Risiken sind genau so zu hinterfragen wie Angst (Allgemein)

krause99, Freitag, 17.11.2006, 00:17 (vor 6444 Tagen) @ caro
bearbeitet von krause99, Freitag, 17.11.2006, 00:42

"Operationalisierung des Leitbildes "Risikomündigkeit" unter Berücksichtigung von Lebensstil und Wertorientierung als Grundlage für die Risikokommunikation im Strahlenschutz" (Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz, BfS).

Danke für den Hinweis, diesen Leitfaden werde ich auch auf meine Vermutung hin untersuchen. Aber von meiner Intention her ist das die verkehrte Suchrichtung (siehe Punkt 7.). Alle Studien, Berichte, Tagungen usw. die bisher im Umfeld der Bundesbehörden dazu veröffentlicht wurden, lassen nicht das erkennen, wonach ich suche. Meine damit verbundene Vermutung wollte ich allerdings erst dann veröffentlichen, wenn sie von irgend jemanden bestätigt wurde. Das sich aber ein negatives Resultat abzeichnet, ab hier meine Vermutung und noch ein Versuch über diesen Weg Klarheit zu erlangen. Dazu muss ich weit ausholen:

1. Mobilfunk & Co ist - wie Nano-Technologie, Kernkraft, GEN-Tchnik usw. auch - eines der Zukunftsbranchen, die für eine inzwischen breite politische und turbokapitalistische Strömung in Deutschland zu stark mit Angst besetzt ist und dadurch Innovationen verhindert. Diese Strömung fordert mehr Risikobereitschaft von der deutschen Gesellschaft. Siehe hierzu auch " den Heise-Newsticker und einen Artikel der Zeit online "Abschied von der Panikmache".

2. Ich vermute, dass diese Leute aus finanziellen und Machtgründen in der globalisierten Welt ganz vorn mitschwimmen wollen und dafür manipulativ eine Stimmung in unserer Gesellschaft erzeugen wollen, welche die wichtige menschliche Eigenschaft "Angst" verspottet, auf die Kalkulation von Risiken verzichtet und uns statt dessen blind ein paar Gurus nachrennen läßt.

3. Der von mir bisher als Oberguru vermutete Prof. Renn ist überall dort zu finden, wo es darum geht Risiken zu erkennen, zu bewerten und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Jüngstes Beispiel: die ARD-Sendung "die Angst-Industrie" am 24.10.06 und der von Caro genannte Leitfaden "Risikomündigkeit".

4. Das wäre ja zu akzeptieren, wenn dadurch tatsächlich der o.a. Strömung Leitplanken gegeben würden, die unseren "Global Playern" zwar Freiraum für ökonomische Risiken gibt aber gesundheitliche Risiken für unsere und kommende Generationen weitestgehend verhindert.

5. Aber genau das passiert leider nicht. Beispiel: Das Risiko des hochfrequenten Elektrosmogs durch Mobilfunk & Co wird von Prof. Renn zum normalen Lebensrisiko erklärt, obwohl man nach den von ihm selbst aufgestellten Bewertungskriterien (siehe das von mir bereits referenzierte WBGU-Gutachten, 1998: "Strategien zur Bewältigung globaler Umweltrisiken" Kap. 2, Seite 6 ff.) dieses Risiko als so unkalkulierbar einstufen müßte, dass man die heutige drahtlose Kommunikation sofort verbieten bzw. substituieren müßte. Hier wird also der im Prinzip guter Ansatz des Risikomanagements sträflich verbogen und damit die Chance unterdrückt u.U. riesigen Langzeitschäden frühzeitig zu erkennen.

6. Auch das wäre ja noch nicht so schlimm, wenn diese Studien und Empfehlungen in Berlin auf Regierungsebene nur Gedankenspiele auslösen würden. Dann könnte eine kritische und agile Minderheit im Land das Ganze durch Mobilisierung der "üblichen Protestgemeinde" das Schlimmste verhindern. Aber dieses Stadium scheinen die In-itiatoren des Slogans "Weg mit der German Angst, mehr Mut zum (unkalkulierten) Risiko" längst hinter sich gelassen haben. Denn diese Message scheint bereits in allen Parlamenten und Rathäusern angekommen zu sein.

7. Ab hier bin ich beim Kern dieses Threads. Meine Vermutung: Es gibt Newsdienste oder/und Schulungsveranstaltungen der Parteien, welche den Grundkonsenz der hohen Politik in Berlin bis in die letzte Provinz transportieren die leidige "German Angst" auszutauschen gegen mehr Mut zum unkalkulierten Risiko. Ich stütze mich bei meiner Vermutung auf zwei selbst erlebte Infoabende für Rats- und Kreisfraktionen, an denen ein Referent den Ausschnitt aus dem WBGU-Gutachten zitiert, der Mobilfunk als Risiko vom Typ Medusa (=ganz normales Lebensrisiko) bezeichnet und nicht als Typ Pandora (= verbotenes Risiko). Die Handlungsempfehlung der WBGU für Risiken vom Typ Medusa lautet:
Vertrauensbildung fördern, Wissen verbessern, Risikokommunikation betrei-ben, Verständnis zeigen, aber kein Geld ausgeben und vor allem in der Sache nicht nachgeben.

8. Genau dieses Verhalten erlebe ich seit ca. 3 Jahren bei meinen Gesprächen mit Entscheidern im öffentlichen Raum:
Aufgeschlossene Diskussionen ohne Resultate. Versprechen, die nie gehalten werden. Kaum hat man seinen Gesprächspartnern den Rücken zugedreht liegt das Thema schon im Papierkorb. Torpedieren von Beschlüssen mutiger Umweltausschüsse mit dem Kommentar "wir haben das Geld an vielen Stellen nötiger als in kommunalen Planungen, welche die Betreiber so wie so besser können als wir", usw....
Abschlußbemerkung: Wenn ich als Entscheider in der kommunalen Politik oder Administration säße und so einleuchtende Vorgaben von oben bekäme, so würde ich auch nicht auf jeden ängstlichen Mobilfunkkritiker reagieren, wenn er wieder mal mit der ultimativen Studie um die Ecke kommt. Ich habe schließlich vom Oberguru des Risikomanagements der Bundesregierung eine simple Erklärung bekommen wieso gefühltes und tatsächliches Risiko so weit auseinander gedriftet sind. Da werde ich doch bei meiner Arbeitslast nicht jeden Tag das Risiko Mobilfunk neu bewerten. Vor allem, wenn es gerade "in" ist, bei Risiken nicht so genau hinzuschauen, wenn es um innovative Arbeitsplätze geht.

Zwei Fragen:
a. wenn etwas an meiner hier geäußerten Vermutung dran ist, wie kann man diese über weiten Strecke einleuchtende Argumentation so durchbrechen, dass verantwortungsbewußte Entscheider merken, dass sie einem tief verbuddelt und bewußt angelegten Irrtum aufgesessen sind und jetzt Korrekturen notwendig sind?
b. angeblich hat Prof. Renn keine wirkliche Ahnung vom hochfrequenten Elektrosmog, sondern hat seine Einstufung von der ICNIRP übernommen. Weiß darüber jemand Genaueres?

Tags:
, Angst, Irrtum, Riskikokommunikation, Konsenz


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum