zahlen: In einer umfangreichen Übersichtsarbeit wurde nachgewiesen, dass die brustkrebsspezifische Mortalität bei Frauen, die regelmäßig an einer Screening-Untersuchung teilnehmen, signifikant geringer ist, als bei der Kontrollgruppe ohne Screening (2,9 bzw. 3,6 Todesfälle pro 1000 Frauen in 10 Jahren). Dies konnte mit p < 0,0001 eindrucksvoll bestätigt werden (Kerlikowske 1997). Die absolute Risikoreduktion von 0,07 Prozent ist eigentlich minimal. Deren Kehrwert – die "Number Needed to Treat" – ist 1'429 [1/0,07 x 100, Anm. Postingautor]. Also müssen sich 1'429 Frauen zehn Jahre lang screenen lassen, damit eine Frau profitiert.
Es lässt sich auch folgende Aussage herleiten: Die Anzahl der Frauen, die ohne Screening an Brustkrebs versterben, ließe sich durch Screening um 19,4 Prozent senken. Diese relative Risikoreduktion (die als (3,6–2,9)/3,6 berechnet wird) klingt zwar sehr beeindruckend, führt aber leicht zu Missverständnissen – und zwar dann, wenn diese Zahl so interpretiert wird, als würden 19,4 Prozent aller Frauen von der Screening-Maßnahme profitieren. Diese Interpretation ist falsch!
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
- Mobilfunkstudien: Bewertung der Ergebnisse durch Laien -
H. Lamarr,
12.08.2015, 14:32
- Studie zum Magnetsinn bei Schweinen -
Dr. Ratto,
22.06.2016, 09:55
- Studie zum Magnetsinn bei Schweinen -
H. Lamarr,
22.06.2016, 11:54
- Studie zum Magnetsinn bei Schweinen -
Dr. Ratto,
22.06.2016, 14:41
- Eine Pressemitteilung ist noch lange keine Pressemeldung - H. Lamarr, 23.06.2016, 10:53
- Studie zum Magnetsinn bei Schweinen - H. Lamarr, 22.06.2016, 15:18
- Studie zum Magnetsinn bei Schweinen -
Dr. Ratto,
22.06.2016, 14:41
- Studie zum Magnetsinn bei Schweinen -
H. Lamarr,
22.06.2016, 11:54
- Falle der Inkompetenz: Der Fall Hochspannung Ellwangen - H. Lamarr, 22.10.2016, 13:26
- Impact Factor in der Kritik -
H. Lamarr,
02.07.2017, 16:53
- Übernahme - Beschreibung der Aktivien - KlaKla, 03.07.2017, 09:07
- Anzahl Abgastote in Deutschland: mit Wenn & Aber - H. Lamarr, 02.03.2019, 12:30
- Tricksen mit statistischen Analysen - H. Lamarr, 27.08.2020, 21:38
- Lesen & Verstehen: Umgang mit wissenschaftlicher Fachliteratur - H. Lamarr, 15.02.2022, 15:15
- Studie zum Magnetsinn bei Schweinen -
Dr. Ratto,
22.06.2016, 09:55