UBA erläutert Aussage "Mobilfunk für Hausanschluss ungeeignet" (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 07.08.2021, 23:07 (vor 1016 Tagen) @ H. Lamarr

Selbst das Mobilfunkbundesamt tendiere inzwischen zu einer Abkehr von der strahlungsintensiven Indoorversorgung

Toll! Bis drauf, dass es in diesem unserem Lande gar kein Mobilfunkbundesamt gibt.

Ich bin mir ziemlich sicher, mit dem ominösen Mobilfunkbundesamt meint Gutbier nicht das Bundesamt für Strahlenschutz, sondern das Umweltbundesamt (UBA). Warum? Das UBA veröffentlichte im September 2020 die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Green Cloud-Computing" und dort heißt es an einer einzigen Stelle lakonisch:

Der Mobilfunk ist für den Hausanschluss ungeeignet und aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes nicht tragfähig.

Da der Satz ohne Begründung dort steht, habe ich im März 2021 beim UBA nachgefragt, jedoch keine Antwort erhalten.

(Den Text meiner Anfrage an die Berichtsautorin und UBA-Mitarbeiterin Marina Köhn habe ich hier eingestellt.)

Auf erneute Nachfrage beim UBA Anfang August 2021 traf die erhoffte Begründung postwendend ein:
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Sehr geehrter Herr Schall,

vielen Dank für Ihre berechtigte Nachfrage und Entschuldigung, dass wir so verspätet antworten. Gerne möchte ich Ihnen den Hintergrund unserer Aussage erläutern.

Zunächst zur Begrifflichkeit.

Unter Hausanschluss haben wir hier verstanden, dass primär ein Gebäude, ggf. aber auch eine einzelne Wohneinheit oder auch ein Büro, mit einem Zugang zum Internet versorgt wird. Dies geschieht bisher in den weitaus überwiegenden Fällen kabelgebunden (DSL per Kupferleitung aber auch per FTTH mittels Glasfaser), kann aber auch per Mobilfunk oder Satellit erfolgen. Im Inneren wird dann der Internetzugang i.a. über einen Router per Kabel oder WLAN den Nutzern zur Verfügung gestellt.

Die genannten Zugangswege verfügen über einen unterschiedlichen Energiebedarf der ganz wesentlich von der verwendeten Technologie abhängig ist. Beispielhafte Werte hierfür können Sie unserem Bericht entnehmen.

In der Tat greifen Sie bereits in Ihrer Mail eines der Hauptargumente auf, warum nach unserer Einschätzung Mobilfunk auch perspektivisch nicht für die Versorgung von Hausanschlüssen geeignet ist. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass selbst bei privaten Anschlüssen der Bedarf nach höheren Bandbreiten kontinuierlich zunimmt und sicher auch perspektivisch weiter wächst. Dementsprechend steigen, insbesondere in Gebäuden mit mehreren Abnehmern (Wohneinheiten, Büros usw.), auch die Bandbreitenanforderungen an den Internetzugang. Perspektivisch würden diese Anforderungen per Mobilfunk sicher nur unter Verwendung von 5G und mittels mm-Wellen (24 bis 49 GHz oder noch höher) abgedeckt.

Die über den Mobilfunk realisierbaren Bandbreiten korrespondieren unmittelbar mit den eingesetzten Frequenzen, höhere Bandbreiten erfordern auch die Verwendung höherer Funkfrequenzen. Gleichzeitig steigt die Signaldämpfung durch die Gebäudehülle. Um dies zu kompensieren müsste entweder die Sendeleistung erhöht werden (das ist auf Grund der gesetzlichen Regelungen allerdings nur begrenzt möglich (Strahlenbelastung) und gleichzeitig mit einem deutlich höheren Energieverbrauch beim Sender verbunden) oder außen an der Gebäudehülle entsprechende Empfangsantennen angebracht werden. Ggf. wäre auch ein entsprechender Signalverstärker erforderlich. Zur weiteren Versorgung der Nutzer wäre dann analog zum kabelgebundenen Zugang im Inneren ein Router o.ä. erforderlich.

Diese Maßnahmen tragen aber gleichzeitig zur Reduzierung der Energieeffizienz bei. Teils steigt der Energieverbrauch senderseitig, teils sind zusätzliche Aufwände für den Empfang erforderlich (so durchdringen mm-Wellen beispielsweise nicht einmal die menschliche Haut) und erfordern ggf. Durchbrüche an der Gebäudehülle für die externe Antenne (mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wärmedämmung des Gebäudes).

Die verwendeten Funkfrequenzen werden aber nicht nur durch die Gebäudehülle gedämpft sondern generell auch durch andere Gebäude, Pflanzen usw. zwischen Sender und Empfänger. Daher wären für die flächendeckende Internet-Versorgung eines Wohnbereichs über 5G mehr Sendestationen (mit entsprechendem Energiebedarf) erforderlich als bspw. für die reine Mobilfunkversorgung mittels 4G / 5G. Auch dies führt zu einer Erhöhung des Energie- und Ressourcenbedarfs.

Wie Sie unserem Bericht entnehmen können, ist die Übertragung von Daten über eine kabelgebundene Verbindung sehr viel energieeffizienter als per Funk, unabhängig davon, welche Funktechnologie verwendet wird. Unter Berücksichtigung dessen sowie der oben angeführten Argumente ist eine kabelgebundene Internet-Versorgung der Hausanschlüsse (vorzugsweise per Glasfaser) aus Umweltaspekten zu bevorzugen.

[...] In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass der von Ihnen zitierte Bericht eine Vorab-Veröffentlichung war. Den vollständigen Abschlussbericht des Forschungsvorhabens finden Sie hier: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/green-cloud-computing.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen Baumeister
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Dr. Hans-Jürgen Baumeister ist Leiter der Beratungsstelle nachhaltige Informations- und Kommunikationstechnik (Green-IT) am Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Anfrage, Repeater, Festnetz, Glasfaser, Indoorversorgung, Umweltbundesamt, Klima, Mobilfunkversorgung, Indoor/Outdoor


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