Prof. Wuschek: Erdung wirkt sich nicht auf Schirmwirkung aus (Forschung)

Dr. Ratto, Dienstag, 13.05.2014, 09:44 (vor 3706 Tagen) @ Kuddel

Das würde die Frage aufwerfen, ob der gefundene Effekt mit der (unwesentlichen) Expositionsänderung in Verbindung gebracht werden kann, oder nicht doch auf einem unerkannten, (z.B. zeitvariablen) Artefakt beruht (Regen, Sonne, Wind, Temperatur, Luftfeuchtigkeit Beleuchtung, Futter, Jahreszeiten Stress, etc)

Das denke ich eher nicht. Warum sollte einer dieser Parameter, vor allem z.B. das Wetter, mit dem Ein- und Ausschalten der Schirmung korrelieren?

Für gleichmäßige Beleuchtung wurde gesorgt:
The birds were tested for 1 h under dim white light conditions (2.1mWm22) produced by incandescent bulbs (spectrum given in ref. 12).

Gefüttert wurde sicher auch immer gleich, was Jahreszeiten betrifft, sind diese Versuche sowieso nur im Herbst und Frühjahr möglich, wenn die Vögel Zugbereitschaft zeigen:
The tests were performed on the campus of the University of Oldenburg during the spring migratory seasons in 2005 (when we tested 22 birds), 2008 (18 birds) and 2011 (30 birds) and during the autumn migratory seasons in 2010 (24 birds) and 2011 (42 birds).
Dass die Ergebnisse im Herbst und Frühjahr über mehrere Jahre konsistent blieben spricht gegen einen Zufall.

Um ehrlich zu sein, sehe ich (als Laie) in der dargestellten Grafik sowieso kaum einen Unterschied in der Verteilung der Punkte zwischen den roten und den blauen Kreisen. Könnte das nicht auch (statistisches) Rauschen, bzw. reiner Zufall sein?

Zur statistischen Auswertung wurde der Rayleigh Test genutzt, das ist bei derartigen Versuchen Standard. Er zeigt, ob eine Richtung signifikant bevorzugt wurde oder nicht. Der Pfeil in der Mitte des Kreises zeigt die durchschnittliche Richtung an. Seine Länge ist ein Maß für die Signifikanz. Die 1 - 3 inneren gestrichelten Kreise stehen von innen nach außen für p = 0,05, 0,01 und 0,001 (z.B. Abb. 4e; Herbst, statisches Feld um -120 Grad gedreht; normal würden sie nach Südwest fliegen).
[image]
Je länger der Pfeil und je größeren Kreis er erreicht, umso höher die Signifikanz. Das Signifikanzniveau wird auch im Text zu den Abbildungen jeweils angegeben. Für Verhaltenstests ist es gar nicht so schlecht und die Tierzahlen waren pro Versuch auch angemessen (16 - 34). Optisch ist es nicht so gut zu sehen, wenn man aber alle Bilder betrachtet, ist es bei den blauen eher so, dass es in Pfeilrichtung eine Häufung und genau gegenüber eine Lücke gibt, und bei den roten nicht. Es ist auch zu beachten, dass bei physikalischen Messungen nur der Messfehler eine Rolle spielt, bei Tierversuchen überwiegt die individuelle Variabilität zwischen den Tiere. Die ist im Vergleich zum Messfehler riesig.

Weiterhin ist wichtig, ob die Richtung, die signifikant bevorzugt wird, auch biologisch Sinn macht. Rotkehlchen überwintern im Mittelmeerraum. Im Frühjahr tendieren sie generell in den Norden, das ist in allen im Frühjahr durchgeführten Experimenten deutlich zu sehen. Im Herbst orientieren sie sich südlich, es kann aber auch südwestlich sein, wenn sie aus Oldenburg Spanien anpeilen (Abb. 4d).
[image]

[image]Die Tests wurden unter gleichmäßiger schwacher Beleuchtung in Emlen-Trichtern durchgeführt (s. Abb. links). Rotkehlchen ziehen nachts und orientieren sich dabei nach dem Magnetfeld und den Sternen. Sterne waren nicht sichtbar. Sind die Tiere in Zugstimmung (das richtet sich nach der Tageslänge), versuchen sie im Trichter in eine bestimmte Richtung abzuheben und verursachen dabei auf einem Spezialpapier Kratzspuren.


Die Kratzspuren werden von 2-3 Bewertern ausgewertet. Waren sich diese nicht einig, wurden die Ergebnisse verworfen (in diesem Fall 7%). Die Bewerter wussten nicht, welche Tiere exponiert waren, und auch nicht, wo Norden war. Die Auswertung erfolgte aufgrund einer Markierung auf dem Papier, in welche Richtung diese tatsächlich zeigte wurde erst nach der Auswertung offengelegt. Das spricht für eine gute Verblindung.
Sind die Tiere nicht in Zugstimmung, hinterlassen sie nur wenige Kratzspuren die keine Richtung bevorzugen und schlafen dann, da sie, außer wenn sie ziehen, tagaktiv sind. Versuche, in denen weniger als 100 Spuren gezählt wurden, wurden deswegen als "nicht aktiv" verworfen (40%). Dabei kann sein, dass ein nicht aktiver Vogel einige Tage später aktiv wird. Der Zeitraum für die Durchführung derartiger Experimente ist generell kurz.

Biologisch sind die Experimente sehr gut durchgeführt. Jetzt heißt es, die Ergebnisse zu erklären. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten - entweder es ist ein Artefakt, dann muss der technische Fehler gefunden werden; oder es ist real, dann muss der biophysikalische Wirkmechanismus geklärt werden. Beides könnte schwierig werden.


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