Baron Münchhausen: 5G strahlt 100-fach stärker (Allgemein)
Klaus Buchner turnt unbeirrt weiter durch die Dörfer der Republik und verbreitet seine kühn zusammengegoogelten Gruselgeschichten über angeblich erwiesene unerwünschte Nebenwirkungen des Mobilfunks. Jüngster Stopp war am 17. November 2018 im nördlichen Oberschwaben Sießen im Wald, ein Ortsteil der Gemeinde Schwendi (bei Biberach).
Schon die Ankündigung der Veranstaltung durch den Bundesverband der ÖDP ist mit der entstellten Titelzeile "19 Strahlen durch Funkmasten oder Smartphones in Zeiten von 5G - Informationsabend mit MdEP Klaus Buchner" (Screenshot) spaßig. Irgendwie geriet bei einer Copy-Paste-Aktion die Uhrzeit der Veranstaltung versehentlich in den Titel. Kann passieren. Doch der Fehler ist aufschlussreich: Bis heute, nach immerhin zehn Tagen, hat noch niemand die ÖDP auf die Sinnfreiheit der Titelzeile hingewiesen.
Was Referent Buchner den angeblich mehr als 100 Besuchern an phantastischen Abenteuergeschichten erzählte, das kann man sich in der Schwäbischen Zeitung und auf Südwest Presse in voller Länge durchlesen. Hier nur eine Kostprobe, die zeigt, dass der angebliche "Physikprofessor", der tatsächlich ein "Mathematikprofessor" an der TU München war, nach wie vor hemmungslos jeden Stuss verbreitet, der in der von fachlichen Laien dominierten Anti-Mobilfunk-Szene kursiert.
Ziemlich besorgt blickte der Professor in die Zukunft. Während in anderen Ländern bereits auf eine weniger stark strahlende Mobilfunktechnik umgestellt werde, sei in Deutschland kein Umdenken erkennbar. Zur neuen 5G-Technologie sagte Buchner: "In den Städten wird es alle 150 bis 200 Meter einen kleinen, kaum erkennbaren Masten geben. Mit bis zu 100-fach stärkerer Strahlung als die herkömmlichen Masten. Da steht uns viel bevor."
Für Mobilfunksendemasten gibt es bekanntlich seit 1998 die Grenzwerte der 26. BImSchV, sie gelten auch für 5G. Jeder Mobilfunksendemast erreicht diese Grenzwerte, man muss dazu nur nahe genug an die Antennen heran kommen. Deshalb gibt es für jeden Mast individuell festgelegte Sicherheitsabstände (in horizontaler und vertikaler Richtung), sie bilden die Grenze zwischen gefährlich starker und unbedenklich niedriger Immission. Die BNetzA genehmigt Baugesuche für Mobilfunksendemasten nur dann, wenn gewährleistet ist, dass kein Bürger versehentlich in den Sicherheitsbereich geraten kann. Dies bedeutet: Selbst wenn Buchner mit seiner Behauptung recht hat, 5G-Masten würden bis zu 100-fach stärker strahlen als herkömmliche Masten, woran ich große Zweifel habe, ist damit kein Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung verbunden. Dazu muss man wissen: Buchner ist ein Verfechter "baubiologischer Richtwerte", die sich einige selbsternannte Experten als grundlegende Geschäftsidee für sogenannte Baubiologen ausgedacht haben. Ein wissenschaftlich anerkanntes Fundament haben diese extrem tief angesetzten Richtwerte nicht. Wissenschaftler vom Fach sehen bei einer Immission von 10'000 mW/m² keine Gefahr. Die Gilde der Baubiologen hingegen sieht bereits ab Werten größer 0,01 mW/m² "starke Auffälligkeiten" und preisen ihre Dienste an, höhere Werte mit teuren Schirmmaßnahmen in Schlafzimmern auf "unauffälliges" Niveau zu dämpfen. Buchners Menetekel des nackten Grauens vor 5G kann daher bedeuten, dass Menschen z.B. einer Immission von ...
100x0,01 mW/m²=1 mW/m²
... ausgesetzt werden, was für Baubiologen "extrem auffällig" ist im Sinne von gefahrenbringend – und für Buchner offensichtlich auch.
Wer Buchner ernst nimmt muss bei einem solchen Wert in seinem Schlafzimmer unverzüglich handeln und zum Entzücken des freundlichen Baubiologen von nebenan tief in die eigene Tasche greifen. Alle anderen können sich sorglos in der Gewissheit zurücklehnen, dass auch eine vermeintlich "extrem auffällige" Immission von 1 mW/m² noch immer tausendemal unter den Grenzwerten liegt (also ein extrem auffällig niedriger Wert), die nicht von selbsternannten Experten ausgewürfelt wurden, sondern anerkannte Wissenschaftler nach gründlicher Auswertung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes unter Einbeziehung eines hohen Sicherheitsfaktors (50) als noch ungefährlich für die Bevölkerung befunden haben.
Wer Klaus Buchner mit derartigen Entgegnungen in die Enge treibt kann eine weitere Facette des facettenreichen Mathematikprofessors erleben: Gehen ihm die Sachargumente aus, ist seine Exit-Strategie das Umschwenken auf steile Verschwörungstheorien. So behauptet er etwa ein Komplott zwischen der Mobilfunkindustrie und der staatlichen Aufsicht (Bundesamt für Strahlenschutz) zum Vorteil der Industrie und zum Nachteil der Bevölkerung. Früher ließ der ÖDP-Mann es noch viel heftiger krachen. Glaubt man dem inzwischen gebrechlichen Anti-Mobilfunk-Verein "Bürgerwelle", sagte Buchner bereits 2002 über Mobilfunk, damals stand GSM (2G) in der Blüte und 5G war meilenweit hinterm Horizont: "Das ist Mord. Es werden Menschen daran sterben." Dummerweise ist jedoch niemand an 2G gestorben. Auch nicht an 3G (UMTS) und 4G (LTE). Die Funktechniken ändern sich, 2G wird in den kommenden Jahren ausrangiert und 5G kommt. Konstant geblieben sind nur die Rufer in der Wüste wie Klaus Buchner. Deren Rufe werden heutzutage übers Internet weltweit verbreitet, sie dringen bis in unser Wohnzimmer vor. Doch wer Stuss von Fakten unterscheiden kann kommt ungeschoren davon. Wer aber nichts weiß und deshalb alles glauben muss, zappelt schnell am Haken und muss bezahlen. Entweder mit Angst im Nacken oder mit Geld für überflüssige Dienste. Unkenntnis schützt vor Strafe nicht.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –