2. Hensinger vs. Röösli: Anstieg der Strahlenbelastung durch 5G (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 10.08.2022, 13:11 (vor 835 Tagen) @ H. Lamarr

Hensinger wirf Röösli u.a. vor, er verharmlose den Anstieg der Strahlenbelastung der Bevölkerung infolge der Einführung von 5G. Wir können uns die Entgegnungen des Mobilfunkkritikers in den Folgepostings 2.x dazu schlecht anschauen, ohne zuvor den Standpunkt der Autorengruppe um Röösli zu kennen.

Röösli et al. zeigen in ihrem Artikel, belegt mit Quellenangaben, die mittlere Exposition der Bevölkerung durch körperferne EMF-Quellen (z.B. Mobilfunkmasten) lag vor Einführung von 5G deutlich unter den zulässigen Expositionsrichtwerten (maximal 61 V/m). Messwerte über 1 V/m waren selten. Dosimetrische Berechnungen des EU-Forschungsprojekts "Geronimo" hätten gezeigt, Mobilfunkmasten würden zur mittleren Tagesdosis der vom Gehirn absorbierten HF-Energie nur rd. vier Prozent beitragen, körpernah betriebene Mobiltelefone bei Sprachtelefonie (Gerät am Kopf) hingegen zu 83 Prozent. Auch bei der mittleren HF-Energieabsorption durch den gesamten Körper (Tagesdosis) ginge der Löwenanteil von 68 Prozent aufs Konto von Mobiltelefonen (Summe aus: Gerät am Kopf, in der Hand gehalten oder am Körper getragen). Der Anteil von Mobilfunkmasten läge hier bei rd. acht Prozent. Wie immer bei der Nennung von Mittelwerten kann die individuelle Exposition mehr oder weniger deutlich oberhalb oder unterhalb der Mittelwerte liegen.

Die Ausführungen der Autorengruppe machen einmal mehr deutlich: In der Diskussion über Gesundheitsrisiken der Mobilfunktechnik fällt Mobiltelefonen eindeutig die Hauptrolle zu. Dies steht im krassen Gegensatz zur Risikoeinschätzung der Bevölkerung und den Aktivitäten von Anti-Mobilfunk-Vereinen, welche Mobilfunkmasten als dominante Gefährdungsquelle sehen. Schon allein aus diesem Grund muss Peter Hensinger im überlebenswichtigen Interesse seines Vereins Diagnose-Funk der Autorengruppe widersprechen.

Was ändert sich mit 5G?

Rund 30 Jahre nach Einführung des GSM-Mobilfunks (2G) ist der Wissensstand über gesundheitliche Auswirkungen aller bisherigen Mobilfunksysteme naheliegenderweise detailreicher als über das 2019 gestartete 5G. Hinzu kommt: Mit jedem neuen Mobilfunksystem nimmt die technische Komplexität zu, was sich auf die Erforschung gesundheitlicher Auswirkungen verzögernd auswirkt. Die Frage "Was ändert sich mit 5G?" kann deshalb gegenwärtig nur die Momentaufnahme eines unfertigen Puzzles sein. Gesellschaftlich tolerierbar ist die weltweite Einführung von 5G trotz fehlender Puzzleteile, weil die Mehrheit der Wissenschaftler vom Fach keinen ernsthaften Anfangsverdacht hegt, 5G könnte sich anders auf Mensch und Umwelt auswirken, als alle vorangegangenen Mobilfunksysteme. Eine Minderheit akademischer Mobilfunkkritiker sieht dies anders. Deren Stimmen verlieren jedoch ebenso an Bedeutung wie (verfehlte) Weltuntergangsprognosen, wenn man bedenkt, dass es im Kern stets dieselben Mahner und Warner sind, die sich seit GSM mit jedem neu aufkommenden Mobilfunksystem gebetsmühlenartig zu Wort melden. Bislang hat sich keine ihrer düsteren Befürchtungen bestätigt, obwohl frühe Befürchtungen, Funkwellen könnten zu Zahnausfall, Haarausfall und Irrsinn führen, bereits älter als 100 Jahre sind.

Genug der Vorrede. Was Röösli et al. in ihrem Artikel konkret über die künftige Exposition der Bevölkerung mit 5G zu sagen haben lautet:

[...] Wie sich die Einführung von 5G gesamthaft auf die Exposition der Bevölkerung auswirken wird, hängt von den zukünftigen Applikationen ab, die zurzeit noch weitgehend unbekannt sind. So war bei der Einführung von 2G auch nicht vorhersehbar, dass Textnachrichten eine wichtige Anwendung dieser Technologie sein würden. Danach schaffte der 3G-Standard die Voraussetzungen für die Nutzung von Smartphones, welche einige Jahre später entwickelt wurden.

Grundsätzlich führt, unabhängig von 5G, die zunehmende mobile Datennutzung zu einem erhöhten Bedarf an Mobilfunkbasisstationen. 5G ist effizienter als bisherige Mobilfunktechnologien, und damit nehmen die Emissionen pro übermittelte Datenmenge ab [6]. Eine weitere Neuerung von 5G sind adaptive Antennen. Das bedeutet, dass gezielt in die Richtung der Datennutzung gesendet wird. Je höher die Frequenz, desto gezielter kann die Senderichtung eingestellt werden. Bei den 5G-Frequenzen um 3,5 GHz kann der Sendewinkel auf etwa 10° reduziert werden, während konventionelle Antennen typischerweise einen Sendewinkel von 60 bis 120° besitzen. Mit diesem sogenannten „Beamforming“ kann zeitlich begrenzt die Exposition am Ort von starker Datennutzung ansteigen. Jedoch nimmt sie in allen anderen Gebieten ab. Simulationsstudien kommen zum Schluss, dass die durchschnittliche Exposition bei adaptiven 5G-Antennen bei gleicher übermittelter Datenmenge rund 2- bis 5-mal geringer ist als mit den heutigen Technologien [5, 7]. Zudem sind die Emissionen von 5G-Mobilfunkbasisstationen im Stand-by-Betrieb geringer als bei älteren Technologien.

Die zunehmende mobile Datennutzung und die damit verbundene Nutzung von höheren Frequenzen für 5G wird zu einer Zunahme von Mobilfunkbasisstationen führen. Das muss aber nicht notwendigerweise eine Zunahme der Bevölkerungsexposition gegenüber HF-EMF nach sich ziehen. So kam eine Simulationsstudie für die Schweiz zum Schluss, dass mehr Mobilfunkbasisstationen, d. h. eine Reduktion des Zellenradius, zu einer Verringerung der Gesamtexposition von Mobilfunknutzenden um einen Faktor 2–10 führen [5]. Der Hauptgrund liegt darin, dass in einem dichteren Netz die Signalqualität besser ist und damit die Sendeleistung des eigenen Mobiltelefons geringer ausfällt. Je nach Art der Technologie und Art der Nutzung kann der Unterschied durch diese Leistungsregelung einen Faktor von 100000 oder mehr ausmachen [8].

Wird fortgesetzt ...

[Admin: Am Beginn des Zitats von Röösli et al. Absatz eingefügt am 12.08.2022]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Handy, Exposition, Strahlenbelastung, Mittelwert, Basisstation, Röösli, GERoNiMO, Leistungsregelung, Emission, Verharmlosung, Beamforming, Immissionsentwicklung


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